Das „König Abdullah Bin Abdulaziz Zentrum für Interreligiösen und Interkulturellen Dialog“ (KAICIID) in Wien. Das Außenministerium will den Entschließungsantrag des Nationalrates zur Schließung des umstrittenen Abdullah-Zentrums umsetzen. (12.6.2019)
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Politik

Abdullah-Zentrum verlässt Wien

Nun ist es fix: Das 2012 gegründete umstrittene König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog (KAICIID) verlässt Wien. Das gab der Generalsekretär des KAICIID, Faisal bin Muaammar, am Freitag bekannt.

Die Entscheidung sei von allen involvierten Parteien einstimmig getroffen worden, sagte er. Gerüchte zum Abzug aus Österreich gab es bereits im vergangenen Juni. Damals war von Genf als wahrscheinlichem neuen Standort die Rede. Das Schweizer Außenministerium bestätigte damals auch, dass das KAICIID die Möglichkeit einer Verlegung des Sitzes nach Genf prüfe. Ein neuer Standort steht nun aber noch nicht fest.

Großteil von Riad finanziert

Es gebe einen einstimmigen Beschluss aller Vertragsparteien, dass das KAICIID Wien verlassen werde, bestätigten das Außenministerium und auch das KAICIID am Freitag. Der Rat der Vertragsparteien Österreich, Saudi-Arabien und Spanien – der Vatikan hat Beobachterstatus – habe beschlossen, dass das Zentrum Wien verlassen werde, heißt es in einer Aussendung des KAICIID.

Das zum Großteil von Saudi-Arabien finanzierte Dialogzentrum war von Anfang an umstritten. ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg erklärte in einer Stellungnahme: „Es ist uns sehr wichtig, dass alle Vertragsparteien diesen Entschluss mitgetragen haben.“ Schallenberg dankte für „die sehr gute Gesprächsbasis, die mit allen Vertragsparteien diesbezüglich besteht, insbesondere auch mit Saudi-Arabien“. Und weiter: „Österreich ist und bleibt weiter ein verlässlicher Partner als Amtssitz und als Ort des Dialogs“, so Schallenberg.

Verhandlungen mit anderen Ländern „im Gange“

Verhandlungen mit möglichen neuen Gastgeberländern seien im Gange, heißt es in einer Stellungnahme von bin Muaammar. „Ich bin der Republik Österreich dankbar, dass sie dem Zentrum seit 2012, als dieses seine Arbeit aufnahm, als Gastgeber dient. Darüber hinaus gilt mein Dank dem Königreich Saudi-Arabien, dem Königreich Spanien und dem Heiligen Stuhl (als beobachtendem Gründungsmitglied) sowie all jenen, die diese außergewöhnliche zwischenstaatliche Organisation, welche sich in den vergangenen acht Jahren für die Prinzipien des interreligiösen und interkulturellen Dialogs eingesetzt hat, mit Leben erfüllt haben.“

Geleitet wird das KAICIID von einem multireligiösen Direktorium, dem Vertreter von Buddhismus, Christentum, Hinduismus, Islam und Judentum angehören. 65 Experten aus 30 Ländern zählt das KAICIID derzeit laut Website.

Seit Jahren in der Kritik

In die Kritik geriet die Einrichtung, die im Palais Sturany am Ring residierte, vor allem wegen ihres Geldgebers und der Menschenrechtslage in Saudi-Arabien sowie wegen fehlender Stellungnahmen, etwa zu Islamismus. Als Hommage an den Geldgeber trägt das Institut den Namen des im Jänner 2015 im 90. Lebensjahr verstorbenen saudi-arabischen Monarchen Abdullah.

Eingang des König-Abdullah-Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog
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Das Abdullah-Zentrum befand sich im Palais Sturany am Ring

Kritiker und Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International sahen in der Institution einen Versuch Riads, sein international wegen Menschenrechtsverletzungen ramponiertes Image aufzupolieren. Denn während in Wien mittels Dialogs Brücken gebaut werden sollen, drohen in Saudi-Arabien jedem, der von der dortigen Interpretation des Islam abfällt, Gefängnis, Auspeitschung und Tod.

