Chronik

„Falsche Polizisten“: Haft für Geldbotinnen

Weil sie laut Staatsanwalt „alte Leute ausgenommen“ haben, sind am Donnerstag am Landesgericht Mutter und Schwester eines Bandenchefs verurteilt worden. Die Bande nimmt alten Menschen als angebliche Polizisten Wertsachen ab, um sie in Sicherheit zu bringen.

Vier Mitangeklagte zeigten sich großteils geständig, die 55-jährige Mutter und die 26-jährige Schwester bestritten im Prozess jede Verantwortung. Vielmehr schäme sie sich für ihren Sohn", dass der Name der Familie befleckt worden sei. Die Mutter kollabierte zweimal während des Prozesses, einmal am Nachmittag und ein zweites Mal am Abend bei der Urteilsverkündung. Sie und die Tochter wurden wegen Geldwäsche und krimineller Vereinigung zu jeweils drei Jahren unbedingter Haft verurteilt. Verteidigerin Astrid Wagner legte Rechtsmittel ein, das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Zumindest 4,5 Millionen Euro Beute

Als Bandenchef gilt ein Türke, der lange in Vorarlberg gelebt hat. Er soll den Betrug von Istanbul aus steuern. Die Kriminellen verwenden computertechnisch veränderte Telefonnummern, um gezielt alte Menschen anzurufen. „Eine Jacqueline oder einen Justin wird keiner anrufen“, betonte der Staatsanwalt. Den Opfern werde weisgemacht, dass ihre Namen auf einer Einbruchsliste stünden, die der (falschen) Polizei vorläge. Um Geld, Schmuck und andere Wertsachen in Sicherheit zu bringen, werde in Kürze ein Kollege vorbeikommen und die Wertgegenstände abholen.

Mit dieser Masche konnte die Bande laut Polizei zumindest 4,5 Milllionen Euro erbeuten. „Darunter sogar das Begräbnisgeld, das sie sich auf die Seite gelegt haben, um nicht der Familie nach dem Ableben zur Last zu fallen“, empörte sich der Staatsanwalt. Teilweise ließen sich Opfer von den Schwindlern sogar zur Bank chauffieren, wo sie ihre Schließfächer leerräumten und den Inhalt den vermeintlichen Polizisten überreichten.

Mutter und Schwester als Boten

Der Bandenchef ist zur Zeit für die österreichischen Behörden nicht greifbar. Der türkische Staatsbürger befindet sich in der Türkei, mit der es kein rechtsverbindliches Übereinkommen hinsichtlich der Strafverfolgung der jeweiligen Staatsbürger gibt. Allerdings konnten seine Mutter und seine Schwester festgenommen werden. Sie waren im Februar 2020 nach Wien gereist, um laut Anklage Beutestücke zu übernehmen. Zuvor, 2019, sollen die beiden schon einmal in Belgrad eine „Großlieferung“ aus Wien übernommen und in die Türkei gebracht haben.

Die beiden Frauen bestritten dies vor Gericht: „Sowohl meine Tochter als auch ich können erhobenen Hauptes nicht sagen, dass wir etwas falsch gemacht haben.“ Die Mutter versicherte, sie wäre nur ihrer Witwenpension wegen nach Österreich gekommen. Geld aus den Betrügereien habe sie nicht entgegengenommen, sie habe auch keine Wertsachen in die Türkei geschafft. Aus der Telefonüberwachung geht aber unter anderem hervor, dass sich die Schwester darüber beschwerte, sie habe „die ganze Last“ getragen.

Verteidigerin: „Gewisse Naivität“

Ihre Verteidigerin betonte, die Frauen hätten keine vorsätzlich strafbaren Handlungen begangen. Der Sohn bzw. Bruder sei ein „äußerst aggressiver und dominanter Mensch. Er hat das Kommando geführt, es musste alles nach seinem Willen geschehen“. Sie hätten sich „nichts Böses gedacht“, als sie entsprechend seinen Direktiven handelten. „Eine gewisse Naivität könnte man ihnen vielleicht unterstellen“, räumte die Verteidigern ein. Die zwei Frauen wären allerdings „Randfiguren“ gewesen.

Doch die beiden Frauen wurden von den vier Mitangeklagten belastet. Darunter auch ein 42-jähriger Familienvater, der eine zentrale Rolle bei der Abwicklung gespielt haben dürfte. Die falschen Polizisten sollen ihm die Beute übergeben haben, er soll dann für den Weitertransport durch Boten oder Post gesorgt haben. Er sagte aus, er habe die Hauptangeklagten vom Flughafen abgeholt, er habe auch Geldüberweisungen in die Türkei getätigt.