Tatortsmarkierungen vor der Ruprechtskirche
APA/Helmut Fohringer
APA/Helmut Fohringer
Politik

Jugendliche in Kirche entgingen Anschlag

Während des Anschlags am 2. November in der Innenstadt haben sich 17 Jugendliche in der Ruprechtskirche eingeschlossen. Dort fand zum Tatzeitpunkt gerade ein Jugendgottesdienst statt. Unklar ist derzeit, ob der Attentäter auch in die Kirche wollte.

Aus Ermittlerkreisen hieß es dazu laut APA, man gehe davon aus, dass der schwerbewaffnete Mann in die Kirche wollte. Gesicherte Erkenntnisse dazu lagen vorerst aber nicht vor. Die Jugendlichen hatten sich zu einem – nicht öffentlichen – Gebetsabend versammelt.

Wie der Sprecher der Erzdiözese Wien, Michael Prüller, am Freitag der APA bestätigte, seien sie dem Attentäter entgangen, indem sie die Lichter löschten und das Eingangstor versperrten, als die ersten Schüsse fielen.

Anschlag: Jugendliche harrten in Kirche aus

Während des Anschlags in Wien am 2. November haben 17 Jugendliche in der Ruprechtskirche ausgeharrt. Sie haben die Türen verriegelt, als sie die Schüsse hörten.

„Geistesgegenwärtig reagiert und sich verschanzt“

„Sie haben geistesgegenwärtig reagiert und sich verschanzt“, sagte Prüller. Aber sie hätten nicht wahrgenommen, dass jemand versucht habe, einzudringen, wie Prüller gegenüber dem ORF ergänzte.

Die Jugendlichen harrten bis 2.30 Uhr in dem verdunkelten Gotteshaus aus. Dann gab die Polizei Entwarnung, die Jugendlichen durften nach Hause gehen. Der Attentäter war um 20.09 Uhr nur wenige Meter von der Kirche entfernt am Ruprechtsplatz erschossen worden, nachdem er vier Passanten getötet hatte.

Verstärkter Schutz angeordnet

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hatte am Donnerstag bundesweit eine verstärkte Bewachung von Kirchen und religiösen Einrichtungen angeordnet und dies mit sicherheitspolitischen Erfordernissen begründet. Es könne nämlich nicht ausgeschlossen werden, „dass der Täter Opfer in Kirchen suchen wollte“, sagte der Minister bei einer Pressekonferenz – mehr dazu in Kirchen bei Anschlag im Visier? (wien.ORF.at; 26.11.2020).

Man befinde sich in einer „besonders heiklen Phase“ nach einem Terroranschlag, der Nachahmungstäter auf den Plan rufen könnte, sagte Nehammer. Der Innenminister kündigte an, Polizeikräfte würden ab sofort verstärkt vor Kirchen, Synagogen und anderen religiösen Stätten Präsenz zeigen. Entsprechende Schritte wurden seitens der Landespolizeidirektionen und der jeweiligen Ämter für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung veranlasst, nachdem Kultusministerin Susanne Raab (ÖVP) die Kirchen- und Religionsgemeinschaften informiert hatten.

Reimon kritisierte Nehammer – und relativierte

Der Grüne Abgeordnete Michel Reimon äußerte unterdessen am Freitag öffentliche Zweifel an den Angaben von Nehammer bei der Pressekonfernz tags zuvor. Weil Nehammer keine weiteren Details lieferte und bei Nachfragen auf die Staatsanwaltschaft verwies, mutmaßte Reimon, dass die Geschichte insgesamt erfunden sein könnte. Nach einem Gespräch mit Nehammer relativierte Reimon den Vorwurf.

Er begründete sein Statement mit seinem Ärger über die Kommunikationsstrategie der ÖVP. „Erfinden ist nicht richtig – es ging um aufbauschen. Wir müssen das möglichst ohne Angstmacherei kommunizieren“, sagte der Abgeordnete auf APA-Anfrage. Das Innenministerium wollte die Causa nicht kommentieren.

Die SPÖ griff das Thema auf und kündigte an, die Vorwürfe Reimons kommende Woche im „Geheimdienstausschuss“ des Nationalrats zu thematisieren. „Dieser Streit ist nicht nur in höchstem Maße unwürdig, er gefährdet auch die Sicherheit in Österreich“, so SPÖ-Sicherheitssprcher Reinhold Einwallner.

Zwischenbericht der U-Kommission noch vor Weihnachten

Die Untersuchungskommission zum Terroranschlag in Wien nahm unterdessen am Donnerstag ihre „inhaltliche Arbeit“ auf, wie es in einer Aussendung am Freitag hieß. Die Leiterin der Kommission, die Strafrechtsprofessorin Ingeborg Zerbes, geht davon aus, dass sie dem Innen- und dem Justizministerium vor Weihnachten einen Zwischenbericht vorlegen wird – mehr dazu in Terror-U-Kommission: Bericht vor Weihnachten (wien.ORF.at; 27.11.2020).