Chronik

Mordversuch an Prostituierten: Höchststrafe

In Wien ist heute ein 22-jähriger Mann wegen versuchten Mordes an zwei Prostituierten vor Gericht gestanden. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt und in eine Anstalt eingewiesen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Neben dem zweifachen Mordversuch wurde der Mann auch wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung an einer dritten Sexarbeiterin verurteilt. Ausschlaggebend für die Verhängung der Höchststrafe waren die mehrfache Tatbegehung sowie „das außergewöhnliche Ausmaß an Gewalt“, wie der vorsitzende Richter Wolfgang Etl in der Urteilsbegründung ausführte. Lebenslang sei in diesem Fall eine schuld- und tatangemessene Sanktion.

Darüber hinaus wurde der gebürtige Tscheche auf Basis einer Gefährlichkeitsprognose des psychiatrischen Sachverständigen Peter Hofmann in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Der 22-jährige Angeklagte, der mit versteinerter Miene der Urteilsverkündung folgte, legte nach Rücksprache mit seinem Verteidiger Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung ein.

„Er hat mein Leben total zerstört“

Der 22-Jährige hat am 1. Juni 2020 einer Transsexuellen in deren Wohnung mit einem Klappmesser unzählige Stich- und Schnittwunden zugefügt. Er habe die Prostituierte „wie eine Puppe aufgeschnitten“, stellte der Vorsitzende fest. „Er hat mein Leben total zerstört“, hatte die 34-Jährige beim Prozessauftakt im vergangenen Dezember als Zeugin angegeben.

Der 22-Jährige – er war 2018 zu seiner Mutter in die Obersteiermark übersiedelt und hatte dort als Tischler gearbeitet – hatte sich am 31. Mai 2020 für den darauf folgenden Tag mehrere Termine mit Prostituierten in Wien ausgemacht. Bei zwei der drei Frauen handelte es sich um Transsexuelle.

Frau sah Messer im Spiegel

Beim ersten Treffen, das um 9.00 Uhr stattfand, bat der 22-Jährige nach dem Geschlechtsverkehr die Frau, sie möge die Augen kurz schließen, er wolle ihr etwas schenken. In einem Spiegel sah die Sexarbeiterin dann aber, wie er hinter ihrem Rücken plötzlich ein Messer zog. Die Frau sprang auf und warf den Mann resolut aus dem Zimmer. Die Geschworenen werteten den Vorfall einstimmig als versuchten Mord.

Beim zweiten Termin – um 13.00 Uhr – fühlte sich der 22-Jährige in der fremden Wohnung nicht wohl, weil vor dem Fenster Leute im Garten saßen. Er verließ darauf hin die Wohnung, ohne die vereinbarten Dienste in Anspruch zu nehmen.

Das dritte Treffen war für 15.00 Uhr in der Wohnung der 34-Jährigen anberaumt. Man einigte sich, dass die Transsexuelle den Mann für 100 Euro massieren sollte, wobei dieser kurzfristig um einen Rollenwechsel bat. Nachdem er ihr einen Stofftiger geschenkt hatte, begann er mit der Massage, ehe er ein Messer zückte und der 34-Jährigen Schnittwunden zufügte. Laut Anklage versuchte der 22-Jährige, dem Opfer die Kehle durchzuschneiden.

Mitbewohnerin rettete 34-Jährige

Als die Prostituierte zu schreien begann, folgten zahllose weitere Stiche und Schnitte. Die Mitbewohnerin der 34-Jährigen kam dieser – von den Schreien alarmiert – zu Hilfe und dürfte ihr das Leben gerettet haben, indem sie die Schwerverletzte an der Hand packte, zu sich zog und sich dem Täter in den Weg stellte. Sie kassierte einen tiefen Schnitt am Oberarm, konnte sich aber mit ihrer Freundin aus der Wohnung retten. Die Attacke auf die Mitbewohnerin werteten die Geschworenen als absichtliche schwere Körperverletzung, jene auf die 34-Jährige einstimmig als versuchten Mord.

Angeklagter behauptete Notwehr

Der Angeklagte hatte beim ersten Verhandlungstermin behauptet, er habe in einer Notwehr-Situation zugestochen. Es habe sich um „reine Selbstverteidigung“ gehandelt. Die 34-Jährigen habe ihn im Intimbereich schmerzhaft berührt. In dieser Situation habe er „die einzige Möglichkeit gesehen, nach meinem Messer zu greifen“, das er als Tischler stets bei sich trage.

In der heutigen Verhandlung ergänzte der 22-Jährige, ihm tue leid, was passiert ist: „Ich kann Ihnen versichern, so etwas wird nicht mehr passieren. Sobald ich wieder zurück in der Arbeit bin möchte ich die Opfer entschädigen.“ Er sei „in guter Absicht“ zu den Terminen gefahren: „Ich wollte ein bisschen Spaß haben mit den Mädls. Ich wollte niemanden verletzen.“

Laut Psychiater potenzieller Serientäter

Für Gerichtspsychiater Hofmann handelte es sich bei dem Angeklagten um einen potenziellen Serientäter. Er bezeichnete das inkriminierte Geschehen als „eine chaotisch, aus dem Ruder laufende Ersttat eines Serientäters mit narzisstisch, sadistischem Handlungsmotiv“. Bei der Tatausführung habe der 22-Jährige auf „Sicherungstendenzen“ – einen Fluchtplan oder das Verwischen von Spuren – verzichtet.

Der Messerattacke auf die 34-Jährige sei ein „hoher Planungsgrad“ vorausgegangen, der Angriff selber sei mit einem „unglaublichen Ausbruch an Aggression“ erfolgt. Das Vorgehen „passe“ zu sadistischen Sexualmördern, meinte Hofmann. Der Experte warnte mit Nachdruck vor dem 22-Jährigen. Dem jungen Mann sei eine „schwerwiegende Störung“ eigen, dieser stehe dem ihm Vorgeworfenen „völlig emotionslos“ gegenüber, sagte der Gutachter. Dem Mann sei es darum gegangen, „maximalen Schmerz“ zuzufügen.