Die App Lernsieg
ORF
ORF
Chronik

„Lernsieg“-App: Lehrer gehen in Berufung

Die Lehrergewerkschaft startet einen neuen Anlauf bei ihrer Musterklage gegen die App „Lernsieg“, bei der Schülerinnen und Schüler ihre Lehrkräfte bzw. Schulen anonym bewerten können. Nach einer Niederlage vor Gericht Anfang Februar geht sie in Berufung.

Ein HTL-Lehrer und Gewerkschafter, der seine Persönlichkeitsrechte verletzt sieht, hatte auf Unterlassung bzw. Schadenersatz geklagt. Beide Klagebegehren wurden Anfang Februar vom Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen abgewiesen. Die Gewerkschaft geht nun dagegen in Berufung.

Zwei neue Rechtsgutachten

Die GÖD stützt sich dabei laut dem obersten Lehrervertreter Paul Kimberger (FCG) auf zwei neue Rechtsgutachten zu der App. Aus Sicht der Gewerkschaft sind die Persönlichkeitsrechte der Lehrerinnen und Lehrer viel höher einzuschätzen und dementsprechend auch zu schützen. Dazu komme, dass es in diesem Fall nicht nur um die Pädagogen geht, wie der ARGE-Lehrer-Vorsitzende betonte.

„Es wird zu klären sein, was im Internet möglich und erlaubt ist. Nächste Woche sind dann vielleicht die Staatsanwälte oder die Krankenschwestern dran.“ Dazu komme, dass es zwar eine sehr restriktive Datenschutzgrundverordnung gebe, sich aber gleichzeitig Lehrer undifferenziert mit Sternchen bewerten lassen müssten. „Das passt für uns überhaupt nicht zusammen.“ Neben der zuletzt abgewiesenen Musterklage laufen noch weitere.

400.000 Mal heruntergeladen

Für die App „Lernsieg“ wurde eine Datenbank mit rund 90.000 Lehrern und den entsprechenden Schulen angelegt. Schülerinnen und Schüler können nach Registrierung via Handynummer ihre Pädagogen ab der AHS-Unterstufe bzw. Neuen Mittelschule (NMS) in Kategorien wie Unterricht, Fairness, Vorbereitung oder Pünktlichkeit mit einem bis fünf Sternen bewerten. Daraus werden dann auch Rankings erstellt.

Laut den App-Machern wurde „Lernsieg“ seit dem Start im November 2019 bereits 400.000 Mal heruntergeladen. Die Lehrergewerkschaft wetterte von Beginn an gegen die App und hatte unter anderem Bedenken in Sachen Datenschutz bzw. ortete primär eine „riesige Handynummernsammelaktion“.

Gericht: Berechtigtes Interesse

Im aktuellen Verfahren hatte der Lehrer, der nach Angaben der App-Macher mit 2,9 – also mittelmäßig – bewertet wurde, unabhängig von der datenschutzrechtlichen Seite mit Unterstützung der GÖD zivilrechtliche Ansprüche geltend gemacht. Er sieht seine Persönlichkeitsrechte verletzt. Das Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen wies die Klage zuletzt ab: Das berechtigte Interesse von Schülern, Eltern und der breiten Öffentlichkeit, das Grundrecht auf Meinungs- und Informationsfreiheit im Rahmen der App auszuüben, überwiege gegenüber den Interessen des Klägers.

Die Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Klägers durch „Lernsieg“ sei daher ein berechtigtes Interesse im Sinne der Datenschutzgrundverordnung. Mit einer ähnlichen Begründung hatte bereits die Datenschutzbehörde ein Verfahren eingestellt. Das Gericht argumentierte außerdem, dass der Gefahr unsachlicher Bewertungen durch Maßnahmen wie Verifizierung der Telefonnummer entgegengewirkt werde. Durch den Ausschluss von Volks- und Sonderschulen sei außerdem eine „gewisse geistige Reife“ der Nutzer sichergestellt und anzunehmen, dass Missbrauchsfälle die Ausnahme seien.