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Bildung

CoV-Pandemie als Chance für Schulen

Der Welttag der Bildung morgen Sonntag ist ein besonderer, denn wegen der CoV-Pandemie sind 1,6 Milliarden Kinder und Jugendliche in 188 Ländern von Schulschließungen betroffen – auch in Wien. Hier warnen viele vor den Folgen, andere sehen eine einmalige Chance.

Die Coronapandemie und ihre Folgen legen in Schulen und Kindergärten schonungslos Schwachstellen offen. "Diese Probleme entstehen aber nicht irgendwo, sondern an ganz bestimmten Stellen“, sagte Ercan Nik Nafs von der Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien. Es sind Schwachstellen, die es vor der Pandemie schon gegeben hat, etwa die übergroße Last, die arme und armutsgefährdete Kinder und Familien zu tragen haben. Auch Personal- und Raummangel sind chronische Probleme in Kindergarten und Schule, die sich jetzt besonders negativ auswirken.

Susanne Wiesinger
APA/HERBERT NEUBAUER
Susanne Wiesinger spricht sich für Wiederholung des CoV-Schuljahres aus.

Das geht so weit, dass Rufe laut werden, das aktuelle Schuljahr an sogenannten „Brennpunktschulen“, aber auch an manchen städtischen Unterstufen-Gymnasien zu wiederholen, wo schon vor Corona enorme Defizite mitgeschleppt worden seien. "Nun ist ein so großer Leistungsabfall zu bemerken, dass ich nur eine Lösung sehe: Das Schuljahr müsste wiederholt werden – von einer Vielzahl der Kinder“, plädierte die Buchautorin („Kulturkampf im Klassenzimmer“), frühere Ombudsfrau im Bildungsministerium und Volksschullehrerin in Favoriten, Susanne Wiesinger, in der aktuellen Ausgabe des Nachrichtenmagazins „profil“.

„Milde, aber keine Vernachlässigung“

An ihrer Schule würde das auf einen „Großteil“ zutreffen, so Wiesinger. Zur Lösung von Unterrichtsminister Faßmann, bei der Notengebung Milde statt Härte walten zu lassen, meinte sie, man habe bisher Milde walten lassen: "Aber die Defizite müssen aufgeholt werden. Sonst ist es nicht Milde, sondern Vernachlässigung.“ Der Chef der Pflichtschulgewerkschaft, Paul Kimberger, ist da zuversichtlicher. Mit einer intensiven Förderung im Sommersemester könne man Vieles reparieren. Dann sei es am Ende des Schuljahres „überhaupt kein Problem, Zeugnisse nach den üblichen Kriterien auszustellen“.

KJA: Chance durch Pandemie nutzen

Über aktuelle Probleme hinausgehend fordert die Kinder- und Jugendanwaltschaft (KJA) Wien überhaupt eine umfassende Reform. Die Coronapandemie mache fehlende Bildungsgleichheit und damit schlechtere Zukunftschancen für einen Teil der Schüler besonders deutlich. Jetzt könnte dies nachhaltig bekämpft werden, sagt Kinder- und Jugendanwältin Dunja Gharwal: „Es sind vielmehr politische Entscheidungen, die etwa die so genannte Bildungsvererbung in Österreich auf hohem Niveau halten. Entsprechend brauchen wir auch politische Anstrengungen, um Nachteile auszugleichen.“

Für die KJA ist der Weg klar: Mehr Ganztagsschulen, mehr Platz, wesentlich mehr Personal für individualisiertes und eigenständiges Arbeiten: „Wir brauchen gemeinsame inklusive Bildung bis zum Ende der Pflichtschulzeit und mehr Raum für Selbstbestimmung und Individualisierung. Wir brauchen eine durchgängige, integrative und mehrsprachigkeitsbewusste Sprachbildung über die gesamte Bildungslaufbahn. Wir brauchen neue Formen der Leistungsüberprüfung und vielfältigere, motivierende Formen der Rückmeldung“, um nur einige der Forderungen der KJA zu nennen.

Die vergrößerte Ungleichheit müsse verringert werden. Dazu brauche es Ergänzungs- und Förderunterricht, individuelle Lösungen für jedes Kind sowie mehr Personal. Ob die Pandemie Ungleichheit stärke oder eine gerechtere Zukunft bringe, das werde jetzt entschieden, so die KJA. Aber auch in der Pandemie müsse das Recht auf Bildung garantiert sein. Lösungen müssten das Infektionsrisiko minimieren und Kinder und Jugendliche vor psychischen Krisen schützen. Kleine, stabile Gruppen kombiniert mit regelmäßigen Tests wären ab Februar vom Kindergarten bis zu Universitäten wünschenswert.

Wiener Schüler wollen mehr Zeit für Abschlussarbeiten

Wegen einer Ungleichheit anderer Art wandten sich Schülervertreter aus Wien, Niederösterreich und dem Burgenland in einem Offenen Brief an Bildungsminister Heinz Faßmann. Sie forderten darin drei Wochen länger Zeit für die Abgabe der vorwissenschaftlichen Arbeiten (VWA) bzw. Diplomarbeiten (DA). Begründet wird dies etwa mit der Schließung von Bibliotheken sowie Schwierigkeiten bei empirischen Untersuchungen. Es sei „völlig unverständlich, dass die Verschiebung der Matura möglich ist, die der VWA- und DA-Abgaben dagegen anscheinend nicht“.

Außerdem hatten Oberstufenschüler schon seit den Herbstferien keinen Präsenzunterricht mehr und konnten nur fallweise in Gruppen in die Schule kommen. Dazu kämen noch fehlende Gespräche mit den Betreuern bzw. Arbeitspartnern.