Coronavirus

Mehr Essstörungen bei Jugendlichen

Vor allem junge Menschen erkranken in der Coronavirus-Krise verstärkt an Essstörungen. Viele Betroffene haben noch nie eine Behandlung in Anspruch genommen, manchmal auch aus Mangel an Ressourcen.

Schulärzte und Lehrer schlagen Alarm: Manche Jugendliche würden nun im Unterricht fehlen, weil sie an Essstörungen erkrankt seien. Für Therapeuten geht es nicht um Diätwahn, die Probleme liegen tiefer. „Wir beobachten, dass Jugendliche in extremster Weise gefordert sind in dieser Situation“, schildete die Psychotherapeutin Harriet Vrana in „Wien heute“.

Für Vrana geht es für Jugendliche um „den Versuch, die Gefühle wegzumachen. Sie befassen sich dann mit Essen und mit Nichtessen und mit viel Essen und mit wenig essen und vor allem mit Aussehen, weil sie keine anderen Inhalte haben in ihrem Leben.“ Betroffene würden in der derzeitigen Pandemie keine Möglichkeiten haben, das zu tun, was entwicklunspsychologisch notwendig ist.

Essstörungen bei Jugendlichen nehmen zu

Der monatelange Lockdown hinterlässt besonders bei vielen Jugendlichen seine Spuren. Essstörungen vor allem bei jungen Frauen haben massiv zugenommen.

Auch junge Männer betroffen

Von den Essstörungen sind vor allem Mädchen im Alter zwischen elf und 18 Jahren betroffen, aber auch immer mehr junge Männer. Am AKH werden Personen mit schwerer Essstörung stationär behandelt. Laut einer Studie hat die Mehrheit der an Essstörung erkrankten Schülerinnen und Schüler noch nie eine Behandlung in Anspruch genommen.

Der Grund dafür ist wohl nicht nur Scham, sondern auch der Mangel an günstigen Therapieplätzen. Gerade einmal sechs stationäre Plätze gibt es am AKH. „Wir haben zum Beispiel in Wien ein Fehlen von 50 Prozent der stationären Strukturen, wo diese Patienten gut aufgehoben wären“, erklärte Andreas Karwautz, Leiter der Ambulanz für Essstörungen am AKH Wien.

Dabei kann es schwere Folgen für den Körper geben, etwa Nierenversagen oder Herzprobleme. Kassenplätze für Psychotherapie wurden in den vergangenen Jahren zwar aufgestockt, es bräuchte aber noch viel mehr, heißt es. Der Appell an die Betroffenen von Harriet Vrana: „An die frische Luft gehen, Musik hören. Auch tanzen im Zimmerm zumindest sich bewegen, auch wenn es nur ein Abklatsch von dem ist, worum es eigentlich geht.“

Gefühl des Kontrollverlusts

Für Klaudia Kollenz, die von Essstörungen betroffen war, war „am wichtigsten, einen Arzt aufzusuchen, nicht zu Hause einsperren. Es ist sehr wichtig, auf die eigenen Bedürfnisse zu achten.“ Das Schlimmste sei das Alleinsein gewesen, so Kollenz in „Wien heute“: "Und das Gefühl, dass man nicht weiß, wie es weiter geht. Man hat das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren und durch das Essverhalten hat man das Gefühl die Kontrolle wiederzugewinnen.

Mehrere Beratungsstellen bieten Hilfe bei Essstörungen an – etwa die Hotline Sowhat, die Essstörungs-Hotline, Rat auf Draht, der Notfallpsychologische Dienst Österreich, die Psychologische Beratungsstelle für Studierende Wien, das AKH und das Krankenhaus Barmherzige Schwestern.