„Wenn die Besucher schon nicht zur Vienna Art Week kommen, kommen wir eben zu den Besuchern“, umriss der künstlerische Leiter Robert Punkenhofer den Ansatz, sich nicht von den Unbilden beirren zu lassen. Physisch wurden im Vorjahr rund 35.000 Menschen erreicht: „Meine Hoffnung ist, dass wir diese Zahl übertreffen und noch mehr Besucher abholen können.“ Da habe es geholfen, dass man bereits im Vorjahr massive Schritte in Richtung der Digitalisierung unternommen habe, zeigte sich auch Martin Böhm als Präsident des Art Cluster Vienna überzeugt.
Atelierstreifzüge und Abbruchhaus
In der Grundstruktur orientiert sich die digitale Vienna Art Week, die heuer unter dem Motto „Living Rituals“ steht, dabei weitgehend an der etablierten Konstruktion aus Atelierstreifzügen, Gesprächen mit Künstlerinnen und Künstlern sowie Ausstellungen. Und mit dabei sind auch wieder renommierte Galerien mit ihren Ausstellungen, die auch tatsächlich physisch erlebbar sind, da diese Institutionen bekanntermaßen als Handelsbetriebe auch in Lockdownzeiten nicht zusperren müssen.
„Ich bin sehr überrascht, dass wir in diesem Monat offenhalten dürfen“, zeigte sich Branchengröße Ursula Krinzinger erstaunt und appellierte zugleich an die Politik, die Galerien bei der finanziellen Unterstützung nicht zu vergessen.
Das Kernstück der heurigen Art Week soll allerdings ab Montag, den 16. November das „House of Rituals“ in einem Abbruchgebäude in der Simmeringer Hauptstraße sein, das durch einzelne Onlineschaltungen erlebbar gemacht wird und die 20 Positionen von Größen wie Hermann Nitsch, Paul McCarthy oder Marina Abramovic vereint, die sich allesamt mit dem Überthema des Rituals auseinandersetzen. Art-Week-Chef Punkenhofer bietet einen virtuellen Ausstellungsrundgang, während am 20. November die beiden ebenfalls im Haus vertretenen Elisabeth von Samsonow und Erwin Wurm im Onlinegespräch zu erleben sind.
Zootalks mit Künstlerinnen und Künstlern
Die „Open Studio Days“ finden von Samstag (14. November) bis Freitag (20. November) digital statt, wenn Künstlerinnen und Künstler ihre Ateliers für Videoeinblicke offenhalten, wobei bei einem Zoom-„Marathon“ am Samstag und Sonntag zwischen 13 und 18 Uhr die einzelnen Stationen in rascher Folge abgeklappert werden. 270 Bewerbungen seien heuer eingetrudelt, freute sich Punkenhofer.
Es gibt „Art Melange“-Zoomtalks mit ausgewählten Künstlerinnen und Künstlern, die jeweils von 16.00 bis 17.00 Uhr den Austausch ermöglichen, wobei Proponenten wie Masha Dabelka, Fanni Futterknecht oder Kay Walkowiak mit von der Partie sind. Kulinarischer geht es indes bei „Cooking with Cliff“ zu, wenn Scott Clifford Evans Geheimnisse der mormonischen Küche präsentiert, wobei er in Episode 1 am Freitag Musiker Philipp Quehenberger zu Gast hat.
Coronakrise verändert Wahrnehmung
Hinzu kommen Onlineformate etablierter Institutionen. So streamt die Kunsthalle Wien zu ihrer dem Filmemacher Zelimir Zilnik gewidmeten Ausstellung kostenlos dessen Werk „Destination_Serbistan“, das MAK zeigt Martina Menegons „When you are close to me I shiver“, das im Rahmen ihres Formats Creative Climate Care stattfindet, und aus dem Leopold Museum wird am Sonntag (15. November) Bazon Brocks Vortrag „Hundertwasser und Beuys. Kunst als Ritual in den 50er und 60er Jahren“ zu erleben sein.
Auch das Belvedere 21 ist mit dabei, wenn am Dienstag ein virtuelles Künstlerinnengespräch zwischen Maja Vukoje und Luisa Ziaja stattfindet. „Die Lage ist ernst, aber die Vienna Art Week macht Hoffnung“, unterstrich Belvedere-Generaldirektorin Stella Rollig in einer Videobotschaft. Kunst online zu erleben sei mittlerweile mehr als ein Nischenprodukt: „Die Coronakrise hat unsere Wahrnehmungsgewohnheiten verändert – und nicht nur zum Schlechten.“ In der Albertina spricht am Mittwoch (18. November) Sammler Rafael Jablonka mit Kuratorin Elsy Lahner, und die Nitsch Foundation streamt am Donnerstag Hermann Nitschs 100. Aktion, das 6-Tage-Spiel auf Schloss Prinzendorf 1998.