Menschen beim Donaukanal im Rahmen einer Demonstration mit Polizisten
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Politik

3.000 Anzeigen bei Anti-CoV-Demo

Die Polizei hat am Samstag bei der Demonstration gegen die Coronavirus-Maßnahmen der Bundesregierung mehr als 3.000 Anzeigen ausgesprochen, 42 Personen wurden festgenommen. Auch gegen die FPÖ-Spitzenpolitiker, die mitdemonstrierten, standen Anzeigen im Raum.

Tausende Teilnehmer fanden sich am Samstag zu einer großen Kundgebung in der Wiener Innenstadt ein. Angefeuert von deftigen Reden von FPÖ-Klubchef Herbert Kickl – u. a. bei einer angemeldeten FPÖ-Veranstaltung im Prater – zogen abends noch mehrere hundert durch die Leopoldstadt. Am Donaukanal griff die Polizei vehement ein: Die teilweise aggressiven und Coronavirus-Regeln überwiegend ignorierenden Demonstranten wurden eingekesselt und die Identitäten festgestellt.

Anzeigen gegen FPÖ-Politiker stehen im Raum

Wie von der Polizei erwartet tummelten sich auch diesmal Verschwörungstheoretiker und Rechtsextreme in den Kundgebungszügen – gesehen wurden die rechtsextremen Identitären und der verurteilte Neonazi Gottfried Küssel. Einer der Rädelsführer, der Coronavirus-Skeptiker Martin Rutter, wurde laut Informationen aus Polizeikreisen auch diesmal wegen Verwaltungsübertretungen festgenommen.

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Polizeiautos auf Brücke
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Menschen beim Donaukanal im Rahmen einer Demonstration mit Polizeiautos
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Menschen beim Donaukanal im Rahmen einer Demonstration mit Polizisten
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Menschen beim Donaukanal im Rahmen einer Demonstration mit Polizisten
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Menschen im Prater bei einer Demonstration
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Demonstranten vor dem Gebäude der „Wiener Städtische“ Versicherung
APA/Susanne Puller
Menschen im Prater mit Polizisten bei einer Demo
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Menschen im Prater bei einer Demonstration
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Menschen im Prater bei einer Demonstration
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Die Landespolizeidirektion berichtete Sonntagfrüh von über 3.000 verwaltungsrechtlichen sowie 60 strafrechtlichen Anzeigen und 42 Festnahmen, unter anderem wegen Nichteinhaltung der Covid-19-Maßnahmen und Verstößen gegen das Versammlungsgesetz. Nach APA-Informationen stehen auch Anzeigen gegen FPÖ-Klubobmann Kickl und andere FPÖ-Politiker wegen Verstoßes gegen die Abstands- und Maskenregel im Raum.

Einbruch in Versicherungsgebäude

Die Stimmung war, hieß es, auch gegenüber der Polizei äußerst aggressiv. Vier Beamte seien beim Großeinsatz verletzt worden. Am Abend fanden sich beim Donaukanal zahlreiche der – ursprünglich geplant 1.500 – Polizistinnen und Polizisten ein. Die Stimmung war teilweise höchst aufgeheizt.

Einige Demonstranten sollen laut Polizei das Tor eines Versicherungsgebäudes gegenüber dem Schottenring aufgebrochen und einen dort im Einsatz stehenden Sicherheitsmann verletzt haben. Bei der Durchsuchung der Tiefgarage seien 22 Personen angetroffen und festgenommen worden.

Die FPÖ hatte sich über die Absage einiger Demonstrationen schwer beklagt und eine eigene Kundgebung auf der Jesuitenwiese im Prater angemeldet, die auch genehmigt wurde. Klubobmann Kickl ergriff aber nicht nur dort, sondern schon zuvor spontan auf dem Heldenplatz das Wort und kritisierte die Regierung und ihre Coronavirus-Maßnahmen in äußerst deftiger Weise: Er sprach von „Corona-Stahlhelmen in den Regierungsbüros“ und „Schmuddeltypen“ in den Ministerien. Anwesend waren da auch zahlreiche weitere Nationalratsabgeordnete der FPÖ wie Dagmar Belakowitsch und Generalsekretär Michael Schnedlitz.

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Demonstranten
APA/Herbert Pfarrhofer
Demonstranten
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Herbert Kickl spricht vor Demonstranten
APA/Michael Gruber
Demo im Prater
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Polizisten blockieren Demo
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Polizisten bei einer Demo
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Demonstranten
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Kickl spricht bei Demo
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Demonstranten
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Zwei Demonstranten mit Warnweste Aufschrift Kurz muss weg
APA/Herbert Pfarrhofer
Demonstranten
APA/Herbert Pfarrhofer

FPÖ-Kundgebung ohne Masken

Eine Versammlung danach beim Maria-Theresien-Platz löste die Polizei gegen 14.00 Uhr auf, berichtete Polizeisprecherin Barbara Gass. Die Demonstranten zogen in zwei Zügen in den Prater, gegen 16.00 Uhr waren dort einige tausend Menschen vor der FPÖ-Bühne versammelt – dicht gedrängt. Die Aufforderung der Veranstalter, Masken zu tragen und Abstand zu halten, wurde mit Gelächter quittiert.

