Die Schriftstellerin Elfriede Jelinek
APA/Roland Schlager
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Chronik

Künstler kritisieren Abschiebung scharf

Zahlreiche Künstlerinnen und Künstler haben am Freitag die Abschiebungen dreier Schülerinnen und derer Familien kritisiert. Zu Wort meldete sich aber auch das Bundesamt für Fremdenwesen und legte Details zu den Verfahren offen.

„Die Heuchelei der Regierung über menschliches Mitgefühl, den Schutz der Familie und Achtsamkeit im Umgang miteinander ist nicht mehr zu ertragen“, heißt es in dem von u.a. Elfriede Jelinek, Michael Köhlmeier und Lukas Resetarits unterzeichneten Schreiben. Mit der Abschiebung sei die Regierung nicht nur den direkt Betroffenen „mit Menschenverachtung begegnet, sie hat sie auch durch die Missachtung der Unterstützung zahlreicher unmittelbar Beteiligter zum Ausdruck gebracht“.

Aus Sicht der Künstler – darunter auch Gerhard Ruiss von der IG Autorinnen Autoren, Franzobel, Monika Helfer, Olga Flor und Marlene Streeruwitz – gibt es nur eine Lösung: „Die umgehende Rückkehr der Ausgewiesenen.“ Es brauche für die Familien eine „unbefristete Daueraufenthaltserlaubnis“. „Ein solcher Fall von Abschiebung darf sich in Österreich nie wieder wiederholen.“

Landau: Kindeswohl hat immer Vorrang

Kritik übte am Freitag auch Caritas-Präsident Michael Landau. „Ich bin überzeugt, das Wohl von Kindern und ihre Rechte müssen überall auf der Welt Vorrang haben. Somit muss die Integration der Kinder stärker in die Interessenabwägung einfließen und im Zweifelsfall Priorität haben“, so Landau in einer Aussendung. Zwar seien Entscheidungen, die aus rechtstaatlichen Verfahren hervorgehen, zu respektieren, aber Gesetze seien auch ein Ausdruck eines politischen Willens. „Führen sie letztlich zu Ergebnissen, die in ihrem Grundsatz nicht gewollt sind, kann und muss man diese ändern“.

BFA: Beinahe vier Jahren unrechtmäßig in Österreich

Details zu dem rechtsstaatlichen Verfahren schilderte am Freitag das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA). Die Mutter reiste demnach 2006 erstmals legal nach Österreich ein, stellte 2009 einen Asylantrag mit der 2008 in Österreich geborenen Tochter und reiste nach rechtskräftiger negativer Entscheidung mit ihrem Kind 2012 freiwillig wieder aus. 2014 reiste die Familie erneut in Österreich ein und stellte nach einem rechtskräftig negativ entschiedenen Asylantrag seither mehrfach Asylfolgeanträge, die ebenfalls alle rechtskräftig negativ entschieden wurden.

Im Jahr 2015 wurde die zweite Tochter in Österreich geboren und auch für sie wurden laut BFA Asylanträge eingebracht. Insgesamt stellte die Familie sechs Asylanträge. Die wiederholt gleichlautenden Asylvorbringen und die Integration wurden sowohl vom BFA als auch vom Bundesverwaltungsgericht geprüft und gewürdigt. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte zudem, dass eine Verletzung des Kindeswohls nicht ersichtlich sei. Die Revisionen wurden vom Verwaltungsgerichtshof mehrmals zurückgewiesen, so das Bundesamt. Die Familie habe sich seit beinahe vier Jahren unrechtmäßig in Österreich befunden.

Insgesamt hätten sechs Abschiebeversuche aus verschiedenen Gründen nicht durchgeführt werden können. Das BFA zitierte auch den Verwaltungsgerichtshof, wonach die „Aufenthaltsdauer zu einem wesentlichen Teil nur durch beharrliche Nichtbeachtung fremdenrechtlicher Bestimmungen und wiederholte unbegründete bzw. unzulässige Antragstellung zustande kam“. Aufgrund der wiederholten negativen Entscheidungen hätte der Familie rasch klar sein müssen, dass keine Aussicht auf eine positive Asylentscheidung gegeben ist, so das BFA.

