Ein Jugendlicher spielt alleine Basketball in einem Ballkäfig in Wien
APA/GEORG HOCHMUTH
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Chronik

Freie Räume für Jugendliche in der Pandemie

Jugendliche auf der einen Seite, Polizisten auf der anderen Seite treffen in der Wiener Innenstadt aufeinander. Die einen suchen Freiräume, die anderen müssen sie in der CoV-Pandemie einschränken. Doch die Kritik an Strafen gegen Jugendliche wird lauter.

Die Wiener Polizei habe am Dienstag im Zuge von Schwerpunktkontrollen in der Innenstadt Ansammlungen von Jugendlichen aufgelöst, die via Social Media organisiert worden waren. Bei 110 Personen seien Identitätsfeststellungen vorgenommen sowei 53 Anzeigen und 13 Organmandate nach der Covid-19-Schutzmaßnahmenverordnung und dem Suchtmittelgesetz ausgestellt worden. „Die Frequentierung und somit auch die rechtlichen Übertretungen sind aufgrund des konsequenten Einschreitens der Wiener Polizei rückläufig“, hielt die Landespolizeidirektion am Tag darauf fest.

So liest sich die nüchterne Bilanz der einen Seite, deren Aufgabe es ja ist, über die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen zu wachen. Allerdings fragen sich immer mehr auch wieder in Social Media, ob das rigide Vorgehen der Exekutive gegen Jugendliche in der Form angebracht ist. So wird mancherorts etwa darauf verwiesen, dass das Nichttragen eines Mund-Nasen-Schutzes auf Demonstrationen von Kritikern der Corona-Maßnahmen oft ungeahndet bleibe.

Strafen „ohne langen Effekt“

Die Leiterin der Jugendzentren Wien, Ilkim Erdost, hält Strafen für Jugendliche, die sich im öffentlichen Raum treffen, für nicht zielführend: „In der Regel ist das auch so, dass das Jugendliche kurzfristig abschreckt, aber keinen langen Effekt hat.“ Im ersten Lockdown wären viele Jugendliche angezeigt worden, doch später sei es die Strategie der Polizei gewesen, „aufzuklären, auf Augenhöhe zu verwarnen und ein Stück weit auf die Jugenlichchen zuzugehen. Das hat sich sehr bezahlt gemacht. Auch über den Winter haben Jugendliche die Bestimmungen mitgetragen“, sagte Erdost gegenüber „Wien heute“.

Studentinnen vor Eingang zu Aufnahmetest mit Security mit Maske
APA/Franz Neumayr

Jetzt, mit dem Beginn der wärmeren Jahreszeit, verbunden mit einer Pandemiemüdigkeit, falle einfach vielen Jugendlichen die Decke auf den Kopf. Sich mit Freunden unter freiem Himmel zu treffen, sei für viele die einzige Möglichkeit, mal auf andere Gedanken zu kommen, sich zu unterhalten über ihre Sorgen, aber auch sich zu bewegen, Freude zu haben, mal was anderes zu tun, sagte Erdost. Das sei wichtig für Jugendliche, sie könnten sich so stabilisieren und neue Kraft schöpfen – und das sei im Grunde unter kontrollierten Bedingungen ja auch möglich.

Polizisten und Jugendliche „auf Augenhöhe“

„Ich würde mir von der Polizei wünschen, dass sie die besonderen Belastungen von Jugendlichen in Betracht zieht und auch weiterhin das Gespräch suche, auf Augenhöhe auf Jugendliche zugehe“, sagte Erdost. Viele Jugendliche würden das als große Wertschätzung und als Repsekt ihnen gegenüber wahrnehmen. Das stärke das Selbstverständnis, denn wenn die Polizei auf Augenhöhe mit jemanden spreche, dann könne er Regeln ganz anders mittragen und fühle sich auch selbst gestärkt. Es wäre auch gut gleichzeitig miteinzubeziehen, dass es für Jugendliche derzeit keine Alternativen gibt, ihre Freizeit sinnvoll zu nutzen.

Mehr COV-Strafen für Jugendliche

Die Wiener Polizei vermeldet immer mehr Strafen gegen Jugendliche, die Corona-Bestimmungen nicht einhalten. Von den Experten der Wiener Jugendzentren gibt es Kritik an den Strafen.

Stichwort Alternativen: Erdost und mit ihr die Wiener Jugendzentren plädieren dafür, dass es für die offene Jugendarbeit auch wieder möglich werden müsste, Freizeitangebote setzen sowie Ausflüge und Bewegungsprogramme organisieren zu dürfen. Spiel und Spaß sollten einfach wieder in den Vordergrund gestellt werden. Das würden Jugendliche gerade jetzt sehr brauchen, doch Freizeitaktivitäten dürften aktuell nicht angeboten werden. Jugendzentren dürften mit Ausnahmegenehmigung nur Lernbetreuung anbieten und, wenn es Probleme gibt, Jugendliche unterstützen und stabilisieren.

Verdrängung und Eroberung im öffentlichen Raum

Doch mit den wärmeren Tagen würde sich der Druck im öffentlichen Raum erhöhen. Immer mehr Menschen würden nach draußen drängen, Sportvereine auf den öffentlichen Raum ausweichen, Massen von Menschen sich in Parks ergießen. Für Jugendliche bedeute das oft, dass sie auf ihren eigentlich angestammten Plätzen keinen freien Raum mehr vorfinden, um ihre Freunde zu treffen, betonte Erdost. Da komme die Wiener Innenstadt ins Spiel. Denn dort, wo sonst Tourismus, Geschäfts- und Einkaufsleben stattfinden, herrsche momentan Stille.

Party am Karlsplatz
ORF
Jugendliche lernen ihr Wien auf andere Art und Weise kennen

Solche freien Räume würden sich viele junge Wienerinnen und Wiener jetzt erobern und auf ihre Art und Weise aneignen. So sei die Innenstadt etwa eine wunderbare Kulisse für die von Jugendlichen gestalteten Clips, die sie dann auf Social Media veröffentlichen würden. Energie, die sich im Lockdown aufgestaut habe, werde jetzt unter anderem auf diese Art und Weise freigesetzt, sagte Erdost: Die Jugendlichen „treffen sich im öffentlichen Raum, verbringen Zeit miteinander und eben unter anderem auch in der Innenstadt“.