Eine Frau will ein Spital betreten und unterhält sich mit einer Pflegerin beim Einlass
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Coronavirus

Wien mobilisiert Reserven in Spitälern

In Wien spitzt sich die Situation in den Spitälern täglich weiter zu: Am Dienstag gab es einen neuen Höchststand mit 233 Patientinnen und Patienten auf den Intensivstationen. Nun werden neue Maßnahmen getroffen.

Aufgrund der steigenden Patientenzahlen und Prognosen ist in Wiens Spitälern die derzeit höchste Stufe acht des Spitals-Stufenplans, mit der die Kapazitäten gesteuert werden, bei den Covid-Intensivbetten aktiviert. In dieser sind 310 intensivmedizinische Betten für die Betreuung von Covid-Patientinnen und -Patienten vorgesehen.

Auch wenn diese zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht voll benötigt werden, sei die Aktivierung der Stufe acht notwendig gewesen, „damit wir rechtzeitig Betten haben, wenn wir sie brauchen“, erklärte die Sprecherin. Denn für die nunmehrige Freimachung von Betten würde mehr Zeit benötigt werden, da sie im Regelfall derzeit noch belegt seien und man abwarten müsse, bis sich der betreffende Patient bzw. die betreffende Patientin fit genug sei, um die Station zu wechseln.

Arbeit an neuer höchster Stufe

Um angesichts der steigenden CoV-Patientenzahlen und der Prognosen noch weitere Betten-Kapazitäten zur Verfügung zu stellen, arbeitet der Wiener Gesundheitsverbund außerdem an einer neuen Stufe neun. „Die Stufe ist in Ausarbeitung. Wir sind mit Hochdruck dran“, sagte eine Sprecherin der APA. Verbunden ist damit wohl auch eine weitere Reduktion von Leistungen. Konkrete Details dazu gibt es nicht, aber sie versicherte: „Unser Ziel ist es immer, dass wir den Akutbetrieb so gut es geht aufrecht zu erhalten.“

Starker Zuwachs bei Patienten

Aktuell werden auf Wiens Intensivstationen 233 an Covid-19 erkrankte Personen betreut, um neun mehr als am Montag. Besonders deutlich wird das starke Patientenplus in den Krankenhäusern, wenn man auf die Zahlen über einen längeren Zeitraum blickt. Im Wochenvergleich müssen um 27 Personen mehr intensivmedizinisch betreut werden. Das ist ein Plus von 13,1 Prozent.

Was generell die Hospitalisierungen anbelangt, so liegen insgesamt 783 Menschen aufgrund einer Coronavirus-Infektion im Krankenhaus – ebenfalls so viele wie noch nie. Das sind um 37 mehr als am Montag – und um 55 mehr als noch vor einer Woche (plus 7,6 Prozent). Die Gesundheitsverbund-Sprecherin berichtete in diesem Zusammenhang von einem „massiven Patienten-Zuwachs“ zwischen vergangenem Freitag und Dienstag auf der Normalstation.

Sorge bei Nachversorgungen

Burkhard Gustorff, Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Intensivmedizin und Leiter der Intensivmedizin in der Klinik Ottakring, lobte im „Wien heute“-Interview die Zusammenarbeit der Wiener Spitäler. Bisher habe er noch keine Patientinnen und Patienten in andere Bundesländer überstellen müssen. Klar sei: „Für plötzlich intensivpflichtige Erkrankungen haben wir eine Reserve und Schockräume. Unsere große Sorge gilt den Nachversorgungen und da gilt es die Plätze zu nutzen, die da sind.“

Im Studio: Intensivmediziner Gustorff

Wie lange können Wiens Intensivstationen so noch funktionieren? Dazu ist der Leiter der Intensivstation in der Klinik Ottakring, Burkhard Gustroff, zu Gast im Studio.

Ordensspitäler verschieben elektive Eingriffe

Erste Details zur Stufe neun gibt es unterdessen schon von den Ordensspitälern, die neben den Privatspitälern die städtischen Häuser bei der Patientenversorgung flankieren. Hier wurde am Dienstag eine weitere Aufstockung von Intensiv- und Normalbetten für CoV-Patientinnen und -Patienten bekannt gegeben.

