Hebein im Interview sitzend
ORF
ORF
Politik

Hebein: „Ich habe auch Fehler gemacht“

Die scheidende Vizebürgermeisterin Birgit Hebein signalisiert nach ihrer Niederlage im Rathausklub einen vorzeitigen Abschied von der Parteispitze der Wiener Grünen. Und sie räumt auch ein, insbesondere in Richtung SPÖ, auch Fehler gemacht zu haben.

„Nur wer nichts tut, macht keine Fehler“, so Birgit Hebein im Interview mit dem ORF Wien. „Natürlich habe ich auch Fehler gemacht. Mein größter Fehler war tatsächlich, zu unterschätzen, wie früh die SPÖ in den Wahlkampf einsteigt. Viele der Projekte, die wir gemeinsam noch auf den Weg gebracht haben, waren dann nur mehr Wahlkampf.“

“Nichts Unüberwindbares zwischen Rot und Grün“

Zu der Entscheidung der SPÖ, mit den NEOS eine Koalition zu bilden, sagt Hebein: „Es war eine reine machtpolitische Entscheidung der SPÖ, was ich schade finde. Die NEOS sind halb so stark und unerfahren. Mehr oder weniger kann die SPÖ jetzt eine Alleinregierung umsetzen, zumindest in den ersten Jahren.“ Inhaltlich hätte es nichts Unüberwindbares zwischen Rot und Grün gegeben.

Die Zeit in der Stadtregierung nennt Hebein „17 intensive und spannende Monate.“ „Es war mir eine Freude, ein Privileg, dass ich etwas beitragen konnte für die Menschen in Wien“, so die ehemalige Verkehrsstadträtin.

Hebein deutet baldigen Abschied an

Nach dem Abschied aus der Stadtregierung, dürfte auch früher als geplant, der Abschied als Parteichefin folgen. Hebein signalisiert nach ihrer Niederlage im Rathausklub einen vorzeitigen Abschied, ohne einen konkreten Zeitpunkt zu nennen: „Ich habe gesagt, ich nehme mein Mandat nicht an und werde mich jetzt daran beteiligen, dass die Partei gut in die Oppositionsrolle findet und die Nachfolge auch gut vorbereitet wird in den nächsten Wochen.“

Nachsatz: Womit man im Jänner auf alle Fälle rechnen könne, sei eine starke Oppositionspolitik. Bis zu ihrem Abgang werde sie jedenfalls die Funktion der Parteichefin „ehrenamtlich“ ausführen. Offiziell ist Hebein bis Ende 2021 von der Basis in ihre Führungsposition gewählt.

Keinen Wunschkandidaten

Der Grünen Partei will die gebürtige Kärntnerin jedenfalls trotz der internen Turbulenzen der vergangenen Woche erhalten bleiben. „Wir haben so viele engagierte Menschen, die sagen, machen wir etwas für unsere Stadt, für den Klimaschutz, für den Zusammenhalt. Sie sagen auch, ja machen wir jetzt Opposition, gerade jetzt braucht es eine starke Opposition und schauen wir auch, dass wir bei der Coronakrise mit all den Auswirkungen niemanden übersehen. Diesen Menschen bin ich sehr verbunden.“ Sie habe in den letzten 18 Jahren so viel lernen und erfahren dürfen, dass sie den Grünen jedenfalls treu bleiben werde.

„Alteingesessene haben sich durchgesetzt“

Hebein wiederholte am Montag zudem ihre Diagnose, wonach sich ein Riss durch die Partei ziehe – konkret zwischen Rathausklub und Basis. Das „Manöver“, bei dem die Mehrheit der Mandatare sie als von der Basis breit gewählte Listenerste nicht zur Klubchefin oder nicht amtsführenden Stadträtin gewählt hat, habe zu internen Irritationen geführt. Die Frage sei jetzt: „Wie kriegen wir Klub und Partei wieder zusammen?“ Denn es sei wichtig, dass beide „engstens“ kooperieren.

Die Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin, die mit dem Ende der rot-grünen Ära am Dienstag endgültig ihr Büro räumen muss, erinnerte daran, dass sie im November 2018 von einer breiten Mehrheit zur Spitzenkandidatin und Parteichefin gewählt worden sei. Als solche habe sie bei der Wien-Wahl nun das historisch beste Ergebnis eingefahren. Und dann hätten „ein paar Wenige“ entschieden, sie mit keiner Funktion mehr zu betrauen. „Die Alteingesessenen im Klub haben sich durchgesetzt“, so Hebeins Befund.

„Politik ist manchmal hart“

Wie es soweit kommen konnte bzw. vor allem wie eine ähnliche Situation in Zukunft vermieden werden kann, darüber soll nun ein noch einzusetzender Ausschuss beraten. Wie dieser Prozess genau ablaufen und wer im Gremium vertreten sein wird, ist aber noch offen.

Hebein selbst betonte am Montag einmal mehr, dass sie sich in den vergangenen 17 Monaten – seit ihrem Amtsantritt als Vizebürgermeisterin und Ressortchefin – nie um eine „Hausmacht“ im Klub gekümmert, sondern ihren Fokus stets auf Inhalte gelegt habe. Das sei ihre bewusste Entscheidung gewesen. „Und ja, Politik ist manchmal hart“, beschrieb sie ihre Nicht-Nominierung in den grünen Rathaus-Reihen.

Birgit Hebein vor Plakat mit Aufschrift  „Die Grünen“
APA/Robert Jaeger
„Vieles im Koalitionspapier ist grüne Politik“, so Hebeins Urteil über den Regierungspakt von SPÖ und NEOS

Grüne wollen starke Opposition sein

Für die Grünen sei die Oppositionsbank aber auch eine Chance: „Die Wiener Grünen werden lauter sein.“ Denn nun müsse man keine Kompromisse mehr schließen, sondern könne „vieles offen ansprechen“ und könne in der Bevölkerung „offensiv“ um Projekte werben. Wobei Hebein für ihre Partei in Anspruch nimmt, in den vergangenen Jahren Standards etwa im Klimaschutzbereich gesetzt zu haben, hinter die es kein Zurück mehr gebe.

„Vieles im Koalitionspapier ist grüne Politik“, so ihr Urteil über den Regierungspakt von SPÖ und NEOS. Man werde nun „genau hinschauen“, dass die „ambitionierten Ziele“ wie CO2-Neutralität bis 2040 und die Halbierung der Verkehrsemissionen in den kommenden zehn Jahren von Rot-Pink auch umgesetzt werden.

Und Hebein lässt mit der Ansage aufhorchen, dass die Hauptstadt-Grünen auch vermehrt Kritik an der (türkis-grünen, Anm.) Bundesregierung üben" würden. „Kantige Oppositionspolitik heißt Aufzeigen, heißt auch, dass wir lauter werden, was die Bundesregierung anlangt, im Sinne konstruktiver Kritik.“

Hebein zieht Bilanz

Hebein nimmt den Abschied von ihrem Vizebürgermeisterposten auch zum Anlass, um eine inhaltliche Bilanz über ihre Amtszeit zu ziehen. Es sei gelungen, der Stadt eine grüne Handschrift zu verpassen. Als Beispiele nannte sie die Einführung von Klimaschutzgebieten, wo in Neubauten nicht mehr mit Öl und Gas geheizt und gekühlt werden darf, die Erstellung der Hitzekarte und daraus abgeleitete Maßnahmen wie die „Coolen Straßen“, die Schaffung von mehr Platz für Fußgänger im öffentlichen Raum oder groß angelegte Baumpflanzungen.