Demonstranten vor dem Gebäude der „Wiener Städtische“ Versicherung
APA/Susanne Puller
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Chronik

CoV-Demo: Sorge wegen Rechtsextremen

Nach den Ausschreitungen bei den CoV-Demos am Samstag haben sich SPÖ und Grüne besorgt wegen der Teilnahme von Rechtsextremen gezeigt. Die ÖVP fordert den Rücktritt von FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl. Die Polizei sieht einen „gelungenen Einsatz“.

Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) verurteilte die Ausschreitungen am Montag „auf das Schärfste“. Es sei der Wiener Polizei zu verdanken, dass noch Schlimmeres verhindert werden konnte, hob er in einer Mitteilung hervor: „Und doch sind die Bilder verstörend. Wir sehen Menschen, die sich an keinerlei gesetzliche Vorgaben betreffend des Schutzes vor Corona halten.“ Dass es bei den Demos auch zu rechtsextremen Aktivitäten bzw. auch Verstößen gegen das Verbotsgesetz gekommen sei, „ist inakzeptabel und muss vom Innenministerium vehement geahndet werden“.

Einmal mehr zeige sich, dass Wien mehr Polizistinnen und Polizisten benötige, befand Ludwig: „Denn in unserer Stadt erledigen knapp über 20 Prozent des österreichweiten Personals mehr als 60 Prozent der sicherheitspolizeilichen Arbeit.“

Polizeipräsident reagiert auf Demo-Einsatz

Wiens Polizeipräsident Pürstl geht in die Offensive und weist die Kritik am Vorgehen der Polizei bei der Corona-Demo am Samstag zurück. Ein unbeteiligter Wachmann ist dabei schwer verletzt worden.

Pürstl: „Gelungener Einsatz“

Die „polizeilichen Ziele“ seien erreicht worden, zog der Wiener Landespolizeipräsident Gerhard Pürstl in einer Pressekonferenz am Montag Bilanz. Pürstl sprach von einem „gelungenen Einsatz“. Man wollte „ungeordneten Züge“ durch die Innenstadt und über den Ring verhindern. Man habe mit 20.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern gerechnet. 1.500 Beamte seien im Einsatz gewesen.

Landespolizeipräsident Pürstl
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Landespolizeipräsident Pürstl widersprach am Montag Vorwürfen

Die Situation sei für die Polizei aber herausfordernd gewesen, so Pürstl. Es habe auch mehrere Anhalteversuche und Durchbruchversuche vonseiten der Demonstranten gegeben, die teils auch gelangen. Die Demo sei Richtung Prater geleitet worden, wo eine FPÖ-Veranstaltung stattfand, sagte Xenia Zauner, Leiterin der Einsatzabteilung der Wiener Polizei. Es sei schwer gewesen sein, zwischen Demonstranten und Passanten zu unterscheiden.

Wachmann in Versicherungsgebäude schwer verletzt

Gegen 17.00 Uhr wurde die Kundgebung beendet. Ein Pulk von mehreren hundert Demonstranten wollte sich nicht auflösen, sondern zog mit Transparenten und Parolen auf einer dreispurigen Straße am Donaukanal stadteinwärts entlang, darunter auch wieder Hooligans, Rechtsextreme und Identitäre. Vor der Unteren Augartenstraße wurden sie von der Polizei eingekesselt.

Ein Bild aus einer Wärmebildkamera eines Polizeihubschraubers zeigt Demonstranten vor dem Versicherungsgebäude
APA/BMI
Ein Bild aus einer Wärmebildkamera eines Polizeihubschraubers zeigt Demonstranten vor dem Versicherungsgebäude, das gestürmt wurde

Das Gebäude der Wiener Städischen Versicherung wurde gestürmt. 22 Personen seien ins Gebäude eingedrungen, so Pürstl. Die Polizei machte dort insgesamt 549 Identitätsfeststellungen, so Pürstl. Zwei Securities wurden dabei verletzt, einer von ihnen schwer. Er wurde laut dem Unternehmen REIWAG Facility Services GmbH, bei dem er beschäftigt ist, „in Ausübung seines Dienstes zum Schutze der Einrichtungen der Wiener Städtischen“ schwer verletzt und musste operiert werden. REIWAG-Geschäftsführer Viktor Wagner zeigte sich gegenüber der APA „tief bestürzt“.

