Bildung

Mehrere Fronten zu Präsenzunterricht

Das Bildungsministerium beharrt darauf, Schülern von Abschlussklassen ab Montag trotz Lockdowns den Schulbesuch zu ermöglichen. Die Wiener Lehrervertretung ist dagegen. Es gibt aber auch Lehrer, die vehement Präsenzunterricht fordern.

Der ständige Wechsel zwischen Distance-Learning und Präsenzunterricht im Schicht- bzw. Vollbetrieb sorge nicht nur für „größte Verwirrung“, hieß es in dem Schreiben des Zentralausschusses der Wiener Pflichtschullehrer, das u.a. an ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP), Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) gerichtet ist.

So sei es etwa in der Sekundarstufe I (im Pflichtschulbereich vor allem Mittelschulen) wegen des Fachlehrersystems unmöglich, dass gleichzeitig Schichtbetrieb für die 8. Schulstufe und Fernunterricht für die 5. bis 7. Schulstufe sowie zusätzlich noch Betreuung in der Schule angeboten wird. Ähnliche Probleme gebe es auch an den Volksschulen bei Lehrern, die in mehreren Klassen eingesetzt werden.

Gewerkschaft will Rücknahme der Maßnahmen

Überhaupt seien Lockerungen beim Schulbetrieb zur gleichen Zeit, zu der Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres einen Lockdown für ganz Österreich fordert, unverständlich. „Das konterkariert die aktuellen Maßnahmen gegen die Verbreitung der Covid-19-Mutationen in Ostösterreich.“

Die Ankündigung der Bildungsdirektion am Mittwoch, dass es trotz des strengen Lockdowns in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland ab Montag in bestimmten Situationen Schulbetrieb an Ort und Stelle geben soll, habe deshalb „für viel Wirbel gesorgt“, wie der oberste Wiener Pflichtschullehrer-Personalvertreter Thomas Krebs (FCG) betonte. Im „Wien heute“-Interview sagte er: „Es geht ja nicht nur um die Gesundheit der Personen in den Klassen, sondern wir tragen mögliche Infekte ja auch nach Hause.“

Schulen öffnen teilweise wieder

Mit der Verlängerung des Lockdowns in Ostösterreich ist auch der Fernunterricht ausgeweitet worden. Mit einer Ausnahme: Für Abschlussklassen soll ab Montag wieder Präsenzunterricht stattfinden.

Der Zentralausschuss forderte deshalb, dass die Ankündigungen für den Pflichtschulbereich vom Bildungsministerium nicht verordnet werden. Geplant ist ja, dass Schüler der Abschlussklassen und jene, die vor einem Schulwechsel stehen, trotzdem in die Klasse kommen können. Auch Schularbeiten und Förderunterricht sollen stattfinden.

Unterstützung von Bundesgewerkschaft

Unterstützung bekam er dabei vom obersten Lehrervertreter Paul Kimberger (FCG), dem Vorsitzenden der ARGE Lehrer in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD). Das Angebot, gleichzeitig mit dem Fernunterricht zum Teil auch Präsenzunterricht und Betreuung anzubieten, „klingt zwar in der Öffentlichkeit charmant, ist aber schulorganisatorisch nicht machbar“, kritisierte er.

An den Schulen sei die digitale Ausstattung so schlecht, dass sich die Lehrer daheim so eingerichtet hätten, dass sie von dort professionellen Fernunterricht anbieten können. Wenn sie nun aber gleichzeitig in den Schulen anwesend sein sollen, gebe es wieder Probleme beim Distance-Learning. „Diese Regelung ist völlig praxisfern.“

Nicht alle Lehrer gegen Präsenzunterricht

Doch es gibt auch Lehrer, die das anders sehen und sich „in dieser Situation nicht mehr von der Gewerkschaft vertreten“. So widersprechen etwa 40 Lehrerinnen und Lehrer des Gymnasiums Draschestraße in einem Offenen Brief der Aussage der Gewerkschaft „vehement“, dass Lehrer sich gegen den Präsenzunterricht wehren würden. Vielmehr spreche man sich aus mehreren Gründen für die schnellstmögliche Schulöffnung aus. So würden psychische und soziale Nachteile von Distance Learning überwiegen und die soziale Schere zwischen verschiedenen Gesellschaftsschichten weiter aufgehen lassen.

Kinder litten an zunehmender psychischer Belastung, die teilweise sogar Depressionen hervorrufe. Schulschließungen sollten nicht „als politisches Patentmittel leichtsinnig eingesetzt werden“. Zudem funktioniere digitales Lernen nur in Familien, in denen die Kinder viel Unterstützung bekämen. Kinder ohne einer solchen Unterstützung würden aber wertvolle Monate ihrer Bildungszeit verlieren. Schließlich sei die Gefahr „von monatelanger sozialer Isolierung, Bewegungsarmut und exzessivem Bildschirmkonsum“ als wesentlich höher einzuschätzen als das Restrisiko für Kinder, in einer Schule an Covid und dessen Folgen zu erkranken.

Ministerium verspricht flexible Handhabung

Im Bildungsministerium hält man an den angekündigten Plänen fest. Die Donnerstagmittag noch nicht vorliegende Verordnung soll allerdings den Schulen eine flexible Handhabung ermöglichen, falls an bestimmten Standorten durch das parallele Angebot von Präsenz- und Fernunterricht sowie Betreuung in der Praxis tatsächlich Probleme entstehen, betont eine Sprecherin. So soll es etwa möglich sein, dass ein Lehrer in der betreffenden Schulwoche keinen Videounterricht abhält, sondern stattdessen ein Arbeitspaket austeilt, falls am Standort die Infrastruktur für seinen Online-Unterricht fehlen sollte.