Der Mikrobiologe Michael Wagner von der Universität Wien im Interview mit „Wien heute“
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Chronik

Lockdown: Experte erwartet Verlängerung

Der Mikrobiologe Michael Wagner von der Uni Wien rechnet wegen der CoV-Mutationen mit einer Verlängerung des Lockdowns. Ob Öffnung oder nicht, sollte an bestimmte Kriterien gekoppelt sein, so Wagner. Eine Pflicht für das Tragen von FFP2-Masken hält er für sinnvoll.

„Die Mutante ist viel ansteckender. Für den Einzelnen, der sich infiziert, ist der Krankheitsverlauf nicht schwerer. Ist es nicht gefährlicher. Aber Gesellschaftlich ist das Risiko viel höher, weil es werden sich viel mehr infizieren. Und dadurch werden auch viel mehr Menschen schwer erkranken und sterben“, sagte Wagner im „Wien heute“-Interview.

Deshalb müsse man alle Maßnahmen noch strenger durchführen, um denselben Effekt zu erzielen. Wagner begrüßt deshalb etwa eine Pflicht zur FFP2-Maske. „Diese Masken haben eine deutlich besser Filterwirkung, vor allem wenn sie trocken sind. Die dürfen nicht zu feucht werden, das ist immer auch ein Thema in Zusammenhang mit dem Skifahren. Wenn die trocken sind, sind sie sehr wirkungsvoll. Das wäre sicher eine wichtige Maßnahme“.

Mikrobiologe Wagner im Interview

Der Lockdown muss verlängert werden und alle sollten FFP2-Masken tragen: Mikrobiologe Michael Wagner im Interview bei Elisabeth Vogel.

„Nicht sinnvoll, Öffnung an bestimmte Tage zu knüpfen“

Egal ob Schulöffnung oder Verlängerung oder Lockerung des Lockdowns: Wagner hält es aus virologischer Sicht sinnvoll, alle Öffnungsmaßnahmen anhand von „Kriterien zu machen, also evidenzbasiert zu handeln“. Als Beispiele nannte er die Siebe-Tage-Inzidenz, die Contact-Tracing-Kapazität, die Positivitätsrate oder die Entwicklung der R-Zahl.

„Und sehen wir dort keine Reduktion zu Werten, die eine Kontrolle erwarten lassen, dann ist eine Öffnung meiner Meinung nach Leichtsinnig. Nur wenn man die Kontrolle gewinnen kann über das Ausbruchsgeschehen, dann kann man Öffnungsschritte wagen. Ich halte es nicht für sinnvoll eine Öffnung an bestimmte Tage zu knüpfen“, so Wagner.

Der Mikrobiologe, der auch an der SARS-CoV-2-Monitoringstudie an Schulen beteiligt war, rechnet mit einer Verlängerung des Lockdowns in Österreich, denn „in den Ländern wo diese Varianten schon weit verbreitet sind, da deutet die Entwicklung daraufhin, dass das eine große Herausforderung wird“.

Regierung diskutiert über Lockdown-Verlängerung

In der Regierung wird derzeit über eine mögliche Verlängerung des bis 24. Jänner geltenden Lockdowns beraten. Es werde natürlich ständig diskutiert, was die sich ändernden Rahmenbedingungen bedeuten, sagte Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) am Mittwoch nach dem Ministerrat. Die Entscheidung soll in den nächsten Tagen fallen.

Die Situation sei durch die nun auch in Österreich aufgetretene britische Mutation B.1.1.7. des Corona-Virus eine „sehr, sehr schwierige“, sagte Blümel im Pressefoyer. Es gebe „in ganz Europa eine neue Diskussion, wie man auf das Virus reagiert, es ist wesentlich aggressiver“. Auch verwies er auf die Daten aus Irland: Dort seien die Infektionszahlen vor wenigen Wochen ganz unten gewesen – und innerhalb weniger Wochen seien „die Inzidenz-Zahlen explodiert“.

Auch blickte der Minister ins nördliche Nachbarland: „In Deutschland wird diskutiert, ob der Lockdown noch verschärft, verlängert werden soll. Natürlich müssen solche Überlegungen auch in anderen Ländern passieren. Wir verfolgen die Situation sehr genau, es gibt regelmäßige Debatten darüber, was das für die Maßnahmen bedeutet.“

Aktuelle Coronasituation in Österreich

Eine neue Virusvariante aus England soll laut aktuellen Einschätzungen leichter übertragbar sein als bisherige Varianten des Coronavirus. 354 Coronapatienten belegen derzeit Österreichs Intensivstationen.

Herausforderung für Modellrechner

Seit den Verdachtsfällen in den letzten Tagen beschäftigen die Mutationen auch verstärkt die Modellrechner in Österreich. „Wir schauen uns jetzt gerade in den Modellen an: Wie wirkt sich der Lockdown aus, wie wirkt sich möglicherweise schon die Mutation aus? Und versuchen jetzt eben Aussagen zu treffen. Was wir aktuell sehen ist: Wir sehen einen leichten Abfall, eine leichte Stabilisierung. Wir würden uns natürlich wünschen, dass die Effekte vom Lockdown jetzt noch stärker Wirkung zeigen“, sagte Niki Popper, Simulationsforscher an der TU Wien, zur „Zeit im Bild“.

Denn auch wenn die neue Virusvariante ansteckender sei, die Möglichkeiten das Virus in Schach zu halten, bleiben die gleichen. „Die wirklichen Maßnahmen, die wir setzen können, den Werkzeugkasten, den wir haben, der bleibt der gleiche. Es wird nur schwieriger, weil die Infektiosität höher ist. Es ist, wie wenn bei einer Fußballmannschaft jetzt der Stürmerstar eingewechselt wird. Die Situation wird schwieriger. Wir müssen noch besser in der Verteidigung stehen. Aber grundsätzlich ändert sich an der Strategie nichts“, sagte Popper und plädierte einmal mehr für verstärktes Testen und genaues Hinschauen – dort, wo es Verdachtsfälle mit der neuen Virusvariante gibt.