Halboffene Tür einer Wohnung mit steckendem Schlüsse – mit Blick in ein Stiegenhaus
ORF.at/Christian Öser
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Wirtschaft

Investoren kaufen Immobilienmarkt leer

Der Immobilienkauf in Wien wird für private Eigennutzer immer schwieriger. Angesichts der niedrigen Zinsen kaufen institutionelle Anleger wie etwa Pensionsfonds den Markt leer und treiben die Preise weiter nach oben.

Anders sieht es im Mietsektor aus. Da derzeit noch viele neue Mietwohnungen fertiggestellt werden, übersteigt hier das Angebot die Nachfrage, wie die Geschäftsführerin der EHL Wohnen GmbH, Sandra Bauernfeind, am Mittwoch in einer Pressekonferenz erklärte.

Das ist auch der Grund dafür, dass 2021 in Wien eine relativ moderate Erhöhung der Mieten auf dem freien Markt zu erwarten ist. Bauernfeind rechnet hier bei Neuvermietungen mit einer Teuerung von im Schnitt 1,5 Prozent.

Eigentum um vier bis fünf Prozent teurer

Der Wohnungskauf hingegen dürfte sich gegenüber dem abgelaufenen Jahr um durchschnittlich vier bis fünf Prozent weiter verteuern, so die Markteinschätzung. „Es kann durchaus mehr sein – hier wird es auch innerhalb der Bezirksgrenzen große Unterschiede geben“, erwartet die Immobilienexpertin. „Institutionelle Investoren haben Interesse an ganzen Objekten“, erklärte Bauernfeind. Das werde zu einem „deutlichen Anstieg der Kaufpreise führen – auch in den nächsten Jahren“.

Die Immobiliengeschäfte in Wien laufen den Angaben zufolge „trotz Corona eigentlich recht gut“. Doch die Beweggründe für die Nachfrage hätten sich geändert. „In letzter Zeit stehen immer mehr wirtschaftliche Gründe dahinter“, so die EHL-Managerin mit Blick auf die niedrigen Zinsen bzw. Negativzinsen und die Wirtschaftskrise infolge der CoV-Pandemie. In den Jahren davor war noch in erster Linie die Bevölkerungsentwicklung, also der starke Zuzug nach Wien, der treibende Faktor der Immobiliennachfrage.

Baubewilligungen gehen „massiv nach unten“

Derzeit gibt es ausreichend Mietwohnungen auf dem Markt – sowohl im geförderten als auch im freien Bereich. Erschwingliches Wohnen wird durch zahlreiche Fertigstellungen ermöglicht: „Das Beste dafür ist eigentlich Bautätigkeit – je mehr gebaut wird, desto mehr wird es dämpfend auf Preis- und Mietniveau gehen. Das ist besser als jeder Mietpreisdeckel“, sagte die Branchenkennerin.

Der Trend des Überangebots an Mietwohnungen hat allerdings ein Ablaufdatum. „Corona hat dazu geführt, dass die Baubewilligungen 2020 und 2021 ganz massiv nach unten gegangen sind“, sagte Bauernfeind. „Es kommen weniger Projekte auf den Markt.“ Derzeit schlage sich noch die hohe Zahl an Baubewilligungen aus den Jahren 2017 und 2018 in nach wie vor vielen Fertigstellungen nieder. „Das wird noch zwei, drei Jahre anhalten – dann fehlen uns die Baubewilligungen“, erwartet die Immobilienexpertin. „Das wird den Markt ganz massiv beeinflussen.“

Denn Wien wachse nach wie vor, „allerdings nicht mehr so stark wie etwa 2015 und 2016 – die Geburten- und Zuwanderungsbilanz ist aber nach wie vor positiv“. Derzeit komme es durch die Pandemie und den Lockdown lediglich zu der einen oder anderen Verzögerung bei den Fertigstellungen, das sei aber „nicht von großer Bedeutung“.

Neuer Stellenwert für Wohnen

Die CoV-Krise hat das Leben von Grund auf verändert. „Das Thema Wohnen, sich zu Hause wohlzufühlen, hat einen neuen Stellenwert gefunden“, so Bauernfeind unter Verweis auf Lockdowns und Homeoffice. „Wir alle haben mehr Zeit in der Wohnung verbracht denn je.“ Wohnen sei als Grundbedürfnis zur Haupttriebfeder der Nachfrage geworden, „getrieben von der Verschmelzung von Arbeit und Wohnen – Arbeitszeit und Freizeit verschwimmen“. Die Menschen bräuchten dadurch mehr Rückzugsmöglichkeiten, aber auch mehr Möglichkeiten für das Arbeiten von zu Hause aus.

Wunsch und Wirklichkeit klaffen bei der Wohnungssuche allerdings auseinander. „Natürlich wünscht sich jeder einen zusätzlichen Raum.“ Doch nicht jeder könne sich ein Arbeitszimmer extra leisten. Die Durchschnittseinkommen und die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen seien da „limitierende Fakten“. „Deshalb glaube ich nicht, dass die Wohnungen wesentlich größer werden“, so Bauernfeind mit Blick auf die tatsächliche Nachfrage. Das gilt vor allem für Mietwohnungen. „Die Kunden sind zwar sehr interessiert, es gibt viele Besichtigungen, aber der Wille zum Abschluss ist verhalten. Es wird wirklich sehr gut überlegt, ob der Arbeitsplatz sicher ist.“

Wohnfläche pro Person sinkt weiter

Durch die hohen Preise sind die Wohnflächen pro Person schon bisher „deutlich gesunken“ – in Wien auf im Schnitt 36,1 Quadratmeter pro Einwohner, österreichweit sind es 45,3 Quadratmeter. Zum Vergleich: In Berlin kommt man auf 43 Quadratmeter pro Person, in Tokio hingegen auf nur 15 Quadratmeter.

Beim urbanen Planen in Wien gehe man davon aus, dass die Fläche pro Person weiter abnimmt, sagte die EHL-Wohnexpertin und verwies auf den „Trend zu Mikroapartments“ infolge begrenzter Einkommen bzw. Haushaltsbudgets. Eine flexible Nutzung der Grundrisse sei derzeit sehr stark nachgefragt. Raumzonen werden „modular genutzt“ – etwa als Arbeitsecke.