Mädchen mit Schultasche beim Desinfizieren
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Politik

Coronavirus: Pro und Contra Schulschließung

Immer öfter wird aufgrund der steigenden Coronavirus-Zahlen über eine Schließung aller Schulen diskutiert. Auch die Experten sind sich nicht einig, ob der Bildungslockdown notwendig ist.

Angesichts der Zahlen solle man sofort zusperren, sagt der Mathematiker Peter Markowich: „Die Datenlage spricht derzeit eher davon, dass die Schulen doch Orte von Infektionsgeschehen sind. Die Frage ist: Können wir uns jetzt einen Fehler leisten? Die Antwort ist, glaube ich, Nein.“ Das Wachstum der Zahlen sei außer Kontrolle, so der Wissenschafter weiter.

Diskussion um Schulschließungen

Aufgrund der steigenden Infektionszahlen wird jetzt immer öfter über neuerliche Schulschließungen diskutiert. Doch selbst Experten sind sich nicht einig, ob diese drastische Maßnahme sinnvoll wäre.

Der Arzt und Infektiologe Christoph Wenisch, der viele Covid19-Kranke in der Klinik Favoriten betreut, will dagegen, dass die Schulen offen bleiben. Die Risikogruppen, also vor allem ältere Personen, sollten sich aber endlich an die einfachsten Schutzmaßnahmen wie Abstand und Maske halten. „Jene, die ihre Geburtstagsfeiern mit 70 planen und sich ärgern, weil sie nicht ins Theater gehen können, haben das Wesen von Covid19 nicht erkannt. Dafür habe ich kein Verständnis. Und dass man auf Kinder quasi losgeht, die überhaupt keine Erkrankung haben, sondern nur eine Infektion, also einen milden Verlauf – das ist medizinischer Sicht überhaupt nicht nachvollziehbar“, so Wenisch.

Czernohorszky: „Oberste Priorität“ für Schulen

Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) verwies in „Wien heute“ auf Beispiele aus anderen Ländern, in denen die Zahl der Infektionen auch bei offenen Schulen gesunken ist: „Irland ist so ein Beispiel. Ich kann mir alle Maßnahmen vorstellen, aber erst dann, wenn vorher alles andere versucht wurde. Kinder und Jugendliche brauchen Bildungseinrichtungen und daher müssen wir die Bildungseinrichtungen schützen, das müssen wir als oberste Priorität sehen.“

Die Zahlen an den Wiener Schulen würden einen Rückgang bei den Infektionen zeigen, so Czernohorszky, man habe intensiv getestet. Der Anteil der Kinder bei Infektionen ist demnach vor allem seit Schulbeginn gesunken – mehr dazu in Anteil der Kinder bei Infektionen gesunken.

IHS warnt vor Kosten bei Schulschließungen

Das Institut für Höhere Studien (IHS) hat am Dienstag auf die „enormen“ volkswirtschaftlichen Kosten von Schulschließungen zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie hingewiesen. Laut den Autoren Martin Kocher und Mario Steiner droht den betroffenen Schülern pro Schul-Lockdown-Monat ein Erwerbseinkommensverlust von mindestens 100 bis 200 Euro, dazu kommt durch Betreuungsverpflichtungen der Eltern noch einmal ein erheblicher Produktivitätsverlust.

Die kurz-, mittel- und langfristigen Kosten von Schulschließungen zur Eindämmung der Pandemie seien vielschichtig, betonen die Autoren des Policy Briefs: Die Umstellung auf Fernunterricht führe durch weniger aufgewendete Zeit für schulische Aktivitäten zu „massiv negativen Effekten auf den Kompetenz- und Wissenserwerb“, und zwar vor allem bei Jüngeren und benachteiligten Schülern, deren Eltern sie nicht so gut beim Lernen unterstützen können. Dazu komme gerade bei Kindern aus benachteiligten Haushalten noch die höhere Wahrscheinlichkeit von Arbeitslosigkeit, betonen die beiden Forscher.

Sie verweisen in diesem Zusammenhang auch auf die Verschärfung von sozialer Ungleichheit durch Schulschließungen: So konnten nach Lehrer-Schätzungen etwa zwölf Prozent der Schüler durch Fernunterricht nicht erreicht werden, unter benachteiligten Schülern waren es 37 Prozent. Vor allem bei benachteiligten Jugendlichen seien die Kompetenzverluste ausgeprägt, generell seien Langzeitfolgen wie früher Bildungsabbruch, höhere Dropout-Quoten bzw. geringere Karrierechancen zu erwarten.