Politik

Kirchen bei Anschlag im Visier?

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hat heute über neue Details zum Terroranschlag am 2. November in Wien informiert. Ermittlungsergebnisse legen demnach nahe, dass der Täter womöglich Opfer in religiösen Einrichtungen, etwa Kirchen, gesucht habe.

Das sei das Ergebnis der sicherheitspolizeilichen Erhebungen, so Nehammer. Er kündigte eine verstärkte Überwachung von Kirchen und Stätten der Religionsausübung an. Man befinde sich in einer „besonders heiklen Phase“, weil ein Terroranschlag Nachahmungstäter auf den Plan rufen könnte, befürchtete der Innenminister.

Innenminister Nehammer auf Pressekonferenz im Freien
APA/Roland Schlager
Nehammer kündigte am Donnerstag verstärkten Schutz für Stätten der Religionsausübung an

Staatsanwaltschaft liegt kein Bericht vor

Details dazu nannte Nehammer nicht, weil die Staatsanwaltschaft das „Exklusivrecht“ habe, neue Erkenntnisse mit der Öffentlichkeit zu teilen. Die Sprecherin der Wiener Anklagebehörde, Nina Bussek, sagte im Anschluss auf APA-Anfrage, sie könne Nehammers Angaben nicht kommentieren. Der Staatsanwaltschaft liege jedoch kein entsprechender Bericht vor.

Jedenfalls ordnete Nehammer am Donnerstag die verstärkte Bewachung von Kirchen und Synagogen in sämtlichen Bundesländern an. Dafür werden mit den Religionsgemeinschaften Gespräche geführt, so Nehammer auf Nachfrage. Die neun Landespolizeidirektionen sowie die Ämter für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung wurden dahin gehend informiert, Kultusministerin Susanne Raab (ÖVP) unterrichtete wiederum die betroffenen Kirchen- und Religionsgemeinschaften.

Wiener Terror: Nun Schutz für Kirchen

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hat heute über neue Details zum Terroranschlag am 2. November in Wien informiert. Ermittlungsergebnisse legen demzufolge nahe, dass der Täter auch Anschläge in Kirchen geplant hatte.

Kein konkretes Bedrohungsszenario

Die Polizeikräfte würden ab sofort verstärkt vor Kirchen, Synagogen und anderen religiösen Einrichtungen Präsenz zeigen, kündigte Nehammer an. Die freie Religionsausübung sei ein hohes Gut, dieses gelte es zu schützen. „Wir können nur gemeinsam in Österreich gegen den Terror kämpfen“, so der Innenminister. Es bedürfe eines „gesellschaftlichen Schulterschlusses“, um zu signalisieren, „dass wir uns vom Terror nicht einschüchtern lassen“.

Ein konkretes Bedrohungsszenario gegen kirchliche Einrichtungen und Stätten der Religionsausübung liegt laut Nehammer gegenwärtig nicht vor. Es handle sich derzeit um eine Vorsichtsmaßnahme. Man befinde sich aber in einer „besonders heiklen Phase“, weil ein Terroranschlag erfahrungsgemäß Nachahmungstäter auf den Plan rufen könnte. So würden die Sondereinheit Cobra sowie andere Kräfte sowohl in Uniform als auch in Zivil im Einsatz sein, ergänzte der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf. Denn es bestehe weiterhin eine erhöhte Gefährdungslage in ganz Österreich.

Bewaffente Polizisten vor Kirche
APA/Roland Schlager
Polizisten des EKO Cobra bei einer Demonstration der vorgestellten „Rapid Response Teams“

„Schnelle Eingreifgruppen“ der Cobra

Künftig werden bei Anlässen wie terroristischen Bedrohungsszenarien oder Ereignissen, bei denen Anschläge nicht ausgeschlossen werden können, mobile Streifen des Einsatzkommandos Cobra/DSE (EKO Cobra) mit gepanzerten Fahrzeugen sowie uniformierte Cobra-Beamte mit schwerer Ausrüstung eingesetzt. Die „schnellen Eingreifgruppen“ sollen im Alarmfall bewaffnete Täter oder Personen, von denen eine hohe Gefahr ausgehen könnte, identifizieren, orten, binden und gegebenenfalls neutralisieren.

