Chronik

Delogierung: Zweifel nach Urteil

Zu dreieinhalb Jahren unbedingter Haftstrafe ist am Landesgericht Wien ein 33-Jähriger verurteilt worden. Er hat wegen seiner Delogierung einen Hausverwalter mit einer Pistole schwer verletzt. Trotz nicht rechtskräftigen Urteils bleiben Zweifel an seiner Zurechnungsfähigkeit.

Laut einem psychiatrischen Gerichtsgutachen ist der Mann zurechnungsfähig. Doch vor und während der Verhandlung verhielt sich der Mann derart, dass sich die Frage stellte, ob er nicht an einem gravierenden psychischen Leiden laboriert. Jedenfalls wurden Zweifel daran genährt, ob er tatsächlich nur, wie von einer Gerichtspsychiaterin festgestellt, an einer Lockerung der Impulskontrolle leidet.

„Von Klinik aus ferngesteuert“

„Es war mein Körper, nicht mein Wille,“ rief der von zwei Justizwachebeamten begleitete Mann aufgeregt und lautstark herum, „man hat mich mit Strom vergewaltigt!“. Im Verhandlungssaal ersuchte der Angeklagte dann den Schöffensenat, ihm „ganz genau“ zuzuhören: „Wenn Sie mir heute helfen, können wir das aufdecken.“ Er werden seit Jahren von einer Klinik in Serbien, wo er vor längerer Zeit wegen seiner Kokain-Abhängigkeit behandelt wurde, und von einem auf Suchtberatung spezialisierten Verein gesteuert: „Ich bin ein Produkt der Klinik. Ich bin ein Prototyp.“

Zu dreieinhalb Jahren unbedingter Haftstrafe ist am Landesgericht Wien ein 33-Jähriger verurteilt worden. Er hat wegen seiner Delogierung einen Hausverwalter mit einer Pistole schwer verletzt.
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Der Angeklagte vor Gericht

Dann begann der 33-Jährige aufzuzählen: Er habe eine Insulin-Pumpe mit psychedelischen Drogen in sich, die ihm seine Freundin, die in Wahrheit mit dieser Klinik zusammenarbeite, untergejubelt habe. Dazu kämen noch ein NFC-Chip, drei Akkus, ein Ballon, der auf Magen und Darm drückt, sowie ein Herzschrittmacher. Die Klinik hätte ihm mit diesen Mechanismen „die Hirnströme gesteuert […], damit ich hier sitze und in die Klapse komme“. Fazit: „Ich kann mich nicht schuldig bekennen. Mein Körper war es. Mein Verstand, die Person nicht.“ Man habe ihn „reingelegt“.

Hausverwalter schwer verletzt

Im Prozess ging es eigentlich darum, dass der Mann wegen ausstehender Mieten delogiert werden hätte sollen. Laut Anklage kündigte er daraufhin mit den Worten „er würde die Hausverwaltung in die Scheiße reiten“ seinen Besuch an. Am 24. September 2020 ging er mit einer Luftdruckpistole zur Hausverwaltung, feuerte auf einen Mitarbeiter und schlug mit der Waffe auf diesen ein.

Der attackierte Angestellte der Hausverwaltung hatte einen Eindrückungsbruch des linken Stirnbeins mit Eröffnung der Stirnhöhle, eine Einblutung in die Stirnhöhle, Bruchspalten an der Schädelbasis und eine Jochbeinfraktur erlitten. Eine Kollegin, die dem Schwerverletzten zu Hilfe kommen wollte, kassierte ebenfalls einen Schlag mit dem Griff der Waffe, was eine Rissquetschwunde über der linken Augenbraue bewirkte.

Urteil ist nicht rechtskräftig

Nun wurde der Mann wegen absichtlich schwerer Körperverletzung und Nötigung zu dreieinhalb Jahren unbedingter Haft verurteilt. Die Frage, ob er das Urteil verstanden habe, verneinte der 33-Jährige mehrfach. Als der Richter wissen wollte, ob er das Urteil zumindest akzeptiere, und Verteidiger Nikolaus Rast ihm dazu riet, ging der Angeklagte in die Höhe."Die Dinge g’hören aus mir rausgenommen, Punkt eins!", schrie der angeblich Zurechnungsfähige.

Und weiter: „Ihr macht’s eh alles, was ihr wollt!“ Schließlich erklärte er sich nach Beratung mit seinem Rechtsbeistand mit der Gerichtsentscheidung einverstanden. Die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab, das Urteil ist somit nicht rechtskräftig.