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Politik

Wirbel nach Aussage zu Reiserückkehrern

Die Aussage von Kanzler Kurz (ÖVP), wonach durch Reiserückkehrer und Menschen, die in ihren Herkunftsländern den Sommer verbracht hätten, Ansteckungen wieder ins Land hereingeschleppt worden seien, sorgt für Kritik und Betroffenheit unter Wienern mit Migrationshintergrund.

Das Geschäft läuft in Corona-Zeiten nicht besonders, trotzdem haben viele Standler am Brunnenmarkt wie gehabt geöffnet. Manche von ihnen gehen mit gerade einmal 100 Euro Tages-Umsatz nach Hause. Zu Hause in Wien wollen viele von ihnen auch über die Feiertage bleiben, wie ein „Wien heute“-Lokalaugenschein gezeigt hat. Man werde hier bleiben. Die ganze Situation sei nicht normal. An der Grenze könnte es Probleme geben, so lauten einige der Aussagen.

Stadt: In Wien nur sieben Prozent infizierte Rückkehrer

Die Aussage des Bundeskanzlers hat viele Menschen mit und ohne Migrationshintergrund getroffen, sagt die Journalistin Amra Durić. Ihre Familie hat bosnische Wurzeln: „Ich bin jetzt 30 Jahre alt und frage mich, wie lange soll das noch gehen? Mein Bruder macht gerade die Ausbildung zum Pfleger, er hat im Altersheim gearbeitet und dort gesehen, dass es einfach an Kräften mangelt. Er macht jetzt die Ausbildung und gestern nach der Pressekonferenz sitzt meine Mutter mit ihm zuhause und lernt mit ihm, weil sie auch Pflegehelferin war. Und diese Menschen diskriminiert der Bundeskanzler mit solchen Aussagen.“

Faktencheck: Corona aus dem Ausland

ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz hat die Quarantänepflicht bei der Einreise über Weihnachten unter anderem mit dem Verweis auf den Sommer begründet. Damals seien "durch Reiserückkehrer und insbesondere durch Menschen, die in ihren Herkunftsländern den Sommer verbracht haben, uns Ansteckungen wieder ins Land hereingeschleppt“ worden. Dafür gibt es nun nicht nur Kritik von Teilen der Opposition, sondern auch vom grünen Vizekanzler Werner Kogler.

Die Zahlen aus dem Büro des Wiener Gesundheitsstadtrats zeigen: Von den zwischen Mitte Juli und Ende September positiv getesteten Menschen, waren 7,53 Prozent Reise-rückkehrer und Urlauber mit oder ohne Migrationshintergrund. Von diesen 7, 53 Prozent waren 22,4 Prozent davor in der Türkei, 21,5 Prozent in Kroatien und 7,9 Prozent in anderen Bundesländern unterwegs.

ÖVP: 27 Prozent der Fälle hatten Quelle im Ausland

Das zeigt klarerweise nur die Zahlen jener in Wien Lebenden, die sich haben testen lassen. Die hohen Ansteckungszahlen unter anderem mit den Sommerbesuchen bei Familien etwa am Westbalkan zu erklären, sieht auch der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) kritisch: „Es ist mir auch deshalb unverständlich, weil das sehr oft auch Menschen sind, die bei uns in Wien, aber in Österreich generell, ja gerade oft in der kritischen Infrastruktur tätig sind. In Krankenhäuser, Spitälern, Pflegeeinrichtungen. Ohne jene Menschen wäre es wahrscheinlich gar nicht möglich, dass wir diese infrastrukturellen Einrichtungen am Laufen halten.“

Weiters sagte Ludwig: „Und von daher finde ich den Bezug auf die Herkunftsländer als unrichtig, denn es haben sich natürlich sicher auch Menschen angesteckt haben, die auf Urlaub waren, unabhängig ob sie einen Familienbesuch zu erledigen gehabt haben oder sonst unterwegs waren.“ Er, Ludwig, würde sich erwarten, wenn man eine solche Analyse treffe, dass man dann beispielsweise an den Grenzen Testungen vornehme. „Ein Stigmatisieren von Bevölkerungsgruppen halte ich gerade in einer Krisensituation für nicht gut.“

Von der ÖVP hieß es am Donnerstag per Aussendung, es sei wissenschaftlich bewiesen, dass am Ende des Sommers zahlreiche Corona-Infektionen nach Österreich eingeschleppt wurden. Laut AGES hatten damals über 27 Prozent der österreichischen Corona-Fälle ihre Quelle im Ausland, knapp drei Viertel davon in Kroatien oder am Westbalkan.