Die spezialisierten Beamten sind über die Sanitäterausbildung hinaus in taktischer Verwundetenversorgung und der Sofortbehandlung von Schwerverletzten geschult. Sie können insbesondere bei der Erstversorgung von Schuss-, Stich- und sonstigen schweren traumatischen Verletzungen rasche Hilfe leisten, sagte Brigadier Hannes Gulnbrein bei der Vorstellung der „Rapid Response Teams“ am Minoritenplatz am Donnerstag. Das EKO Cobra hat aktuell acht Standorte: Wien, Wiener Neustadt, Graz, Linz, Innsbruck, Salzburg, Klagenfurt/Krumpendorf und Feldkirch.

FPÖ vermutet Ablenkungsmanöver Nehammers

Die katholischen Diözesen stehen bereits in Kontakt mit den zuständigen Landesbehörden, also Verfassungsschutz und Polizeidirektionen, teilte die Kathpress mit. Die FPÖ vermutete hingegen ein Ablenkungsmanöver – und zwar von den Coronavirus-Maßnahmen. Nehammer habe bisher immer von einem Einzeltäter gesprochen, so Klubobmann Herbert Kickl in einer Aussendung. Jetzt stelle sich die Frage, ob es eine akute Terrorlage gebe.

Falls nicht, handle es sich um ein „reines Ablenkungsmanöver“. Kickl spricht sich für die Einberufung des Nationalen Sicherheitsrates oder eine Sondersitzung des Unterausschusses für Inneres aus.

Verfassungsschutzbericht: Hohe Gefahr

Eine erhöhte Gefahr islamistischer Terroranschläge stellte das Innenministerium bereits vor dem Anschlag in der Wiener Innenstadt fest. Das geht aus dem Verfassungsschutzbericht 2019 hervor, den das Ressort auf seiner Website veröffentlichte. Der islamistische Extremismus stellte für Österreich, wie auch für andere Staaten, „eine anhaltende und erhöhte Bedrohung dar“, heißt es in dem Bericht.

„Die Gefahr von islamistisch motivierten Anschlägen durch radikalisierte Einzeltäter oder autonom agierende Kleinstgruppen und Zellen, die Anschläge ohne direkten Auftrag bzw. Anleitung einer terroristischen Organisation ausführen, bleibt in Europa sehr wahrscheinlich weiterhin erhöht“, schreibt das Innenministerium: „Attraktivität und Anziehungskraft islamistischer Ideologien, insbesondere mit salafistisch-dschihadistischer Prägung, werden auf nicht absehbare Zeit ungebrochen bleiben.“

Der 2018 erkennbare rückläufige Trend in Hinblick auf die Häufigkeit islamistischer Anschläge setzte sich im vergangenen Jahr fort: Europaweit – auch in Österreich – ereignete sich 2019 kein größerer islamistisch motivierter Terroranschlag. „Dennoch stellen dschihadistisch inspirierte Anschlagsplanungen unverändert und in absehbarer Zeit eine der größten sicherheitspolitischen Herausforderungen für Europa und Österreich dar.“

„Radikalisierte Einzelaktivisten und Nachahmungstäter“

Die Anschläge zielen in der Regel darauf ab, „größtmöglichen Personen- und Sachschaden zu verursachen. In einschlägigen Medien bzw. Foren wird dementsprechend immer wieder auch zu Anschlägen auf stark frequentierten Plätzen aufgerufen.“ Bei der Auswahl der Anschlagziele spielen „strategische und praktische Überlegungen eine Rolle“. Das potenzielle Zielspektrum islamistischer Terroristen reicht von Objekten der kritischen Infrastruktur bis zu „weichen Zielen“.

Ein Bedrohungspotenzial geht „hauptsächlich von radikalisierten Einzelaktivisten und potenziellen Nachahmungstätern aus, die durch die dschihadistische Ideologie inspiriert und durch Aufrufe in Sozialen Medien motiviert wurden.“ Auch bei dem Wiener Attentäter dürfte es sich laut derzeitigem Ermittlungsstand um einen Einzeltäter gehandelt haben.