Emirates AirLine Seilbahn in London
APA/AFP/Andrew Cowie
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Verkehr

Experte sieht keinen Bedarf für Seilbahn

Seit Jahren gibt es regelmäßig Vorschläge, in Wien Seilbahnen zu errichten, nun steht aber die Prüfung einer Seilbahnverbindung zwischen Hütteldorf und Ottakring im SPÖ-NEOS-Koalitionspakt. Verkehrsplaner Günter Emberger sieht darin keinen Sinn.

Rund 4,5 Kilometer lang ist die Route, die sich im NEOS-Wahlprogramm findet. Sie verbindet den Bahnhof Hütteldorf und den Bahnhof Ottakring und verläuft durch das Otto-Wagner-Areal. Es war nicht das erste Mal, dass die Partei den Vorschlag gemacht hat. Bereits 2017 gab es ähnliche Pläne. Mittlerweile ist fix, dass die Central European University (CEU) bis 2025 auf das Areal übersiedelt, rund 2.000 Studierende sollen dann das Gelände beleben.

Seilbahn „kritisch hinterfragen“

Die Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz ist laut NEOS nicht ausreichend. Das Areal ist lediglich mit den Buslinien 47A und 48A angeschlossen. Im Regierungsprogramm der neuen SPÖ-NEOS-Koalition heißt es deshalb: „Als Ergänzung zum öffentlichen Verkehr könnte eine neue Stadtseilbahn zwischen Hütteldorf und Ottakring das Otto-Wagner-Areal und die künftige CEU an U-Bahn und S-Bahn anbinden.“

Die geplante Linienführung der Stadtseilbahn
ORF/NEOS
Die geplante Linienführung führt durch das Otto-Wagner-Areal

Wenig Sinn sieht darin der Verkehrsplaner Günter Emberger von der Technischen Universität (TU) Wien. Es gibt in Wien drei verschiedene Verkehrssysteme im öffentlichen Verkehr: Busse für die Feinerschließung in den peripheren Gebieten, die Straßenbahnen als Hauptverkehrsnetz und die U- bzw. S-Bahnen im innerstädtischen Hochleistungsverkehr. „Dass man das ergänzt mit einer Seilbahn, ist wirklich kritisch zu hinterfragen und unbedingt zu prüfen, um es diplomatisch auszudrücken.“

Zusatzkosten durch Hintergrundinfrastruktur

Auch würde die Zahl der Studierenden den Bau nicht rechtfertigen. „Ich bin mir sicher, dass wenn ein Bedarf besteht, die Wiener Linien adäquat reagieren. Entweder man verdichtet die Busintervalle oder führt neue Expresslinien ein“, so Emberger, der meint, dass auch weitere Planungen in dem Gebiet mit Bussen aufgefangen werden können.

55 bis 70 Millionen Euro würde die Errichtung laut NEOS-Rechnung kosten und wäre damit billiger als etwa die Errichtung einer U-Bahn-Linie. Emberger meint, da fehlten noch die Kosten für das Know-how. „Die Wiener Linien haben keine Erfahrung, das zu betreiben. Das heißt, man müsste die ganze Dienstleistung dazukaufen.“ Es fehlen ausgebildete Mechaniker und die ganze Hintergrundinfrastruktur „jedes neue System, das in einer Stadt eingeführt wird, verursacht Kosten“.

Eine Stadtseilbahn in La Paz Bolivien
In Mittel- und Südamerika wurden vor allem die Favelas, also informelle Siedlungen, mit Seilbahnen angebunden

Für die Bevölkerung sollte die Seilbahn übrigens keine zusätzlichen Kosten verursachen. Der Plan ist laut NEOS-Bezirksrat Wolfgang Gerold, der das Projekt seit vier Jahren forciert, dass die Fahrt in der Jahreskarte inkludiert ist. Die derzeitige Situation sei ungünstig, weil man etwa vom Bahnhof Hütteldorf derzeit eine halbe Stunde zur Otto-Wagner-Kirche braucht. Mit der Seilbahn seien es dann circa zehn Minuten.

