Peter Klimek (Meduni Wien)
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Coronavirus

Forscher: „Lockdown wäre notwendig“

Um den intensivmedizinischen Bereich zu entlasten, wäre ein neuer Lockdown notwendig, sagt Peter Klimek von der MedUni Wien. Der Komplexitätsforscher spricht von einer „misslichen Lage“ und könnte sich verlängerte Osterferien vorstellen. „Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.“

Am Beginn des dritten, harten Lockdowns nach Weihnachten zählte Wien 1.029 Neuinfektionen – ähnlich hohe Zahlen wie aktuell. Doch jetzt will niemand mehr von einem Lockdown sprechen. Komplexitätsforscher Peter Klimek vermutet, dass sich keiner mehr „dieses L-Wort“ in den Mund nehmen traut.

„Es wurde in den letzten Wochen sehr stark eine Erwartungshaltung aufgebaut, dass wir jetzt bald die Schanigärten öffnen können und mehr Öffnungsschritte setzen werden können. Aber leider geht die epidemiologische Lage genau in die Gegenrichtung. Wir bewegen uns im intensivmedizinischen Bereich ganz klar auf die Kapazitätsgrenzen zu“, so Klimek gegenüber „Wien heute“.

Interview mit Komplexitätsforscher Peter Klimek

144 Intensivbetten waren laut medizinischem Krisenstab mit Coronakranken belegt. Im Tagesvergleich mit Dienstag war das ein Bett mehr, im Wochenvergleich allerdings eine Zunahme um 20 Prozent.

Hoffnung auf „natürlichen Lockdown“ zu Ostern

Aus Sicht des Mediziners wäre ein Lockdown notwendig. „Er wäre nötig, wenn wir das Ziel erreichen wollen, den intensivmedizinischen Bereich zu entlasten. Anscheinend setzt man darauf, dass wir uns noch irgendwie durchwurschteln können bis Ostern oder nach Ostern.“

Derzeit würde man auf den „natürliche Lockdown“ der Osterferien und auf die Impfungen im April hoffen. „Das Spiel kann aufgehen, aber nur dann, wenn wir alle nochmal in uns gehen, uns zusammenreißen und überlegen, auf welche Kontakte könnten wir vielleicht doch verzichten, um nochmal diesen Anstieg ein letztes Mal in den Griff zu bekommen.“

„Besser ein Ende mit Schrecken“

Die Situation wird sich laut Klimek erst entspannen, wenn die Risikobevölkerung – also vor allem jene zwischen 65 und 75 Jahren – zu einem hohen Prozentsatz geimpft ist. „Wenn alles nach Plan läuft erreichen wir diesen Punkt vielleicht Ende April. Aber der springende Punkt ist, momentan sind wir noch nicht an diesem Ort. Momentan ist gerade die Altersgruppe 65 bis 75 eine der am wenigsten geschützten Gruppen, weil AstraZeneca lange nicht für die über 65-Jährigen zugelassen war. Deswegen sind wir jetzt in dieser misslichen Lage.“

Klimek könnte sich vorstellen, die Osterferien zu verlängern. "Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Also wenn die Lage außer Kontrolle gerät, ist es sinnvoller möglichst hart und kurz runterzubremsen. Da kann man natürlich dieses Zeitfenster der Osterferien verwenden. Wir haben da aber auch nichts von halbherzigen Maßnahmen, wo wir nach einem Wischi-Waschi mit ein bisschen Maßnahmen nicht viel besser dastehen als davor.

Wir müssten uns die Frage stellen, wie wir durch die Pandemie kommen wollen bzw. was das Ziel sei. Klimek: „Wollen wir möglichst sicher mit möglichst wenig Schaden an Menschenleben durchkommen oder ist es jetzt auch schon egal und wir brennen mit hohen Zahlen in das Frühjahr rein?“

Falsches Signal mit Öffnungen

Alle Öffnungen könnten prinzipiell nur mit Begleit- und Schutzmaßnahmen erfolgen – und würden momentan womöglich ein falsches Signal senden. Klimek: "Es ist ja schön, wenn man Leuten, die sich sowieso schon treffen, einen sicheren Ort geben kann. Aber umso problematischer ist es, wenn man einen Anreiz dafür setzt und auch das Signal gibt, dass jetzt wieder mehr Kontakte möglich sind, was in diesen Wochen Stand heute einfach noch nicht möglich ist.