Chronik

Von Terrasse gestürzt: Anwalt freigesprochen

Am Donnerstag ist am Landesgericht der Prozess um einen Anwalt zu Ende gegangen, der im Sommer 2018 im Drogenrausch von seiner Dachterrasse in den Tod gestürzt ist. Der angeklagte befreundete Berufskollege wurde freigesprochen.

Die Staatsanwaltschaft hatte dem Angeklagten – von Beruf ebenfalls Anwalt – Imstichlassen eines Verletzten vorgeworfen. Wie Gerichtssprecherin Christina Salzborn mitteilte, erfolgte der Freispruch mangels Feststellbarkeit eines Vorsatzes, der für eine Verurteilung erforderlich gewesen wäre. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab.

Im LSD-Rausch allein mit Taxi nach Hause

Sie hatte dem Angeklagten – einem engen Freund des Verstorbenen – angekreidet, dieser habe es unterlassen, jenem die erforderliche Hilfe zu leisten, nachdem er ihn mittels Überlassen von LSD an der Gesundheit geschädigt habe.

Nach dem Konsum des Halluzinogens sei der 35-Jährige in einen „massiven Rauschzustand“ mit „erheblichen Wahrnehmungsstörungen“ verfallen. Dennoch habe der Angeklagte den vom Suchtgift Beeinträchtigten alleine mit einem Taxi nach Hause fahren lassen, wo dieser dann von seiner Terrasse in den Tod gestürzt sei.

Mutter: Sohn hatte Höhenangst

Wie die Mutter des Verstorbenen als Zeugin dem Gericht darlegte, hatte ihr Sohn Höhenangst. Deshalb habe man die Terrasse im Elternhaus erhöhen lassen. „Ich hab’ nie gesehen, dass er sich an ein Geländer angelehnt hat“, berichtete die Frau. Nach dem Tod ihres Sohnes habe sich der Angeklagte bei einem Zusammentreffen „große Vorwürfe“ gemacht: „Er hat gesagt, er hat ihm Rauschgift gegeben und er hätte ihn nicht im Stich lassen dürfen. Er hat das vier-, fünf-, sechsmal gesagt, anstatt uns zu kondolieren.“

Der Angeklagte habe „einen hoch selbstmordgefährdeten Eindruck“ gemacht und Angst gehabt, er könnte seine Anwaltsberechtigung verlieren, „wenn das rauskommt“. Im Anschluss berichtete ein langjähriger Freund des Verstorbenen, der Angeklagte habe nach dem tragischen Geschehen erzählt, er hätte jenem „mehr“ LSD gegeben, weil der ums Leben Gekommene „relativ groß“ war. Dem 35-Jährigen sei es danach „schlecht“ gegangen, sagte der Zeuge, der am Unglücksabend allerdings nicht dabei war, das aber später erfahren habe.

„An Marihuana und Kokain gewöhnt“

Der Angeklagte hatte sich beim Prozessauftakt am vergangenen Dienstag nicht schuldig bekannt. Der unter tragischen Umständen ums Leben Gekommene sei zwar nicht an LSD, aber an Marihuana und Kokain gewöhnt gewesen, sagte der Jurist, der von der Rechtsanwaltskammer vorübergehend gesperrt wurde, nachdem die Staatsanwaltschaft gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hatte. Die beiden Juristen hatten sich während des Studiums kennengelernt.

Es habe sich „eine intensive Freundschaft, die zugegebenermaßen sehr viel vom Feiern getragen war“, entwickelt, gab der Angeklagte zu Protokoll. Der Freund sei ein erstklassiger Jurist mit einem messerscharfen Verstand gewesen. Zugleich habe er aber ein hohes „Feierbedürfnis“ gehabt.

Angeklagter: Nicht hilfsbedürftig erschienen

Dabei dürfte auch der Angeklagte kein Kind von Traurigkeit gewesen sein. Wie er dem Richter freimütig darlegte, habe er „in der letzten Oberstufe“ mit Marihuana begonnen, „in den frühen Studienjahren“ auf Kokain umgesattelt und „ab 2007“ auch mehrfach LSD konsumiert: „In Tröpfchenform, mit einer Pipette. Auf einem Stück Würfelzucker oder in einem kleinen Schnapsglas, aufgelöst in einem Glas Wasser.“ Zur Wirkung befragt, entgegnete der Angeklagte: „Jedes Mal ein voller Rausch.“ Kontrollverlust sei bei ihm aber keiner eingetreten, im Gegenteil: „Es war stets eine bereichernde, heilende Erfahrung.“

Sein Freund habe diese Erfahrungen teilen wollen und ihn wiederholt auf LSD angesprochen. Als sich die beiden am Abend des 14. August 2018 trafen, habe er ihm daher den Stoff angeboten. Der Freund habe ihn zunächst auch gut vertragen, bei einer Party am Stadtrand „sehr ruhig, sehr entspannt“ gewirkt, nach einer Unterhaltung mit südamerikanischen Frauen, die ihn „geneckt“ hätten, aber plötzlich gehen wollen.

Als der Freund nach Hause fuhr, sei er ihm nicht hilfsbedürftig erschienen, bekräftigte der Angeklagte. „Nicht in meinem schlimmsten Alptraum habe ich daran gedacht, dass sich die Kombination LSD und Dachterrasse auswirken könnte“, hatte er beim Prozessauftakt am vergangenen Dienstag betont – mehr dazu in Anwalt bekennt sich zu Todessturz nicht schuldig (wien.ORF.at; 24.11.2020).