Jacke mit Schriftzug „More or Less“
Sööt/Zeyringer
Sööt/Zeyringer
Kultur

brut Wien: Audio-Walk durch Nachbarschaft

Die Wiener Theater sind seit mehreren Monaten geschlossen – und suchen daher nach alternativen Wegen, um Publikum zu erreichen. Das brut Wien bietet ab heute unter dem Titel „More or less“ einen angeleiteten Audio-Spaziergang durch die Nachbarschaft an.

Auch wenn auf der Website des brut Wien eindringlich auf die Einhaltung der jeweils geltenden Coronavirus-Maßnahmen hingewiesen wird, dürfte das Spaziergangstheater „More or less“ in die Kategorie der „körperlichen und psychischen Erholung“ fallen. Schließlich begibt man sich allein mit seinem Handy und Kopfhörern vor die Haustür, um das zu erleben, was man vielleicht erst im vergangenen Jahr gelernt hat: ohne Ziel zu Fuß umherstreifen, um das Gehirn auszulüften.

Einziger Unterschied: Aus den Kopfhörern kommen – auf Englisch – die Stimmen von Tiina Sööt und Dorothea Zeyringer. Das österreichisch-estnische Duos will mit dem Stück zum Nichtstun als „Akt des Widerstands“ aufrufen. Die Ton-Datei kann zum Preis von 6 Euro ab Donnerstag heruntergeladen werden.

45-minütige Performance

Die Performerinnen philosophieren nicht nur über Produktivitätsdruck und Entschleunigung, „the joy of missing out“ oder die Geschichte von Telefonwarteschleifen, sondern werfen den Zuhörer manchmal auch in eine bewusste Stille hinein. An anderer Stelle rufen Sööt und Zeyringer dazu auf, sich an einer grauen Hausmauer einen Sonnenuntergang vorzustellen oder einer Stromleitung zu folgen.

Da kann es passieren, dass man plötzlich mit einem Baum spricht oder sich auf einer Bank niederlässt, um sich eine „Vorstellung“ in der unmittelbaren Umgebung anzusehen. Und so wird „More or less“ zu einer Art Meditation über den Wert der Entschleunigung. Durchgeführt werden kann „More or less“ theoretisch überall, ein wenig urbane Umgebung schadet aber nicht, um sich ganz auf die rund 45-minütige Performance einzulassen.

Telefon-Theater im Volkstheater

Das brut Wien ist nicht das einzige Theater, das derzeit auf ein Theatererlebnis zum Hören setzt. Im Volkstheater gibt es seit kurzem Theater per Telefon, unter dem Titel „Tausend Wege – Ein Telefonat“. Dafür hat man die internationale Produktion des Kollektivs 600 Highwaymen ins Deutsche übertragen und adaptiert. Die aus New York stammende und bereits mit einem Nestroy geehrte Theatergruppe 600 Highwaymen hat ein Stück konzipiert, bei dem in einem Telefonat zwei Fremde einer Reihe von Anweisungen folgen, die ein Porträt des anderen zeichnen.