„Das ist ein starkes Zeichen für die Freiheit, Demokratie und die Grundrechte“, befand Kickl im Prater und hielt dort seine angekündigte Rede. Er warf der Regierung einmal mehr „Machtrausch“ vor, ortete eine Spaltung der Gesellschaft und „Propaganda“ bei den Medien, seine Zuhörer skandierten das gewohnte „Lügenpresse“.

Die EU-Gesundheitspolitik sei ein „gleichgeschaltetes Machtspiel“, denn „die da oben wollen uns beherrschen“, sgte Kickl und sprach auch den Besuch von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in Israel wegen der Impfstoffe am Donnerstag an: Dort herrsche eine „Gesundheitsapartheid“, das Land sei gegenwärtig eines der „Unfreiheit“. Einige antisemitische Kommentare waren daraufhin aus dem Publikum zu vernehmen. In den 40 Minuten skandierte Kickl auch mehrfach „Kurz muss weg“ und endete mit einem selbst verfassten Gedicht über die „Corona-Tyrannei“.

Nehammer empört

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) empörte sich in einer Aussendung über die Rede Kickls und die Ausschreitungen am Rande der Demo: „Eine in den Nationalrat gewählte Partei und allen voran ein ehemaliger Innenminister haben eine Stimmung der Gewalt und der Missachtung des Rechtsstaates aufbereitet. Wenn völlig unbeteiligte Sicherheitsmitarbeiter von einer aufgepeitschten Menschenmenge überrannt und schwer verletzt werden, sind Grenzen überschritten worden. Grenzen, die nicht nur der Rechtsstaat, sondern schon das grundlegende Verständnis für ein friedvolles Zusammenleben erfordern.“

FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer sah hingegen die Polizeiführung – namentlich Nehammer – verantwortlich für die „abendliche Eskalation gegen Besucher der FPÖ-Kundgebung“. In einer „völlig unnötigen Aktion am Ende eines durch und durch friedlichen Protesttags“ seien „Hunderte Menschen bewusst in eine Falle gelockt, eingekesselt und dort sogar mit Pfefferspray attackiert“ worden, legte er in einer Aussendung seine Sicht dar. Den Menschen sei nach der FPÖ-Kundgebung der Heimweg „massiv erschwert“ worden, weil die Polizei die Brücken über den Donaukanal gesperrt habe – was zu einem „gemeinsamen Spaziergang“ geführt habe.

Kickl gibt Polizei Schuld an Eskalation

Auch Klubobmann Kickl griff – auf Facebook – den „Innenminister und seine Parteifreunde in der Polizeiführung“ an. Sie hätten „die Eskalation am Abend selbst herbeigeführt, indem sie die Leute am Heimgehen gehindert und in einen Kessel getrieben haben, um dort noch schnell möglichst viele Anzeigen für die Statistik zu produzieren“.

Dem trat Landespolizeipräsident Gerhard Pürstl in einer Aussendung entgegen: „Vorwürfe jeder Art gegen die Vorgangsweise der Wiener Polizei sind im Lichte der Sachlage mehr als unangebracht“, meinte er. Denn nach Ende der FPÖ-Versammlung bei der Jesuitenwiese habe ein großer Pulk geschlossen zurück in die Innere Stadt marschieren wollen. Deshalb habe die Polizei die Donaukanalbrücken gesperrt.

Auch Grüne kritisieren Polizei

Ebenfalls Kritik an der Polizeiführung übten die Grünen. Der stellvertretende Bezirksvorsteher der Leopoldstadt, Bernhard Seitz, sagte in einer Aussendung, es sei „unerträglich“, wenn „rechtsextreme Gruppen mit Symbolen, die den Holocaust verhöhnen, durch die jüdischen Viertel ziehen“. Die Leopoldstadt hatte vor dem Zweiten Weltkrieg eine sehr große jüdische Gemeinde und auch heute leben dort wieder über tausende Juden.

Polizeisprecherin Gass trat der – auch in den Sozialen Medien erhobenen – Kritik entgegen, die Polizei hätte rechtsextreme Äußerungen im Zuge der CoV-Demos ignoriert: Es habe zwei Festnahmen nach dem Verbotsgesetz gegeben – eine für den „Hitlergruß“, eine für „Sieg Heil“- und andere rechtsradikale Parolen, wobei sich der Betreffende selbst gefilmt und möglicherweise gestreamt haben soll. Zweckdienliche Hinweise – also Fotos oder Videos – auf Verstöße gegen das Verbotsgesetz sollten der Polizei übermittelt werden, damit sie ermitteln könne, betonte Gass.