Ordensspitäler bauen Intensiv-Kapazität aus

Auch die Ordensspitäler bauen nun die Kapazitäten im Intensivbereich aus. Teilweise werden OP-Säle zu Intensivzimmern umfunktioniert.

Planbare Eingriffe werden verschoben

Das hat auch Auswirkungen auf den Spitalsbetrieb, wie Manfred Greher, Sprecher der Ordensspitäler und Ärztlicher Direktor des Herz-Jesu Krankenhauses, in einer Aussendung erläuterte: „Die zunehmende Inanspruchnahme unserer Intensivstationen durch Covid-Patientinnen und Patienten macht es inzwischen (…) unumgänglich, zahlreiche nicht dringende Operationen zu verschieben. Diese müssen an die nun geringere Intensivbettenkapazität angepasst werden. Derzeit handelt es sich dabei um elektive, also nicht akut erforderliche Eingriffe.“

Voll aufrechterhalten werden hingegen zum Beispiel Krebsbehandlungen, Schlaganfall- und Herzinfarktversorgung, chirurgische Noteingriffe, Augenoperationen, Palliativversorgung, Akutgeriatrie und die geburtshilfliche Versorgung.

Tumor-OPs „mit höchster Priorität behandelt“

Das AKH Wien und der Wiener Gesundheitsverbund versicherten am Dienstagabend, Tumoroperationen würden weiterhin „mit höchster Priorität behandelt“. Durch die enger werdenden Intensivbettenkapazitäten wären jedoch „Verschiebungen von planbaren Operationen teilweise notwendig“. „Die jeweils behandelnde Klinik entscheidet über das zeitlich vertretbare Ausmaß der Verschiebung. Akute und lebenswichtige Operationen werden selbstverständlich weiterhin durchgeführt“, hieß es seitens des Wiener Gesundheitsverbunds in einer der APA übermittelten Stellungnahme.

Zuvor hatte eine Journalistin via Twitter öffentlich gemacht, eine lebenswichtige Tumor-Operation ihrer Mutter im AKH habe nicht stattfinden können, weil keine Intensivbetten frei waren. Bezogen auf diesen Fall hieß es seitens des Gesundheitsverbunds: „Wir sind sehr gerne bereit, die Kriterien für die Verschiebung zu prüfen, sobald uns die Patientendaten bekannt gegeben werden.“ Der Leiter der Intensivstationen am Wiener AKH, Thomas Staudinger, hatte schon Ende März die Verschiebung komplexer operativer Eingriffe bestätigt, die eigentlich möglichst rasch operiert werden müssten.

Noch keine Beschwerden über abgesagte OPs

Bereits seit längerem werden planbare Eingriffe in Wien verschoben, darunter fallen auch Tumoroperationen und komplexe Herz-OPs. Bei der Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz sind im aktuellen Lockdown noch keine Beschwerden deswegen eingegangen. Sie sprach in diesem Zusammenhang von einem „Dilemma“. „Akut erkrankte Menschen müssen versorgt werden“, forderte Pilz.

Der Leiter der Intensivstationen am Wiener AKH, Thomas Staudinger, hatte bereits Ende März bestätigt, dass große Bauch-Operationen, Tumor-Operationen, komplexe Herz-Operationen, Lungen-Operationen und ähnliche Eingriffe verschoben werden, die eigentlich möglichst rasch operiert werden müssten.

Hochrisikogruppen „müssen geimpft werden“

„Man muss jetzt ganz klar planen“, forderte Pilz. So müssten Operationen durchgeführt werden, wenn eine Verschiebung ansonsten gesundheits- oder lebensbedrohliche Situationen entstehen lasse. „Wem durch die Behandlungsverzögerung oder den Abbruch schwerwiegende Nachteile entstehen, der soll sich an mich wenden“, sagte Pilz. In der aktuellen Situation gehe es nicht um Schuldzuweisungen, vielmehr müsse noch zielgerichteter entschieden werden.

Pilz verlangte außerdem die Durchimpfung von Hochrisikogruppen. Damit könne auch verhindert werden, „dass man die Intensivstationen füllt“. „Ich bekomme jeden Tag zahllose Mails von Menschen, die nicht in die derzeitige Impf-Altersgruppe fallen, aber große Ängste haben“, berichtete die Patientenanwältin. „Die Strategie der Impfung ist für mich nicht zufriedenstellend“, so die Patientenanwältin.