Der Mikrobiologe Michael Wagner von der Universität Wien im Interview mit „Wien heute“
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Wissenschaft

Mikrobiologe: Für Öffnungen noch „zu früh“

Nicht ohne Sorge beobachtet der Mikrobiologe Michael Wagner von der Uni Wien die aktuelle Debatte über offene Tage und Wochenend-Lockdowns sowie Maßnahmen gegen die südafrikanische Coronavirus-Mutation in Tirol. Manches komme zu früh, anderes zu spät.

Der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) schlug vor, unter der Woche zu öffnen und am Wochenende einen strengen Lockdown einzuhalten. Wagner kann sich aus seiner Sicht und in der jetzigen Situation – wie er betonte – nicht so einfach vorstellen, dass dies die Situation nicht verschlechtere: „Österreich hat gerade mit schwierigen Rahmenbedingungen geöffnet, ist ja auch international durchaus mit Sorge beobachtet worden, auch von Expertinnen und Experten in Österreich“, sagte Wagner im „Wien heute“-Interview.

Er glaube, die Hauptaufgabe in den nächsten Wochen werde es sein, auch die Bevölkerung mitzunehmen, und zu sagen, „es ist trotz Nichterreichens des vorgegebenen Ziels, einer 7-Tage-Inzidenz von 50, schrittweise geöffnet worden, Schulen und Handel. Es muss jetzt die Aufgabe sein, unter diesen lockereren Rahmenbedingungen trotzdem keine stark steigenden Infektionszahlen gerade mit den neuen Varianten zu haben“.

Öffnung der Gastronomie im Moment zu früh

Ein Lockdown nur am Wochenende könne natürlich auch ein Dämpfer für das Infektionsgeschehen sein, jedes Schließen sei ein Dämpfer, sagte Wagner. Aber die Gastronomie zu öffnen, „wo man weiß, dass in Gebäuden Leute, gerade wenn sie die Masken abnehmen müssen, dass das immer ein Beitrag zum Infektionsgeschehen ist, kommt mir einfach im Moment zu früh“. Er wisse, dass solche Maßnahmen frühestens erst für Ende des Monats angedacht seien.

Aber er glaube, man müsse jetzt erstmal schauen, ob solche Öffnungsschritte überhaupt möglich seien: „Meine Sorge ist eher, dass wir gegen Ende des Monats wieder in steigende Infektionszahlen kommen. Und dann wären, glaube ich, weitere Öffnungsschritte die falscheste Maßnahme.“

Tirol „Europa-Hotspot“ der Südafrika-Mutation

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kündigte Dienstagnachmittag an, dass Tirol nur noch unter Vorlage eines negativen CoV-Tests verlassen werden darf – ab Freitag. Aus seiner Sicht als Mikrobiologe sei dies „auf jeden Fall“ zu spät, sagte Wagner. Er habe natürlich keinen Einblick, was es politisch für eine Umsetzung einer solchen Maßnahme brauche, aber aus mikrobiologischer Seite „ist es auch jetzt schon spät. Man weiß jetzt schon eine ganze Weile von der südafrikanischen Variante in Tirol, das ist der Europäische Hotspot für diese Variante. Und da zählt jeder Tag.“

Wagner betonte, Österreich könne es sich eigentlich nicht leisten, dass sich diese CoV-Mutation im Land ausbreite, denn „dann haben wir gerade mit AstraZeneca-Impfstoff in Österreich tatsächlich ein Problem“.

Flächendeckendes Monitoring fehlt

In Wien sind derzeit drei Fälle von Infektionen mit der südafrikanischen Mutation bestätigt. Niemand könne derzeit aber ausschließen, dass es nicht schon mehr Fälle sind, sagte Wagner weiter: „Wir haben leider immer noch kein flächendeckendes Monitoring, hier haben einige Menschen Pionierarbeit geleistet, aber Österreich muss hier investieren in PCR-basiertes Flächenmonitoring von Virusvarianten.“

Das werde auch in den nächsten Monaten und Jahren essentiell sein. Solange man jetzt die Daten nicht habe, bleibe es Spekulation, wie weit diese Mutation in Österreich schon verbreitet ist. Wagner: „Fakt ist, in Tirol ist ein europaweiter Hotspot, den man so schnell wie möglich eingrenzen und so weit es geht dann austreten muss.“

231 positive CoV-Tests

Die Landessanitätsdirektion Wien und der medizinische Krisenstab der Stadt informieren regelmäßig über die aktuellen CoV-Fallzahlen. In den vergangenen 24 Stunden sind 231 positive Testergebnisse gemeldet worden, darunter sechs Nachmeldungen. Vor einer Woche, am 2.2., waren es 224 positive Tests. Insgesamt sind in Wien bisher 1.566 Menschen an oder mit Corona gestorben.