Polizeifoto
LPD Wien
LPD Wien
Chronik

Falsche Polizisten: Mehr als 800 Fälle

Mitte Jänner sind erste Mitglieder einer Bande verurteilt worden, die in Wien seit 2018 ihr Unwesen treibt. Die Mitglieder bringen als angebliche Polizisten Wertsachen von betagten Menschen in Sicherheit – in Wahrheit aber stehlen sie sie. Die Polizei warnt vor Nachahmungstätern.

21 mutmaßliche Bandenmitglieder wurden bereits festgenommen, berichtete die Polizei am Donnerstag. Im Jänner gab es in Wien erste Verurteilungen. Mutter und Schwester des Bandenchefs wurden wegen Geldwäsche und krimineller Vereinigung zu jeweils drei Jahren unbedingter Haft verurteilt. Doch sie sind nur „Geldabholer“, der Kopf der Bande sitzt in der Türkei. Der Mann hat Germanistik studiert und lange Zeit in Vorarlberg gelebt. Nunmehr soll er vom Raum Istanbul aus das kriminelle Geschehen steuern.

Der Betrügerbande werden 205 vollendete Taten zugeordnet, 110 davon geklärt, sagte Michael Mimra, stellvertretender Leiter des Landeskriminalamtes (LKA) Wien. „Wir wissen außerdem von 590 Versuchen.“ Die Dunkelzifferliege sei vermutlich viel höher. „Insgesamt kam es zu 21 Festnahmen und 38 Hausdurchsuchungen“, sagte der Kriminalist. Mimra stellte auch klar, dass es unmöglich ist, dass Betrüger Fangschaltungen auf den Notruf 133 legen. „Das geht nicht“, betonte er. Vielmehr entstehe oftmals im Gespräch von Opfern mit den Tätern der Eindruck, diese würden mit Polizisten sprechen.

Warnung vor falschen Polizisten

Auch wenn es viele Warnungen gibt, die Zahl der Opfer falscher Polizisten steigt weiter. Mittlerweile sind es schon mehr als 200.

Warnung vor Nachahmungstätern

„Seitdem die Hauptgruppierung ausgeforscht wurde, gibt es einen sehr, sehr großen Rückgang bei Betrügereien durch falsche Polizisten“, sagte Mimra. Allerdings gebe es immer noch Nachahmungstäter, andere Betrüger und Mitläufer, weshalb es wichtig sei, diese Vorgangsweise potenziellen Opfern bewusst zu machen. „Sprechen Sie so oft wie möglich mit ihren Angehörigen, erklären Sie ihnen, dass es diese Betrugsversuche gibt, dass da ein hoher Druck auf die Opfer ausgeübt wird“, betonte Chefinspektor August Baumühlner.

  1. Die Polizei verwahrt niemals Geld oder Wertgegenstände.
  2. Beenden Sie verdächtige Telefonate und wählen Sie 133.
  3. Nennen Sie keine Details zu familiären oder finanziellen Verhältnissen.

Als Grundregel gilt: Einfach auflegen. „Wenn man sich die Dienstnummer und Dienststelle geben lässt, kann man dann dort anrufen und überprüfen, ob der Anruf wirklich von der Polizei kam“, erklärte Baumühlner. „Kein echter Polizist wird böse sein, wenn die angerufen Person auflegt und sich dann selbst wieder meldet“, bekräftigte er.

85-Jährige warnt vor Erlebtem

Eines der Opfer der Bande ist die 85-jährige Christa Chorherr, Autorin und Mutter des Ex-Stadtrats Christoph Chorherr. Sie warnte bereits nach der Tat auf ihrem Blog vor derartigen Machenschaften. Über ihre Rolle als Opfer sei sie „nicht sehr glücklich“, vielmehr sei es „sehr erschreckend, feststellen zu müssen, dass man manipulierbar ist“. Ihr Telefon hätte permanent geläutet, mehrfach hätte sie auch aufgelegt. „Ich war wie in Trance und habe gemacht, was diese Leute von mir wollten, während ich im Hintergrund immer gewusst habe, warum tu ich das, das kann nicht stimmen?“, erinnerte sich Chorherr.

Die Betrüger hätten „sehr viele Fragen gestellt, von denen ich annehme, dass die Polizei es fragen könnte“, sagte sie. Zweimal sei ein Täter gekommen und habe Wertgegenstände mitgenommen. Auch wenn seit dem Vorfall Monate vergangen sind, „poppt es immer wieder auf“. Sie würde das Erlebte „gerne hinter mich bringen“. Dass sie an die Öffentlichkeit gehe, diene auch dazu, andere zu warnen und weiteren Schaden zu verhindern. Ihr Fall zeige, dass jeder Opfer werden könne. „Mir geht es nicht um Rache, es geht darum, dass Gerechtigkeit herrscht“, sagte die 85-Jährige.

„Es trifft Sie keine Schuld. Schuld sind die Täter“, betonte Ermittler Baumühlner. „Die Täter arbeiten perfekt, sind rhetorisch sehr gut, wissen, wie sie ihre Opfer manipulieren und unter Druck setzten können“, warnte er. Schämen müsse man sich nicht, es würden auch genug andere und jüngere Leute Opfer von Betrügern, sagte auch Mimra.

Keine Zugriffsmöglichkeit auf Bandenchef

Auch Chorherrs Sohn, der frühere Wiener Grün-Mandatar Christoph Chorherr, stellte bei der Pressekonferenz Fragen an die Ermittler. Wie es sein könne, dass der Kopf der Bande, der in Wien allein 500 Opfer betrogen habe, unbehelligt in der Türkei sitze und seit zwei Jahren nichts passiere, wollte Chorherr wissen.

Das sei eine „heikle Frage“ und könne „diplomatische Verwürfnisse auslösen“, antwortete der stellvertretende LKA-Chef Mimra. Die Türkei ist nicht Mitglied der EU, nicht im Schengen-Raum, nicht bei Eurojust. Außerdem sei bekannt, dass es mit der EU nicht die „beste Zusammenarbeit“ gibt, sagte Mimra. Gegen den namentlich bekannten Verdächtigen gibt es einen europäischen Haftbefehl. Dieser könne aber nicht in der Türkei für einen türkischen Staatsbürger vollzogen werden.