„Erkleckliche Anzahl“ von Anzeigen kommt noch

Behauptungen, die Polizei wäre nicht eingeschritten, sei angesichts der Zahl von 42 Festnahmen und mehr als 3.100 verwaltungsstrafrechtlichen Anzeigen nicht richtig, so Pürstl bei der PK weiter. Es werde auch noch eine „erkleckliche Anzahl“ von Anzeigen dazukommen, sagte er mit Blick auf jene Teilnehmer, die die Versammlung nach deren Auflösung nicht verlassen hatten.

Er weise auch die – teils von der FPÖ aufgestellten – Behauptungen zurück, es habe bei der Demonstration Chaos und Eskalationen gegeben, so Pürstl. „Davon kann man nicht sprechen, wenn es der Polizei gelingt, jene Personen, die Straftaten setzen, auch festzunehmen und einzusperren.“ „Unrichtig“ sei auch die Behauptung, dass die Polizei durch Brückensperren Personen gehindert hätte, nach Hause zu gehen oder einen Polizeikessel provoziert hätte. Es sei wesentlich gewesen, jenen Demonstrationszug, der sich nach Auslösung der Veranstaltung auf der Jesuitenwiese gebildet hatte, am Vordringen in die Innenstadt zu hindern, so Pürstl zum Vorgehen.

FPÖ: Menschen „in Falle gelockt“

Die FPÖ hatte am Sonntag die Polizeiführung – namentlich Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) – für die „abendliche Eskalation gegen Besucher der gestrigen FPÖ-Kundgebung“ verantwortlich gemacht. „Hunderte Menschen“ seien „bewusst in eine Falle gelockt, eingekesselt und dort sogar mit Pfefferspray attackiert“ worden, sagte FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Ametsbauer.

FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl erklärte, der „Innenminister und seine Parteifreunde in der Polizeiführung“ hätten „die Eskalation am Abend selbst herbeigeführt, indem sie die Leute am heimgehen gehindert und in einen Kessel getrieben haben, um dort noch schnell möglichst viele Anzeigen für die Statistik zu produzieren“. Pürstl wies dies zurück und betonte die Notwendigkeit, die Identität der Teilnehmer festzustellen, da sich „in der Menge und aus der Menge heraus Straftaten ergeben haben“. Ebenfalls zurückgewiesen wurde von Pürstl, die Polizeiführung habe „auf höhere Weisung gehandelt“.

Ob unter den Angezeigten – wie kolportiert – auch Kickl sowie die FPÖ-Abgeordneten Dagmar Belakowitsch und Martin Graf sind, konnte Pürstl nicht beantworten. Er könne "keine personenbezogenen Daten oder Namen nennen. „Aber: Wenn Personen des öffentlichen Lebens aufgefallen sind, die sich nicht an die Maßnahmen gehalten haben, dann gibt es auch eine Anzeige.“

Grüne: Ausschreitungen „unwürdig“

Die Wiener Grünen zeigten sich am Montag betroffen. Die Ausschreitungen Rechtsradikaler und CoV-Leugner seien einer modernen, weltoffenen Millionenstadt wie Wien unwürdig", stellten die nicht amtsführende Stadträtin Judith Pühringer und ihr Stadtrats-Kollege Peter Kraus fest. Die Corona-Demos würden im Wochenrhythmus eskalieren, beklagten die Grünen. Es könne nicht sein, dass die Bevölkerung dazu aufgerufen werde, zuhause zu bleiben, weil sich auf Wiens Straßen Verschwörungsideologen und Rechtsextreme tummeln würden: „Diese rechtsextremen Auswüchse gehören lückenlos verfolgt.“

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Polizeiautos auf Brücke
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Menschen beim Donaukanal im Rahmen einer Demonstration mit Polizeiautos
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Menschen beim Donaukanal im Rahmen einer Demonstration mit Polizisten
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Menschen beim Donaukanal im Rahmen einer Demonstration mit Polizisten
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Menschen im Prater bei einer Demonstration
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Demonstranten vor dem Gebäude der „Wiener Städtische“ Versicherung
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Menschen im Prater mit Polizisten bei einer Demo
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Menschen im Prater bei einer Demonstration
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Menschen im Prater bei einer Demonstration
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ÖVP fordert Rücktritt von Kickl

Die ÖVP greift nach den Ausschreitungen die FPÖ massiv an. Generalsekretär Axel Melchior forderte den Rücktritt von Kickl, der am Samstag zwei deftige Reden vor Kundgebungsteilnehmern geschwungen hatte. Angesichts von „Sieg Heil“-Rufen bei den Demonstrationen zeigte sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) „angewidert“.

