Anzahl der Intensivbetten vervierfacht
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Coronavirus

Ernste Lage in Spitälern

Die Lage in Wiens Spitälern ist ernst: Die Ressourcen erschöpften sich zunehmend, sagte eine Sprecherin des Wiener Gesundheitsverbundes. Auch an Covid-19 erkrankte Kinder und Jugendliche werden in den Spitälern behandelt.

Die Zahl der CoV-Patientinnen und Patienten, die intensivmedizinisch versorgt werden müssen, kletterte am Dienstag auf einen neuen Höchstwert. Laut Daten des Gesundheits- und Innenministeriums liegen 168 Menschen aufgrund einer CoV-Infektion auf der Intensivstation – um drei mehr als am Montag und so viele wie noch nie zuvor.

„Es gibt noch kleine Puffer“

„Es gibt noch kleine Puffer. Wir sehen aber, dass es jeden Tag mehr wird. Wir haben zu viele kranke Patientinnen und Patienten zeitgleich. Deswegen ist bei uns die Lage sehr angespannt“, warnte die Sprecherin. In der Klinik Floridsdorf, im AKH und im Krankenhaus Hietzing ist der Intensivbereich bereits ausgelastet. Insgesamt werden 636 Menschen aufgrund einer Covid-19-Erkrankung im Spital behandelt. Hier liegt der bisherige Höchstwert bei 756 Patientinnen und Patienten (17. November 2020).

Aufrüttelnder Bericht eines Arztes auf Twitter

Wie ernst die Situation in Wien ist, veranschaulichte jüngst Internist Wolfgang Hagen von der Klinik Hietzing via Twitter. Der Mediziner schilderte, dass er zu Dienstantritt am Sonntag darüber informiert wurde, „dass es in ganz Wien nur mehr ein einziges reguläres COV+ Intensivbett“ gebe und „einzelne Notbetten ohne Personal“, eines davon auf seiner an sich voll belegten ICU (Intensivstation, Anm.).

Danach erläutert der Arzt, warum er sein Notfallbett nicht für einen 70-jährigen Diabetiker „opfern“ konnte, da er sonst keine Möglichkeit mehr hätte, eine jüngere, nicht vorerkrankte Person auf der ICU zu versorgen. Dann gibt der Mediziner offen zu, dass er den Patienten und dessen Tochter mit den Worten „wir tun alles für Sie“ angelogen habe. Schließlich habe er dem Mann ein Bett auf der ICU „verwehrt“.

Am frühen Morgen wird das Notfallbett dann doch benötigt. Ein 57-Jähriger muss deshalb abgewiesen und in ein anderes Spital gebracht werden. „Das ist der Bericht aus einem einzigen Spital. (…) Ich will mir gar nicht ausmalen, was in einigen anderen Spitälern los war“, schreibt der Arzt abschließend.

Zahl der Intensiv-Patienten steigt

die Belegung in den Wiener Intensivstationen steigt. Ein Drittel der Patienten ist zudem nicht älter als 25 Jahre. Die Stadt schichtet um.

Sprecherin: „Noch nicht an der Tagesordnung“

Die Gesundheitsverbundsprecherin sagte über diese Schilderungen: „Wir sind jetzt in der Situation, dass es in unseren Kliniken zu solchen Situationen kommen kann. Sie sind aber noch nicht an der Tagesordnung.“ Sie fügte auch hinzu: „Wir sind nicht weit entfernt davon, dass es zur Tagesordnung wird. Wir setzen aber alles daran, dass das nicht der Fall sein wird.“

Der 70-jährige Mann hätte schließlich statt eines Intensivbettes ein intensivmedizinisches Überwachungsbett bekommen. „Es gibt einen leichten Unterschied bei den Betten, aber es sind intensivmedizinische Behandlungen.“

Auf Stufe sechs von acht

In Wien gibt es einen achtstufigen Covid-Stufenplan, nach dem die Bettenbelegung in den Spitälern vorgenommen wird. Dabei wird die Planung der Spitalskapazitäten mit dem laufenden Monitoring der Auslastung der Covid-Versorgungsbereiche kombiniert. „Im Moment befinden wir uns auf Stufe sechs mit 230 intensivmedizinischen Betten“, so die Sprecherin.

Darin enthalten sind 90 Betten, die mit High-Flow-Oxygen-Geräten ausgestattet sind. Damit ist eine spezielle Sauerstofftherapie bei CoV-Patientinnen und -Patienten möglich. Diese speziellen Betten sind im Moment aber nicht voll belegt, so die Gesundheitsverbundsprecherin, da die klassischen Intensivbetten derzeit stärker benötigt würden.

