Adipositastag 2021
BHS Wien/Heidrun Henke
BHS Wien/Heidrun Henke
Gesundheit

Adipositas als immer schwerere Gefahr

Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind bisher mehr als zwei Millionen Menschen am oder mit dem Coronavirus gestorben. Weltweit sterben jährlich aber auch 2,8 Mio. Menschen an den Folgen von Adipositas (Übergewicht). Am Donnerstag war Welt-Adipositastag.

Es sind Zahlen, die jene aus der Corona-Pandemie weit übertreffen, auch wenn der Vergleich freilich nicht ganz korrekt ist: 2,1 Milliarden Menschen weltweit sind übergewichtig, 671 Millionen davon haben Adipositas. In Österreich sind 3,7 Millionen Menschen über 15 Jahre übergewichtig, rund 17 Prozent von ihnen haben Adipositas. Schon mit acht Jahren sind laut Statistik Austria jeder dritte Bub und jedes vierte Mädchen in Österreich übergewichtig oder adipös.

Und das könnte durch die Coronavirus-Pandemie noch steigen, „weil die Bewegungsmöglichkeit der Leute deutlich eingeschränkt ist“, sagte Gerhard Prager. Er leitet die Spezialambulanz Speiseröhre – Magen – Adipositas von MedUni Wien und AKH. Gemeinsam mit Kollegen will er jetzt auf die Folgen von Adipositas, gleichzeitig aber auch auf die Stigmatisierung der Krankheit aufmerksam machen: Adipositas sei eine chronische Erkrankung, die zum frühzeitigen Tod führen kann. Sie bedeute aber auch eine der letzten Formen der Diskriminierung, die in unserer Gesellschaft noch sozial „akzeptiert“ sei.

Ärzte wollen informieren und aufklären

Ein Body-Mass-Index (BMI) von über 30 kg/m² beeinträchtigt nicht nur das Wohlbefinden, sondern ist auch ein enormes Gesundheitsrisiko. Denn Betroffene haben mit Folgen wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Diabetes zu rechnen. Zudem sinkt die Lebenserwartung um bis zu sieben Jahre. Gleichzeitig werde die Erkrankung vielfach immer noch stigmatisiert, betonte Bianca Itariu, Adipositas-Expertin an der Universitätsklinik für Innere Medizin III. Die Folge: Therapiemöglichkeiten würden nicht rechtzeitig angesprochen und der Zugang zu Therapie erschwert.

Ein adipöser Mann sitzt auf einer Bank
KEYSTONE/ALESSANDRO DELLA BELLA

Das passiere etwa dadurch, dass die medikamentöse Therapie, die zugelassen ist, von den Krankenkassen nicht erstattet wird und indem der Zugang zu einer Operation durch chefärztliche Bewilligung und einer hohen Anzahl an Gutachten auch erschwert werde. Deshalb, so betonen die damit befassten Universitätskliniken, sehen sie sich verpflichtet, „auf diese Tatsachen hinzuweisen“. Eine Plattform soll geschaffen werden, um „interessierten Menschen einen besseren medizinischen Überblick zum Thema Adipositas und deren Behandlung zu geben“.

Online-Beiträge über Behandlung und Therapie

So informieren die Wiener Experten am Welt-Adipositastag online auf der Homepage der MedUni Wien etwa darüber, wie Übergewicht erfolgreich behandelt und Folgeerkrankungen vermieden werden können. Neun Expertinnen und Experten, Betroffene und Dompfarrer Toni Faber werden online zu sehen und zu hören sein. So geht es in den Vorträgen etwa um die Therapie mit Medikamenten, um den Einfluss von Adipositas und Gewichtsabnahme auf die Sexualität oder um die Möglichkeiten einer Ernährungstherapie. Patienten berichten rückblickend auf ihre Erfahrungen, in einem Video ist zu sehen, wie eine sogenannte bariatrische Operation abläuft.

Veranstaltungshinweis

Adipositastag an der MedUni Wien, 4.3.2021, 16.00 bis 17.45 Uhr.

Eine bariatrische Operation dient demnach der nachhaltigen Gewichtsreduktion. Sie ist laut Gerhard Prager in vielen Fällen die beste Wahl, um Betroffenen zu helfen: „Unsere Studien zeigen, dass die Langzeiteffekte den Magenbypass zur effektivsten Behandlung der höhergradigen Adipositas machen.“ Auch zehn Jahre nach dem Eingriff seien die meisten Patientinnen und Patienten deutlich leichter als vor dem Eingriff. Doch die Operation wird in Österreich pro Jahr nur bei weniger als fünf Prozent der Menschen mit Adipositas auch angewandt.

Andere Länder sind Österreich voraus

Neben Information und Aufklärung für die Menschen wenden sich die Ärzte auch an die Politik. Es würden etwa für eine medikamentöse Therapie keine Kosten zurückerstattet. Zudem habe die CoV-Pandemie gezeigt, „dass Menschen mit Adipositas ein höheres Risiko haben, einen schweren Krankheitsverlauf zu entwickeln“. Diese Erkenntnis führte zum Beispiel in Ländern wie Großbritannien dazu, dass Programme ins Leben gerufen wurden, um Adipositas besser in den Griff zu bekommen.

Auch hätten Länder wie Italien, Deutschland, Portugal und Holland Gesetze verabschiedet, die Adipositas als Erkrankung anerkennen und den betroffenen Menschen das Recht auf Behandlung garantieren. Lösungen, die auch für Österreich wünschenswert wären, wie die Wiener Adipositas-Expertinnen und -Experten betonten.