Regierung forderte Reformen

Die Grünen drängten seit Jahren darauf, dass Österreich das KAICIID, das auf Betreiben des damaligen Vizekanzlers Michael Spindelegger (ÖVP) mit Sitz in Wien gegründet wurde, wieder verlassen solle. Weitere Parteien schlossen sich der Kritik an, zuletzt auch die ÖVP.

Im türkis-grünen Regierungsprogramm wurde im Zuge einer Reform des Abdullah-Zentrums etwa die Verbreiterung der Mitgliederbasis gefordert. Zudem solle das KAICIID stärker an die UNO angebunden werden und mehr Fokus auf die Förderung des interreligiösen und interkulturellen Dialogs legen. Sollte das nicht innerhalb eines Jahres gelingen, werde Österreich als Gründungsmitglied aussteigen.

2012 eröffnet

Das KAICIID wurde 2011 von Österreich, Spanien und Saudi-Arabien gegründet und 2012 eröffnet. Die entsprechenden Abkommen, die die Etablierung des Dialogzentrums ermöglichten, waren 2012 vom Nationalrat abgesegnet worden. Seit seiner Gründung ist auch der Heilige Stuhl als Ständiger Beobachter in die Arbeit des Dialogzentrums strukturell eingebunden.

Rufe nach einer Schließung wurden unter anderem wegen des brutalen Vorgehens der saudischen Regierung gegen Demonstranten und Regimekritiker laut. Vor allem Peter Pilz (damals Grüne) schoss sich über die Jahre auf das Zentrum ein, im Juni 2019 wurde im Parlament per Entschließungsantrag im freien Spiel der Kräfte ohne die Stimmen der ÖVP ein Ausstieg Österreichs aus dem KAICIID beschlossen, der nach der Neuwahl hinfällig war. Das Außenministerium sorgte sich, dass Wien als Amtssitz internationaler Organisationen Schaden nehmen könnte.

Proteste schon bei Eröffnung

Schon die Eröffnung des Dialogzentrums im Herbst 2012, zu der etwa auch der damalige UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon gekommen war, war von Protesten begleitet. Es gab Anzeigen, weil Saudi-Arabien beim Ankauf des Wiener Innenstadtpalais als Amtssitz für die internationale Organisation zu Unrecht von der Grunderwerbssteuer befreit worden sein soll. Das Außenministerium wies diesen Vorwurf mit der Begründung zurück, der saudische König Abdullah, der das Palais gekauft habe, sei als ausländisches Staatsoberhaupt internationalen Gepflogenheiten entsprechend von der Steuer befreit.

Anfang 2015 kam es wegen des Zentrums dann zu einem schweren Konflikt in der rot-schwarzen Bundesregierung, der damalige Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) drohte mit einer Schließung. Grund für die Querelen war damals die Weigerung des KAICIID, Menschenrechtsverletzungen im Geldgeberland Saudi-Arabien zu verurteilen. Prominentestes Beispiel war die Auspeitschung des regimekritischen saudischen Bloggers Raif Badawi, für den etwa die Grünen bis heuer wöchentliche Mahnwachen vor dem Abdullah-Zentrum abhielten. Wegen der CoV-Pandemie wurde die Mahnwache teilweise in den digitalen Raum verlegt.

Unterstützung von Heinz Fischer

Die ÖVP warf Faymann damals vor, mit seiner Drohung den „Ruf der Republik“ aufs Spiel zu setzen. Das damals von Sebastian Kurz (ÖVP) geführte Außenministerium betonte, dass eine sofortige Schließung des Abdullah-Zentrums ein Völkerrechtsbruch wäre. Kurz selbst hatte sich aber auch kritisch zum Zentrum geäußert und etwa eine Verurteilung der „IS-Barbarei“ durch dieses gefordert. Nach monatelangem Tauziehen wurde schließlich eine Neuausrichtung des KAICIID vereinbart, das sich dabei klar zur Religionsfreiheit bekannte und einen stärkeren Fokus auf Menschenrechte legte.

Wiederholt bekräftigte Altbundespräsident Heinz Fischer – während und nach seiner Amtszeit – die Unterstützung für das umstrittene Dialogforum. Man könne nicht immer nur vom Brückenbauen reden, man müsse die Brücken, die bereits existierten, auch nutzen, sagte Fischer. Das KAICIID ermögliche einen „seriösen und ernsthaften“ Dialog.