Angeklagter und Polizisten in Prozess nach versuchten Anschlägen auf ICE-Züge
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Chronik

Prozess: Anschlagsversuche auf ICE-Züge

Am Landesgericht hat ein Terrorprozess gegen einen 44-Jährigen begonnen. Er soll für Anschlagsversuche auf ICE-Züge in Deutschland verantwortlich sein. Nach stundenlangen Aussagen des Angeklagten wurde der Prozess vertagt.

Der Prozess am Wiener Landesgericht findet unter strengen Sicherheitsvorkehrungen statt. Neben dem 44-Jährigen ist seine Ehefrau als Beitragstäterin angeklagt. Sie soll beim nächsten Verhandlungstermin am Donnerstag aussagen. Dem Ehepaar wird mehrfacher versuchter Mord als terroristische Straftat, schwere Sachbeschädigung als terroristische Straftat und das Verbrechen der terroristischen Vereinigung angelastet.

Der 44-Jährige bekannte sich zur schweren Sachbeschädigung schuldig, stellte aber in Abrede, sich als Terrorist für den IS betätigt oder gar in Tötungsabsicht gehandelt zu haben. Es sei seinem Mandanten nicht darum gegangen, ein katastrophales Zugsunglück herbeizuführen, betonte sein Verteidiger: „Er wollte Aufmerksamkeit erregen.“ Mit seinem Tun habe er Deutschland und andere europäische Staaten dazu bringen wollen, seine bzw. ihre Truppen aus dem Irak abzuziehen, meinte der Angeklagte: „Ich wollte niemandem schaden, sondern politische Gedanken fördern.“

Prozess: Anschlagsversuche auf ICE-Züge

Ein 44-Jähriger muss sich ab Dienstag in einem Terrorprozess am Wiener Landesgericht verantworten. Er wollte laut Anklage vier ICE-Züge zum Entgleisen bringen, scheiterte aber an der Umsetzung.

Staatsanwalt: Kontakte zu IS schon bei Einreise

Der in seiner Heimat vorgeblich politisch verfolgte Mann war 2012 nach Österreich geflüchtet. Im Jänner 2013 wurde ihm Flüchtlingsstatus zuerkannt, im November desselben Jahres kam im Rahmen einer Familienzusammenführung seine um elf Jahre jüngeren Ehefrau nach. Mit vier minderjährigen Kindern lebte das Paar in einer Gemeindewohnung in Simmering.

„Es war eine sehr unauffällige Familie. Sie haben kaum soziale Kontakte gepflegt“, führte der Staatsanwalt aus. Nach außen hin hätten die beiden „gut integriert“ gewirkt: „Unter dieser Fassade schlummert aber etwas ganz Anderes. Nämlich die Weltanschauung des IS. Dieses Gedankengut tragen die beiden in sich und haben es verinnerlicht.“

Schon bei seiner Einreise nach Österreich soll der 44-Jährige aktive Kontakte zum IS unterhalten haben. Regelmäßig kommunizierte der Asylberechtigte mit einem in der Schweiz lebenden Iraker, der 2017 in der Schweiz als Kopf einer IS-Zelle verurteilt wurde. Folgt man der Anklage, radikalisierte sich der in einem Supermarkt beschäftigte Familienvater zusehends. Schließlich soll er beschlossen haben, selbst Anschläge im Namen des IS durchzuführen.

Prozess: Anschlagsversuche auf ICE-Züge

Am Landesgericht hat ein Terrorprozess gegen einen 44-Jährigen begonnen. Er soll für Anschlagsversuche auf ICE-Züge in Deutschland verantwortlich sein. Nach stundenlangen Aussagen des Angeklagten wurde der Prozess vertagt.

Anschlagsversuche in Deutschland

Laut Staatsanwaltschaft reiste der Angeklagte zunächst nach Paris und Marseille, um nach geeigneten Anschlagzielen Ausschau zu halten. Ein Artikel in einem Online-Magazin des IS brachte ihn dann auf die Idee, in Deutschland ICE-Züge mittels Balken-Konstruktionen zum Entgleisen zu bringen. Er soll sich dafür umfangreiches Fachwissen in Eisenbahnwesen und Zugtechnik angeeignet haben, in einem Baumarkt Bauteile besorgt und in der Abstellkammer seiner Wohnung eine Balken-Konstruktionen hergestellt haben.