Denkmalschutz oder dicht bebaut

Aber gerade beim Verlauf der Seilbahn sieht Emberger ein weiteres Problem. „Vom Bahnhof Ottakring Richtung Wilhelminenspital ist dicht bebautes Gebiet. Dann durch dicht bebautes Gebiet zum Otto-Wagner-Areal Ost. Das Otto-Wagner-Areal ist denkmalgeschützt“, gibt der Verkehrsplaner zu bedenken. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Anrainer das gefallen lassen, dass ihnen im dritten Stock wer in die Wohnung schaut.“

In der Studie „Innovation Seilbahn“ des Berliner Verkehrsplaners Frieder Kremer wird hingegen ein positiver Aspekt eines zusätzlichen Systems hervorgehoben. „Seilbahnen setzen sich vor allem durch die multifunktionale Raumnutzung, den damit verbundenen geringen Platzbedarf und der selbst unter schwierigen topografischen Rahmenbedingungen gegebenen Einsatzmöglichkeit von konventionellen Verkehrsträgern ab“, heißt es da. Sie können also auch in steilem Gelände verwendet werden.

Wirtschaftskammer mit Seilbahn am Kahlenberg
Wirtschaftskammer Wien
Die Wiener Wirtschaftskammer präsentierte Pläne für eine Seilbahn auf den Kahlenberg

Wenn U- und Straßenbahnnetz fehlen

Ob das Gelände in Wien den Bedarf hergibt, müsste geprüft werden. Ohnedies seien Seilbahnen vor allem für schnell wachsende Städte in sogenannten Entwicklungsländern nützlich, meint Emberger. In Mittel- und Südamerika gibt es mehrere Seilbahnen, weil vormals informelle Siedlungen in Hügellagen erschlossen wurden. „Da hat man aufgrund der Menge der Menschen gesagt, wir können nur eine Seilbahn drüber bauen. Es war steiles Gelände, gab keine Straßen. Die haben kein Straßenbahn- oder U-Bahn-Netz gehabt.“

Seilbahnen in Europa, etwa in London oder Lissabon, sind für Emberger ein Resultat der Zeit, in der sie gebaut wurden. Die Londoner entstand zur Erschließung von Spielstätten der Olympischen Spiele 2012, in Lissabon war die Weltausstellung 1998 Anlassgeber. Die dortigen Seilbahnen haben heute eher touristischen Nutzen. Als Teil des Verkehrssystems kennt Emberger keinen Fall, „und es wird schon einen gewissen Sinn haben, dass das in Europa noch nirgends gebaut worden ist“.

Wiens erste Seilbahn

Für die WIG 64 wurde ein Sessellift durch den neuen Donaupark errichtet. Die Aufnahmen aus dem Archiv zeigen den Probebetrieb und den in Bau befindlichen Donauturm.

Machbarkeit wird geprüft

Die Stadt will nun die Machbarkeit der Seilbahn und weiterer Seilbahnen, „zum Beispiel entlang der Süd-Ost-Tangente (Hauptbahnhof, Arsenal, Busterminal)“, bis 2022 prüfen. Seilbahnen durch Landschafts- oder Naturschutzgebiete schließt der Koalitionspakt aber aus. Damit wird einer Seilbahn auf den Kahlenberg, wie sie die Wirtschaftskammer 2012 forderte, der Riegel vorgeschoben.

Für den Verkehrsforscher ist damit klar: „Wenn man eine Arbeitskommission einrichtet, dann ist das nicht extrem spruchreif. Es ist eine höfliche Art, etwas nach hinten zu verschieben.“ Übrigens gab es auch in Wien schon einmal eine Seilbahn, wenn auch in Form eines Sessellifts. Und auch die wurde für eine Veranstaltung errichtet – nämlich für die Wiener Internationale Gartenschau (WIG) 1964.