Friedliche Demos am Abend

Die Abschiebungen und auch das Vorgehen der Polizei wurden auch am Donnerstagabend bei Demonstrationen in Wien heftig kritisiert. Es kamen trotz teils starkem Regen mehr als 1.000 Menschen. Die SPÖ-Jugend- und Frauenorganisationen riefen zu der Demo vor dem Innenministerium am Minoritenplatz auf und protestierten gegen „unmenschliche Abschiebepraktiken und die unverhältnismäßige Polizeigewalt“.

Zuvor war schon die ÖVP-Zentrale Ziel einer Protest-Demo. In der Lichtenfelsgasse ließen – nach Aufrufen der Partei LINKS oder der „Migrantifa Wien“ in den Sozialen Medien – mehrere hundert Menschen die ÖVP lautstark ihre Kritik an der Abschiebepolitik hören, darunter auch Klassenkollegen einer abgeschobenen Schülerin. Sie wanderten anschließend zu der Kundgebung vor dem Innenministerium.

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Demonstration anl. der aktuellen Abschiebepolitik der Regierung am Donnerstag, 28. Jänner 2021 in Wien.
APA/HANS PUNZ
Demonstration anl. der aktuellen Abschiebepolitik der Regierung am Donnerstag, 28. Jänner 2021 in Wien.
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Demonstration anl. der aktuellen Abschiebepolitik der Regierung am Donnerstag, 28. Jänner 2021 in Wien.
APA
Demonstration anl. der aktuellen Abschiebepolitik der Regierung am Donnerstag, 28. Jänner 2021 in Wien.
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Demonstration anl. der aktuellen Abschiebepolitik der Regierung am Donnerstag, 28. Jänner 2021 in Wien.
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Demonstration anl. der aktuellen Abschiebepolitik der Regierung am Donnerstag, 28. Jänner 2021 in Wien.
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Demonstration anl. der aktuellen Abschiebepolitik der Regierung am Donnerstag, 28. Jänner 2021 in Wien.
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Laut Polizei keine Zwischenfälle

Dort wurde weiter friedlich – laut Polizei gab es keine Zwischenfälle – gegen die Abschiebung von drei Schülerinnen und ihrer Familien nach Georgien bzw. Armenien bzw. Abschiebungen generell protestiert. Unter dem Motto „Abschiebungen stoppen – Nehammer muss weg“ wurde vor dem Amtssitz Karl Nehammers (ÖVP) aber auch das Vorgehen der Polizei bei der Auflösung einer Sitzblockade vor dem Abschiebezentrum in der Zinnergasse in Simmering in der Nacht kritisiert.

SPÖ-Bundesfrauengeschäftsführerin Ruth Manninger hatte schon zuvor in einer Aussendung die Polizeigewalt gegen die vor allem jugendlichen Demonstranten als „völlig überbordend“ bezeichnet. „Coronaleugner werden beim Brechen der Covid-Maßnahmen freundlich begleitet. Jugendliche, die sich friedlich gegen die unmenschliche Abschiebung einer Freundin einsetzen, bekommen es mit der WEGA und scharf gemachten Hunden zu tun. Diese Verhältnismäßigkeit ist absurd“, schloss sich SJ-Vorsitzender Paul Stich an.

Van der Bellen „kann es nicht glauben“

„Zutiefst betroffen“ von den durchgesetzten Abschiebungen hat sich auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen gezeigt. „Ich kann und will nicht glauben, dass wir in einem Land leben, wo dies in dieser Form wirklich notwendig ist“, sagte er – mehr dazu in news.ORF.at.