Leere Sitzreihen im Theater
APA/BARBARA GINDL
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Kultur

Wiener Theaterjury kürzt bei Musiktheater

Die Wiener Theaterjury hat ihr Gutachten für die Förderung von Konzepten ab 2022 vorgelegt. Lob und deutlich mehr Geld gibt es für die Wiener Tanz- und Performance-Szene. Für den Musiktheaterbereich setzt es dagegen heftige Kritik – und Kürzungen.

Die fünfköpfige Jury (Constance Cauers, Sven Hartberger, Liz King, Wolfgang Kralicek und Haiko Pfost), die im Februar 2020 berufen wurde, konnte laut Angaben der Stadt 6,97 Mio. Euro vergeben, 2017 waren es 6,47 Mio. Euro. Keinen Stein auf dem anderen ließ die Jury im Musiktheaterbereich, wo die Jury „niedrige Standards und eine besorgniserregende Tendenz zur Stagnation“ konstatiert.

Geortet wird hier unter anderem ein „Mangel innovativer Ansätze zur künstlerischen Weiterentwicklung und zur Ausdifferenzierung der Kunstform“, weitgehend fehlende „Reflexion von Entwicklungen der Gegenwart“ sowie „eine stetige Erosion bestehender Publikumsschichten“. Zur Förderung empfohlen werden nur das sirene Operntheater (290.000 statt bisher 200.000 Euro pro Jahr) und die erstmals geförderten Musiktheatertage Wien (320.000 Euro).

Kaup-Hasler: „Sehr gut argumentiert“

Sie werde sich auch in diesem Bereich an die Jury-Empfehlungen halten, schließlich seien sie auch „sehr gut argumentiert“, sagte Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) im Gespräch mit der APA. Die georteten Probleme sieht sie großteils strukturell bedingt und Genre-imanent. Zudem habe das Theater an der Wien und die Staatsoper unter Bogdan Roscic auch ästhetisch Zeitgenossenschaft bewiesen und damit der Freien Szene Konkurrenz in einem Bereich gemacht, auf dem sie über viele Jahre nahezu ein Alleinstellungsmerkmal gehabt habe.

Gleichzeitig versicherte sie in Richtung der nun aus der Vierjahresförderung gefallenen Gruppen: „Wir lassen sie nicht fallen. Wir finden sicher sehr gute andere Lösungen.“ Mit der Neuen Oper Wien (zuletzt mit 460.000 Euro jährlich gefördert) habe es bereits Gespräche über eine Zweijahresförderung gegeben. Auch die Wiener Taschenoper ist bei den Konzeptförderungen nicht mehr berücksichtigt.

„Fördersummen anpassen oder Häuser neu auszuschreiben“

Nicht mehr in der Konzeptförderung berücksichtigt ist auch das Werk X, das freilich mittlerweile unter einem anderen Titel 1,1 Mio. Euro für den Standort Kabelwerk und 610.000 Euro für den Standort Petersplatz bekommt.

„Den Umstand, dass die Konzeptförderung nicht nur freie Gruppen bzw. Theaterschaffende umfasst, sondern auch feste Theaterhäuser, hält die Jury für problematisch“, heißt es in dem Gutachten. „Die Jury regt deshalb an, feste Häuser/Institutionen aus der Konzeptförderung zu nehmen und stattdessen alle geförderten Häuser in regelmäßigen Abständen – und unter Beiziehung von Expert*innen – zu evaluieren, Fördersummen anzupassen oder Häuser gegebenenfalls neu auszuschreiben.“

Die Gruppe netzzeit hat um keine weitere Vierjahresförderung beim Kulturamt Wien eingereicht. Das betonen die Leiter Nora und Michael Scheidl gegenüber der APA. Vielmehr werde die „jahrzehntelange, international anerkannte, künstlerische Arbeit“ der Gruppe dieses Jahr mit dem letzten netzzeit-Festival für Neues Musiktheater ihren Höhepunkt finden. Das für Juni und November geplante „out of control“-Festival wird aus der heuer auslaufenden Vierjahresförderung bestritten. Weitere Einreichungen für Jahres- oder Projektförderungen gibt es derzeit nach Auskunft der Gruppe keine.

Theater- und Performance-Szene „sehr stark“

„Wir stehen eigentlich vor einer Reform der Theaterreform“, kommentierte dies die Stadträtin, die 2004 selbst der damals ersten Theaterjury angehört hatte. Jene Theaterhäuser, die nun noch einmal in den Genuss der Konzeptförderung kommen, sind etwa das Theater Nestroyhof Hamakom (600.000 Euro), der Rabenhof (1,1 Mio. Euro), das Theater Drachengasse (700.000 Euro) und WUK performing arts (250.000 Euro). Erstmals gefördert wird auch das Kosmos Theater (740.000 Euro).

Deutlich mehr Geld gibt es für die Wiener Tanz- und Performance-Szene. Diese „ist weiterhin sehr stark aufgestellt, sie spielt in einer internationalen Liga“, heißt es in dem Gutachten der Jury. Bemerkenswert ist hier, dass sowohl Florentina Holzinger (erstmals 190.000 Euro) als auch Chris Harings Liquid Loft (auf 240.000 Euro verdoppelt) laut Jury künftig eng mit dem Odeon Theater zusammenarbeiten wollen. „Diese Entwicklung beobachten wir sehr positiv“, kommentierte Kaup-Hasler. Daneben gibt es etwa Förderungen für Doris Uhlich (220.000 Euro) und nadaproductions (130.000 Euro).

Kaup-Hasler kündigt Kultursommer 2021 an

Mit 46 Anträgen wurden um 15 weniger als im vorangegangenen Turnus eingereicht, mit 25 positiven Empfehlungen gab es jedoch gleich viele wie 2017. Bei den meisten jener 16 Gruppen, die zuletzt bereits in der Konzeptförderung waren, wurde eine signifikante Anhebung der Fördersumme empfohlen, im Durchschnitt um 21,7 Prozent. Damit solle unter anderem „eine Einhaltung der Honoraruntergrenze ermöglicht werden“, heißt es.

In der Coronavirus-Krise habe man die Freie Szene u.a. dadurch unterstützt, dass alle Subventionen ausgezahlt wurden, „ungeachtet ob etwas aufgeführt wurde oder nicht“, was einem Ausstieg aus einem „angst- und effizienzgetriebenem Kontrollwesen“ gleichkäme, sagte Kulturstadträtin Kaup-Hasler. Zwar habe es der freie Bereich im Lockdown etwas leichter, weil in ihm die Höhe der Karteneinnahmen eine geringere Rolle spielen würde als in großen Theatern, doch gleichzeitig sei ihr bewusst, dass die freischaffenden Künstler am härtesten getroffen seien.

Deswegen habe man Stipendienprogramme aufgelegt und wolle diese u.a. auch auf Theater, Tanz, Performance und Bildende Kunst ausweiten. Auch den Kultursommer werde es 2021 wieder geben – voraussichtlich deutlich höher dotiert als im vergangenen Jahr.