Birgit Hebein bei der virtuellen Landesversammlung der Wiener Grünen
Karo Pernegger
Karo Pernegger
Politik

Hebein: „Wir haben Standards gesetzt“

Die Parteichefin der Wiener Grünen, Birgit Hebein, spricht nach ihrer Demontage von einem „Riss in der Partei“. Bei der Landesversammlung am Samstag zog sie aber eine „stolze“ Bilanz über zehn Jahre Regierungsbeteiligung und kündigte kantige Oppositionspolitik an.

Erst im letzten Teil ihrer Rede sprach Hebein personelle Entscheidungen an, sie habe sich vorgenommen, Klartext zu reden: „Ja, es gibt einen Riss durch unsere Partei, der ist deutlich zu spüren.“ Das habe sich beim Heumarkt-Projekt gezeigt, bei der Ablöse ihrer Vorgängerin (Maria Vassilakou, Anm.), sie habe es zuletzt selbst zu spüren bekommen. „Ich glaube, dass dieser Riss auch dafür verantwortlich ist, für meine Nichtwahl zu einer Führungsfunktion im Rathaus“, so Hebein. Es zeige sich aber historisch, dass die Grünen einig sein müssten.

Birgit Hebein bei der virtuellen Landesversammlung der Wiener Grünen
Karo Pernegger
Birgit Hebein, Parteichefin Wiener Grüne

Die jetzt getroffenen Entscheidungen seien zur Kenntnis zu nehmen. Das sei Demokratie. Jetzt gelte es, Konsequenzen zu ziehen. Im Parteirat sei als erste Konsequenz ein Ausschuss beschlossen worden, um strukturelle Lücken in der Partei zu finden. Sie wolle als Parteichefin diesen programmatischen Prozess noch begleiten, weil sie darin eine Chance sehe, und sie werde sich auch daran beteiligen, ihre Nachfolge klar zu regeln. Die Grünen hätten schon einige Krisen überlebt, die Menschen würden jetzt erwarten, dass die Grünen ihren Beitrag leisten, dass Wien die lebens- und liebenswerteste Stadt der Welt bleibe.

„Enormes Vertrauen von den Menschen“

Zu Beginn ihrer Rede rief Hebein in Erinnerung, dass die Grünen bei der letzten Gemeinderatswahl das bisher beste Ergebnis erreicht hätten: „Wir haben enormes Vertrauen von den Menschen in Wien erhalten, für die Haltung in der Klimafrage und für den Zusammenhalt.“ Doch leider sei auch eine Enttäuschung hinzunehmen gewesen, als sich die SPÖ mit NEOS auf eine Koalition einigte. „Das schmerzt, das spürt eine Parteichefin sehr“, sagte Hebein.

Ihr sei es wichtig zu zeigen, was zehn Jahre Rot-Grün in Wien alles geschafft habe, setzte Hebein fort: Mindestsicherung, Bauordnung, Mariahilfer Straße, den öffentlichen Raum geöffnet und Platz geschaffen, das 365-Euro-Ticket, Fotovoltaikanlagen, Klimaschutzgebiete usw. Darauf könnten die Grünen stolz sein. Die Grünen hätten Wien geprägt, „dass es auch kein Zurück mehr gibt“. SPÖ und NEOS würden diese Politik in ihren Programmen fortschreiben. „Wir haben hier nicht nur Maßstäbe gesetzt, sondern auch Standards.“

Als Opposition „Finger in Wunden legen“

Hebein kündigte einen kantigeren Kurs der Grünen an: „Wir haben oft geschluckt, wir haben Kompromisse eingehen müssen. Das ist jetzt vorbei.“ Die Grünen hätten jetzt die Möglichkeit, ganz klar zu sagen, „was Sache ist in Wien“: Öffentliche Gebäude müssten eigentlich sofort klimaneutral sein, die Coronavirus-Krise dürfe keine Sozialkrise werden, Schutz vor Krieg müsse als grundsätzliches Menschenrecht behandelt werden. Sie sei überzeugt, es brauche die Grünen in Wien, auch in der Opposition. Man habe jetzt die Möglichkeit, einen programmatischen Kurs zu fahren, Integration, Gleichberechtigung, Feminismus anzusprechen und Finger in offene Wunden zu legen.

Hebein appellierte an die Grünen, es liege an ihnen, das Umschalten von Regierung auf Opposition zu schaffen. Es gehe jetzt darum, mit der kritischen Bevölkerung zusammenzuarbeiten. Sie führte als Beispiel Jugendliche an, die auf die Straße gehen, um für ihre Zukunft zu kämpfen. „Ich weiß, dass wir das können, weil die Basis und die Basisdemokratie für uns immer ein hohes Gut war. Wir haben immer die Türen geöffnet für Gestaltung, neue Ideen und Umsetzung.“

Parteirat bestätigte Stadträte

Zum Auftakt der Landesversammlung hatte Vizekanzler Werner Kogler die virtuellen Teilnehmer mit einem kurzen Rückblick auf die Verdienste, die die Grünen als Koalitionspartner in Wien erreicht haben, begrüßt. Die Grünen hätten enorme Spuren hinterlassen, wie zum Beispiel die Mariahilfer Straße. Auch aus der Opposition heraus könne man mitgestalten und Druck machen, skizzierte er die neue Rolle der Grünen in Wien.

Am Vorabend der Landesversammlung stimmte der Parteirat, das zweitgrößte Gremium der Grünen, den beiden neuen Stadträten zu. Damit sind Judith Pühringer und Peter Kraus nun auch mit Zustimmung der Vertreterinnen und Vertreter aus der Grünen Basis zu Stadträten gewählt. Pühringer und Kraus werden am kommenden Dienstag bei der konstituierenden Sitzung des Wiener Gemeinderats ihre Antrittsreden halten.

Unmut über Entscheidung

Der Landesversammlung der Grünen waren das beste Wiener Wahlergebnis, der Rauswurf aus der Koalition mit der SPÖ und die Demontage Hebeins im Grünen Klub sowie ihre Ankündigung, das Gemeinderatsmandat nicht anzunehmen, aber Parteichefin zu bleiben, vorausgegangen. Einschneidende Personalentscheidungen oder programmatische Weichenstellungen waren für die coronavirusbedingt virtuelle Versammlung nicht erwartet worden.

Mit Spannung wurde erwartet, ob es im Zuge der Landesversammlung eine Debatte über Hebein seitens der grünen Basis geben wird. Immerhin hatte es in den vergangenen Tagen Unmut – etwa von Bezirks-Grünen – am Umgang des Klubs mit Hebein gegeben. Im Klub selbst ging die Abstimmung eindeutig aus. Mit großer Mehrheit unterlag die scheidende Vizebürgermeisterin sowohl bei der Entscheidung der Klubführung – diese bleibt bei David Ellensohn – als auch der Besetzung der beiden nicht amtsführenden Stadtratsposten, die Kraus und Pühringer innehaben werden.

Doch auch aus den Reihen des Klubs gab es im Anschluss Kritik. Die grüne Neo-Mandatarin und enge Hebein-Mitstreiterin Viktoria Spielmann ärgerte sich via Soziale Netzwerke über „Postenschacher“. „Ich kämpfe gegen Entscheidungen, die durch die Hintertür gegen den Willen der Basis getroffen werden“, hielt sie fest. Darüber hinaus hielt sich der Aufruhr zumindest nach außen hin in Grenzen.