Wie der Bundeskanzler im Rahmen der Sondersitzung des Nationalrats zum „Frauentag“ ausführte, könne und solle man unterschiedliche Meinungen zur Corona-Krise artikulieren. Eine „Hooligan-Mentalität“, die zu Gewalt und einem schwer verletzten Wachmann führt, sei aber „inakzeptabel“: „Es widert mich an. So etwas sollte in Österreich keinen Platz haben.“

Während Kurz die FPÖ nicht benannte, nahm sie sein Generalsekretär voll ins Visier. Kickl müsse umgehend von all seinen politischen Ämtern zurücktreten", forderte Melchior am Montag in einer Aussendung: „Kickls Bündnis mit Rechtsextremen gefährdet unseren Rechtsstaat und bringt die Gesundheit sowie die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher in Gefahr.“

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Demonstranten
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Demonstranten
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Herbert Kickl spricht vor Demonstranten
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Demo im Prater
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Polizisten blockieren Demo
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Polizisten bei einer Demo
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Demonstranten
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Kickl spricht bei Demo
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Demonstranten
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Zwei Demonstranten mit Warnweste Aufschrift Kurz muss weg
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Demonstranten
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IKG: „Gefährliche Entwicklung“

„Es ist eine gefährliche Entwicklung, bei der niemand tatenlos zusehen darf“, warnte Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), in einer Stellungnahme gegenüber der APA. Antisemitische Verschwörungslügen und Rechtsextremismus hätten auf den Straßen Wiens nichts verloren, „sie führen letztlich zu physischer Gewalt“. Deutsch sieht die Verantwortung für die physische Gewalt zwar bei den Tätern und Täterinnen. „Die politische Verantwortung für die Eskalation jedoch tragen die FPÖ und Herbert Kickl“, meinte der IKG-Präsident.

Anhänger der antisemitischen QAnon-Bewegung, rechtsextreme Organisationen und verurteilte Neonazis sowie „FPÖ-Scharfmacher“ hätten zwar auch „Tausende Menschen, die nicht allesamt Extremisten sind“ im Schlepptau gehabt, betonte Deutsch, aber: „Wer mit Antisemiten gemeinsame Sache macht, macht sich aber mitschuldig.“ Für den IKG-Präsidenten ist es „untragbar, dass Hitlergrüße auf offener Straße skandiert werden“. Gegen diese Personen und Gefährder müssten alle rechtsstaatlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden.

Hofer: Vorfall „detailliert aufklären“

FPÖ-Chef Hofer sprach sich am Montag in einer Aussendung „gegen die pauschale Kriminalisierung verzweifelter Menschen aus, die auf der Straße ihren Protest zeigen“. Daran ändere auch „der besorgniserregende Zwischenfall“ nach den Kundgebungen nichts, erklärte der FPÖ-Chef zum Eindringen der Demonstranten in das Gebäude. Diesen „Vorfall“ gelte es nun detailliert aufzuklären.

Die FPÖ will nämlich das Vorgehen der Polizei prüfen. Demonstranten seien offenbar „ohne Not“ eingekesselt worden, meinte Hofer. Das rechtfertige zwar „keinesfalls tätliche Angriffe“, die Umstände der Verletzung eines Wachmanns seien aber „noch genau zu ermitteln“.

Der FPÖ-Chef begrüßte „ausdrücklich jede Form des friedlichen Protestes gegen die unverhältnismäßigen und verfassungswidrigen Corona-Maßnahmen von Türkis-Grün“ und kritisierte einmal mehr, dass sich der Bundespräsident nicht zu Wort melde. Das Land werde gespalten, etwa in jene, die geimpft seien und jene, die es nicht seien.

NEOS gegen Demoverbote

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger sagte am Rande einer Pressekonferenz am Montag, dass NEOS gegen Demoverbote sei, denn das würde die Wut der Menschen nur noch mehr schüren und zur Eskalation führen. Gleichzeitig forderte sie Kickl auf, seine Worte zu mäßigen und abzurüsten.