Am 25. Jänner 2018 befestigte er laut Anklage vor dem Herannahen eines ICE Holzkeile mittels Ketten und Metallteilen auf Bahngeleisen in Allersberg, einem Vorort von Nürnberg. Außerdem hinterließ er eine Box mit einer SD-Karte, auf der eine Rede des ehemaligen IS-Sprechers Abu Mohammad Al-Adnani abgespeichert war. Der geplante Anschlag scheiterte, weil die Keile zu kurz waren, um einen ICE aus der Spur zu bringen.

Am 19. August 2018 tauchte der Mann wieder in Allersberg auf und legte laut Anklage vier statt zwei Holzteile in Form von Balkenschuhen mit aufgesetzten Keilen und Metallketten auf die Gleise der Schnellbahnstrecke zwischen Nürnberg und München. Zudem hinterließ er an einer Eisenbahnbrücke ein islamistisches Graffito. Im Vorfeld hatte er außerdem ein Schreiben aufgesetzt, in dem er mit weiteren Attentaten in ganz Europa drohte. Auch diesmal wuchtete ein ICE beim Aufprall das Hindernis auf die Seite, ohne dass gröbere Folgen eintraten.

Ehefrau soll bei Vorbereitungen geholfen haben

Nach den ersten beiden Versuchen soll auch die Ehefrau in die Pläne eingeweiht gewesen sein und bei den Vorbereitungen geholfen haben. Am 7. Oktober 2018 begab sich der 44-Jährige – nach seiner Festnahme Ende März 2019 wurde im Zug einer Hausdurchsuchung umfangreiches Propagandamaterial sichergestellt – wieder nach Allersberg und spannte ein Stahlseil schräg über die Geleise, das er an zwei Oberleitungsmasten befestigte. Um 23.19 Uhr kollidierte ein mit 160 Passagieren besetzter ICE mit einer Fahrtgeschwindigkeit von 204 km/h mit dem Stahlseil, was einen Lichtblitz und Schäden an der Frontscheibe sowie am Lack des Triebwagens, aber nicht mehr bewirkte.

Kopien von Drohschreiben in Copyshop vergessen

Nun zielte der 44-Jährige auf einen Anschlag in Berlin ab – „dem Herzen Deutschlands“, wie der Staatsanwalt sagte. In einem Copyshop im Wiener Westbahnhof stellte er Kopien eines Drohschreibens her – die Vorlage vergaß er allerdings im Drucker, was wesentlich zu seiner Ausforschung beitrug.

Am 15. Dezember 2018 soll der Angeklagte an der Berliner S-Bahn-Station Karlshorst ein Seil mit zu Hakenkrallen gebogenen Eisenstangen über die Oberleitung geworfen haben, womit er wiederum einen Personenzug entgleisen lassen wollte. Allerdings touchierte dann ein Güterzug mit dem Hindernis, was einen gewaltigen Lichtblitz zur Folge hatte, wodurch der Oberleitungsmast beschädigt wurde.

„Sie wollten Anschläge im Namen des IS begehen, die größtmöglichen Sachschaden, größtmöglichen Personenschaden anrichten“, meinte der Staatsanwalt. Der 44-Jährige sei „von der Idee besessen“ gewesen, seine Frau habe ihn „tatkräftig“ unterstützt.

Angeklagter: Habe „Dummheiten begangen“

Er habe „Dummheiten begangen“, gab der 44-Jährige im Prozess zu Protokoll: „Das, was ich gemacht habe, ist ein großer Fehler gewesen. Es war unüberlegt.“ Er habe sich ständig Gedanken über die politische Situation in seiner Heimat im Irak gemacht, was ihn deprimiert hätte: „Ich habe in dunklen Gedanken verharrt.“

Er sei nie ein Sympathisant oder Unterstützer des IS gewesen und habe mit dem inkriminierten Vorgehen „keinen Terror schüren, sondern etwas Positives erreichen“ wollen: „Ich wollte, dass Deutschland die Truppen abzieht.“ Sein Verteidiger meinte, die Anschläge seien bewusst so gestaltet worden, „dass niemals eine Gefahr für Menschen eintreten kann“.

Auf Utensilien, die bei den Anschlägen verwendet wurden, wurden DNA-Spuren der Ehefrau sichergestellt. Was aus Sicht der Staatsanwaltschaft dafür spricht, dass sie ihrem Mann geholfen hat. Die Frau soll von den Anschlägen nichts gewusst haben, sagte der Anwalt des Angeklagten: „Sie war eine Belastung für ihn. Alles was er getan hat, hat er ganz alleine getan.“ Die Frau sei eifersüchtig gewesen, weil sie vermutete, ihr Mann habe eine andere, so nach innen gekehrt habe er sich ihr gegenüber verhalten.