Die Direktorin der evangelischen Diakonie, Maria Katharina Moser, im „Wien heute“-Studio.
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Coronavirus

Diakonie: „Menschen irrsinnig unter Druck“

Durch die Coronavirus-Krise stehen die „Menschen irrsinnig unter Druck“, sagt Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser. Telefonhotlines seien zur Unterstützung derzeit ganz wichtig. Moser forderte auch von der Politik, das Therapieangebot auszubauen und Ehrlichkeit.

Vom Caritas-Plaudernetz, der Telefonseelsorge 142 bis zum Corona-Sorgentelefon der psychosozialen Dienste in Wien oder Rat auf Draht: Die Telefonhotlines verzeichnen zusammen hunderte Anrufe pro Tag, und derzeit einen weiteren Anstieg.

„Die Leute rufen mehr an und das ist gut so. Wir erleben, dass die Menschen irrsinnig unter Druck stehen. Beraterinnen erzählen, eine Frau ruft an und zehn Minuten kommt die Beraterin gar nicht zu Wort, weil es so herausbricht“, sagte Moser im Gespräch mit „Wien heute“. Dabei gehe es neben dem Zuhören vor allem zu schauen, „wie man aus der negativ-Spirale rauskommt“. Es gehe darum zu fragen: „Schau mal hin was du alles schaffst. Wie schaffst du denn das und wie kannst du das noch stärker machen“.

Diakonie Direktorin Moser im Interview

Diakonie Direktorin Maria Matharina Moser spricht im Interview mit Ulrike Dobes darüber, wie unsere Gesellschaft jetzt bestmöglich aus dieser Krise kommen kann. Zuvor noch unsere Recherche über psychische Probleme, die sich jetzt wegen Corona häufen.

„Seelisch verletzte Kinder sind die Armen von morgen“

Außerdem würden auch viel mehr in die Beratungsstellen der Diakonie kommen. „Gerade die psychosoziale Beratung gehört dringend ausgebaut. Das ist eine politische Forderung“, sagte Moser. Sie verwies insbesondere auf die Situation der Kinder und Jugendlichen.

„Wir waren vor Corona schon in einer Situation, wo 60.000 bis 70.000 Therapieplätze für Kinder gefehlt haben. Und die chronisch kranken und seelisch verletzten Kinder von heute sind die Armen von morgen. Hier brauchen wir eine Offensive im Therapieangebot, gerade für Kinder und Jugendliche“, so Moser.

„Hätte mir mehr Transparenz, mehr Ehrlichkeit gewünscht“

Auch die Armut werde größer. „Wir bemerken das seit Monaten. Wir haben jetzt Anfang April, die Stundungen der Mieten sind ausgelaufen, die erhöhte Notstandshilfe ist ausgelaufen. Also wir rechnen damit, jetzt wird sich die Lage für Menschen die von Armut betroffen sind, massiv verschlechtern. Und ich muss ehrlich sagen, ich verstehe nicht, dass das nicht politisch mehr Thema ist und mehr Maßnahmen gesetzt werden“, sagte die Theologin und Pfarrerin.

Sie sprach sich für eine gute sozialstaatliche Absicherung aus und sparte nicht mit Regierungs-Kritik. „Also was wir jetzt auch sehen, dass eine Mindestsicherung ersetzt worden ist durch eine schlechte Sozialhilfe und die kann in der Krise nicht tragen“.

Außerdem habe die Regierung immer wieder Versprechen gemacht. „Und das in einer Situation, wo man ehrlicherweise sagen hätte müssen, aus meiner Sicht, die Situation ist total Ungewiss. (…) Da hätte ich mir mehr Transparenz, mehr Klarheit, mehr Ehrlichkeit in der politischen Kommunikation gewünscht. Denn ich glaube, wenn die Politik das nicht deutlich anspricht dann gehen viele Menschen in die Verleugnung und sagen, es ist eh nicht so schlimm. Das sehen wir dann an den Demonstrationen“, so Moser.