6.000 Normalbetten, 550 Intensivbetten

Insgesamt verfügt der Gesundheitsverbund über rund 6.000 Normalbetten sowie 550 Intensivbetten – allerdings in Summe und nicht nur für an Covid-19 erkrankte Menschen. Die Freimachung der Bettenkapazitäten für CoV-Patientinnen und -Patienten hat daher einen Preis – nämlich die Verschiebung von Operationen.

1.091 Neuinfektionen

Am Dienstag wurden in Österreich 3.415 CoV-Neuinfektionen gemeldet – davon 1.091 in Wien. Österreichweit gibt es 32 neue Todesfälle, 15 in Wien. Auf den Intensivstationen lagen am Dienstag 168 Patienten – um drei mehr als am Vortag.

Dabei betonte die Sprecherin, dass nicht zentral beschlossen werde, welche Eingriffe verschoben werden, sondern von Fall zu Fall und abhängig vom Zustand der Betroffenen entschieden wird. „Unsere Leute vor Ort schauen sich die einzelnen Fälle an. Wenn sie den Eindruck haben, dass es möglich ist, wird Kontakt aufgenommen und die Verschiebung anvisiert. Gleichzeitig wird den Patienten mitgegeben, dass sie sich, wenn es ihnen schlechter geht, melden sollen.“ Im Zuge dessen betonte die Sprecherin einmal mehr, dass die Akutversorgung jedenfalls aufrechterhalten wird.

Im Schnitt zwischen 40 und 60 Jahre alt

Im APA-Gespräch bestätigte die Sprecherin außerdem die Aussagen von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), wonach vom Virus zunehmend auch junge Menschen betroffen seien, die in Intensivstationen gebracht werden müssten. Das Alter der CoV-Patientinnen und -Patienten in Wiens Spitälern würde zwischen 40 und 60 Jahren liegen. „Im AKH beträgt das Durchschnittsalter 52 Jahre“, berichtete sie anhand eines Beispiels.

Bei diesen Angaben handle es sich allerdings um eine Momentaufnahme, unterstrich die Sprecherin weiters, da die dritte Welle noch zu kurz sei, um sie statistisch auszuwerten.

Bisher 130 Kinder und Jugendliche in Spitalsbehandlung

Nicht nur Erwachsene, sondern auch immer mehr Kinder und Jugendliche infizieren sich. Viele kurieren sich zu Hause aus, aber manchmal ist ein Krankenhausaufenthalt notwendig: Seit Beginn der Pandemie im vergangenen Frühling wurden rund 130 Kinder und Jugendliche in Wiener Spitälern behandelt, berichtete die Sprecherin des Wiener Gesundheitsverbundes. In der Regeln waren die Verläufe mild.

Warum die Kinder ins Krankenhaus kommen, sei sehr unterschiedlich. Bei den meisten tauche Covid-19 als „Nebendiagnose“ auf. Das ist dann beispielsweise der Fall, wenn sich ein Kind das Bein bricht, ins Spital kommt und dort ein CoV-Test positiv ist. Kinder werden mitunter auch gemeinsam mit ihren Covid-infizierten Eltern im Krankenhaus aufgenommen.

Ein Todesfall unter 18 Jahren

Aber es gibt auch Kinder und Jugendliche mit der Hauptdiagnose Covid-19, die eine medizinische Behandlung im Spital benötigen. „Das ist etwa dann der Fall, wenn die Kleinen fiebern und das abgeklärt werden muss.“ In der Regel sind die Krankheitsverläufe bei Kindern und Jugendlichen mild. Aber nicht immer: „Bei drei Kindern war eine Sauerstoffbehandlung über eine Brille notwendig. Die hatten allerdings eine Grunderkrankung.“ In Wien sei bisher eine Person unter 18 Jahren an oder aufgrund von Covid-19 verstorben. Sie litt an schweren Vorerkrankungen.

Gefährliche Nacherkrankung bei Kindern

Im Schnitt würden monatlich 15 bis 20 Kinder eine Spitalsbehandlung benötigen. Dieser Wert sei seit Monaten konstant, so die Sprecherin. Wenn auch die Verläufe von Covid-19 bei Kindern und Jugendlichen in der Regel eher mild sind, so gibt es eine gefährliche Nacherkrankung: Es kann bei ihnen Wochen nach der Infektion die Krankheit Mis-C auftreten. Es handelt sich dabei um eine überschießende Immunreaktion, die sehr selten auftritt, einen lebensgefährlichen Verlauf nehmen kann und intensivmedizinische Betreuung notwendig macht.

Sollte eine solche Erkrankung auftreten, werden die davon betroffenen Patientinnen und Patienten in Wien in die darauf spezialisierte Klinik Donaustadt gebracht. Dort wurden seit Beginn der Pandemie rund 15 Kinder aufgrund von Mis-C behandelt.