Chronik

Anwalt bekennt sich zu Todessturz nicht schuldig

Ein Wiener Anwalt ist 2018 in den Tod gestürzt. Heute muss sich ein Kollege wegen Im-Stich-Lassen eines Verletzten vor Gericht verantworten. Der Angeklagte bekannte sich nicht schuldig und berichtete von einem gemeinsamen LSD-Trip.

„Nicht in meinem schlimmsten Albtraum habe ich daran gedacht, dass sich die Kombination LSD und Dachterrasse auswirken könnte“, betonte der Angeklagte. Beim Abschied habe der Verstorbene „beeinträchtigt, rauschig, aber sicher nicht hilfsbedürftig“ gewirkt, später am Telefon habe er sich „unbedenklich angehört. Er konnte mit Rausch umgehen“. Er selbst sei daher in dieser Nacht „komplett sorglos nach Hause gefahren“.

Vor Gericht bekannte sich der Anwalt nicht schuldig und schilderte seine langjährige Freundschaft zu dem Verstorbenen. Die beiden Juristen lernten sich während des Studiums kennen. Es habe sich „eine intensive Freundschaft, die zugegebenermaßen sehr viel vom Feiern getragen war“ entwickelt.“ Der Anwalt schilderte, wie er im Gymnasium mit Marihuana begann, im Studium auf Kokain umsattelte und ab 2007 auch LSD konsumierte, wobei letzteres jedes Mal für einen vollen Rausch gesorgt habe. Sein Freund habe diese Erfahrungen teilen wollen und ihn wiederholt auf LSD angesprochen.

Partybesuch im LSD-Trip

In der Nacht auf den 15. August 2018 habe er ihm LSD angeboten: „Er hat sich drauf gefreut“, sagte der Angeklagte. Man habe gemeinsam einen Trip geschmissen, dazu ein Pharmazeutikum genommen. Nehme man beides gemeinsam, lasse sich die Wirkung mit einem großen Glas Wasser auf eine Flasche Wein vergleichen, „analysierte“ der Anwalt. Die Stimmung der Männer sei gestiegen, man habe beschlossen, eine Party zu besuchen. Sein Freund habe dort "sehr ruhig, sehr entspannt“ gewirkt, nach einer Unterhaltung mit südamerikanischen Frauen, die ihn „geneckt“ hätten, aber plötzlich gehen wollen und sich in ein Taxi gesetzt.

Um 23.38 Uhr habe er ihn angerufen: „Da war er daheim auf der Couch, hat geraucht und gesagt, wir sollen alle zu ihm feiern kommen.“ Wenig später habe er ihn ein zweites Mal angerufen: „Ich hab’ ihm gesagt, dass er zurückkommen soll.“ Der Freund lehnte ab, habe stattdessen mit seiner Ex-Verlobten telefonieren wollen. Ein letztes Gespräch führten die beiden um 23.50 Uhr. „An den Gesprächsinhalt kann ich mich nicht mehr erinnern. Die LSD-Wirkung war bei mir auch schon sehr stark. Ich hatte das Gefühl, er war genervt. Ich bilde mir ein, dass er aufgelegt hat“, berichtete der Angeklagte.

Vater des Toten befürchtete Suizid des Angeklagten

Wenige Minuten danach war der auf Wirtschafts-, Kapitalmarkt- und Kartellrecht spezialisierte Rechtsanwalt tot. Als sich die Nachricht vom Tod des Juristen verbreitete, kam es zu einem Treffen des Freundeskreises mit der Familie des 35-Jährigen. Der Angeklagte habe sich dabei „in einem bejammernswerten Zustand“ befunden, erinnerte sich der Vater des ums Leben Gekommenen als Zeuge: „Er hat sich Vorwürfe gemacht. Dass er ihn nicht allein lassen hätte sollen. Er hat stark emotional reagiert.“ Er habe Angst gehabt, „dass er Suizid begeht. Ich habe den Eindruck gehabt, dass er sich sehr schlecht gefühlt hat bei dieser Geschichte“, gab der Vater seine Eindrücke wieder.

Der Anwalt des Angeklagten betonte, dieser habe sich ja gar nicht am Unglücksort befunden. Der Vorwurf, er habe dem Freund „nachfahren“ oder die Rettung rufen sollen, gehe ins Leere: „Dafür gab es nachweislich keinen Grund.“

„An Gesundheit geschädigt und im Stich gelassen“

Die Anklage legte ihm Imstichlassen eines Verletzten zur Last. Er habe es unterlassen, seinem Freund die erforderliche Hilfe zu leisten, nachdem er diesen an der Gesundheit geschädigt hätte, führte Staatsanwältin Caroline Czedik-Eysenberg eingangs der Verhandlung aus. Er habe dem Freund LSD überlassen, worauf dieser nach dem Konsum in einen „massiven Rauschzustand“ mit „erheblichen Wahrnehmungsstörungen“ verfallen sei. Dennoch habe der Angeklagte den vom Suchtgift Beeinträchtigten alleine mit einem Taxi nach Hause fahren lassen, wo dieser dann von der Terrasse in den Tod gestürzt sei, so der Vorwurf der Anklägerin.

Ihm nahe stehenden Personen zufolge hatte der zu Tode gekommene Anwalt bis dahin keinerlei Drogenerfahrungen gehabt. Die genauen Umstände des Todes ließen sich im Ermittlungsverfahren nicht klären. So konnte nicht festgestellt werden, ob sich der 35-Jährige in Gesellschaft befand, als er am Ende eines sehr langen Abends in die Tiefe stürzte.

Für den angeklagten Rechtsanwalt gilt die Unschuldsvermutung. Der Prozess wird am kommenden Donnerstag fortgesetzt. Neben weiteren Zeugen kommen dann auch zwei Sachverständige zu Wort. Im Fall eines anklagekonformen Schuldspruchs drohen dem Anwalt bis zu drei Jahre Haft. Der Jurist wurde nach Bekanntwerden der gegen ihn gerichteten Anschuldigungen vorläufig von der Kammer gesperrt und kann bis zur strafrechtlichen Erledigung der Causa seinen Beruf nicht mehr ausüben.