„Es gibt so viele Dinge, die im Stadtbild omnipräsent sind. Oft bekommen diese Dinge jedoch keine Aufmerksamkeit. Das geht von dem kommunalen Wohnbau über die Infastruktur der Bäder bis hin zu Ladenfronten“, sagt Koch. Die Idee für das neue Fotoprojekt kam Koch während des ersten Lockdowns. Gemeinsam mit dem Fotografen Doleschal will er diese Idee nun umsetzen.
„Hoffe auf Geheimtipps“
Auch Wienerinnen und Wiener können bei dem Projekt tatkräftig mithelfen: Alle Fundstücke aus den 50er und 60er Jahren sollen unter dem Hashtag „#MidCenturyVienna“ auf Facebook und Instagram gepostet werden. Die von Koch und Doleschal ausgewählten Fundstücke werden nachfotografiert und mit Nennung der Finderin oder des Finders ins Buch aufgenommen.
Grafiker Koch erhofft sich, durch den Aufruf noch Unbekanntes zu entdecken. „Ich binde sehr gerne Wienerinnen und Wiener in meine Projekte mit ein, da diese oftmals Geheimtipps für mich haben“, sagte Koch. Dadurch habe er von den unterirdischen Gängen der Wiener Wasserwerke erfahren, die aus den 50er Jahren stammen, ergänzte er.
„Mid-Century“ überall in Wien vorzufinden
Mit dem Buch wollen Koch und Doleschal den Blick für genau solche Relikte schärfen. Immerhin sind im Wiener Stadtbild viel Architektur und Design der 1950er bis 1960er Jahre vorzufinden: Kunstwerke in Form von Mosaiken auf Fassaden sind ein Charakteristikum vieler Bauten aus diesen Jahren. Im Gegensatz zu dem Jugendstil oder den Bauten des „Roten Wien“ findet die Mitte des 20. Jahrhunderts jedoch weitaus weniger Beachtung.
„Es geht darum zu dokumentieren, was noch aus dieser Zeit vorhanden ist und in welchem Zusammenhang diese Relikte zu der jetzigen Zeit stehen. Also wie es 60 bis 70 Jahre danach aussieht“, erklärte Fotograf Stephan Doleschal. Auf den Fotos solle man keine Menschen sehen, damit sich die Leute in die Zeit zurückversetzen können, fügte er hinzu. Das Buch soll im Herbst 2021 erscheinen. Dadurch bleibt den beiden Herausgebern noch genug Zeit, um Tipps von Wienerinnen und Wiener miteinzubeziehen.
Ghostletters: Eine aussterbende Spezies
Bei dem Projekt „Mid Century Vienna“ handelt es sich um ein Nachfolgeprojekt zu dem Buch „Ghostletters Vienna“ aus dem Jahr 2016. Als Ghostletters werden Schriftzüge von Portalen bezeichnet, die bereits demontiert wurden und lediglich Spuren hinterlassen haben. Viele dieser Spuren sind noch jahrelang, einige sogar jahrzehntelang im öffentlichen Raum sichtbar.
Aufgrund der rasanten Weiterentwicklung werden Ghostletters in ein paar Jahren vermutlich komplett aus dem Stadtbild verschwunden sein. Um eine Erinnerung daran zu bewahren, machte sich Tom Koch auf die Suche nach diesen Spuren. Europaweit war es damals das erste Buch, das sich dieser aussterbenden Spezies widmete.