Wien von oben mit Votivkirche
ORF.at/Sonja Ryzienski
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Wirtschaft

Stadt kritisiert Versäumnisse bei Aufbauplan

Um den Schaden, der durch Corona entstanden ist, abzufedern, hat die EU vergangenen Sommer das größte Konjunkturpaket aller Zeiten beschlossen. Österreich stehen rund 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Die Stadt Wien kritisiert nun, dass die Bundesregierung beim Aufbauplan zu spät agiere.

Es geht um hunderte Millionen Euro, die Wien in den nächsten Jahren von der EU bekommen könnte. Der Wiederaufbaufonds soll helfen, die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Die Bundesländer wurden deshalb von der Bundesregierung aufgerufen, Vorschläge für EU-Investitionsprojekte einzubringen.

Projekte müssen auf Herz und Nieren geprüft werden

„Seitens der Bundesländer wurden eine Menge an Projekten eingereicht, auch Wien hat das sehr ausgiebig gemacht. Über 30 Projekte im Gesamtvolumen von acht Milliarden Euro wurden schon Ende Februar rechtzeitig weitergeleitet“, erklärte Wiens Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) gegenüber „Wien heute“.

Seither habe sich aber wenig getan, es hätte keine ausführlichen Beratungen wie etwa in anderen EU-Staaten gegeben, wunderte man sich im Finanzressort der Stadt. Dabei müsste jedes einzelne Projekt „auf Herz und Nieren geprüft werden, weil die EU nur detaillierte Unterlagen für den Aufbaufonds annimmt“. Die Uhr tickt jedenfalls: Bis spätestens Ende April muss die Bundesregierung den nationalen Aufbauplan an die Europäische Kommission übermitteln.

Schwerpunkt auf Digitalisierung und Ökologisierung

Aus dem zuständigen Finanzministerium hieß es auf ORF-Anfrage in einer schriftlichen Stellungnahme: „Wir tragen diese Projekte jetzt auf Ressortebene zusammen und werden diese fristgerecht im April an die Europäische Kommission übermitteln. Der Schwerpunkt der Projekte wird auf den Bereichen Digitalisierung und Ökologisierung liegen“, so Finanzminiser Gernot Blümel (ÖVP). Zudem stehe das Finanzministerium auch in regelmäßigen Gesprächen mit der EU-Kommission, um das bestmögliche Ergebnis für Österreich zu erzielen.

In Wien stößt man sich aber auch daran, dass Österreich bisher noch keine Unterlagen an Brüssel geschickt hat: "Die Kritik ist einfach die, dass man hier zeitgerecht agieren muss. Portugal hat das schon im Herbst getan. 25 Länder wurden hier schon aktiv und zwei haben dies noch nicht getan und Österreich gehört dazu. Deshalb ist hier meine Sorge, dass dieses Terminthema verstreichen könnte“, so der Wiener Finanzstadtrat.

Die Kritik, dass zu wenig über die Projekte debattiert wurde, wies das Finanzministerium zurück: „Unter Federführung von Europaministerin Karoline Edtstadler ist ein breiter Konsultationsprozess mit Ländern, Opposition, NGOs und Zivilgesellschaft durchgeführt worden.“

Österreich hätte vorab Entwurf an Brüssel schicken können

Dass die österreichische Regierung es bei der Einreichung des Aufbauplans auf den letztmöglichen Zeitpunkt ankommen lässt, kritisierte auch Wirtschaftsforscherin Margit Schratzenstaller vom Wifo: "Im schlimmsten Fall könnte es passieren, dass die Kommission, die dann zwei Monate Zeit hat, die Pläne zu bewerten, den Plan an Österreich zurückspielt, mit der Vorgabe, ihn dann zu überarbeiten“, so die Ökonomin. Dadurch könnten sich die Umsetzung der Projekte und damit auch der Mittelfluss entsprechend verzögern.

Auch Schratzenstaller hob hervor, dass Österreich relativ spät angefangen habe, sich wirklich inhaltlich damit auseinanderzusetzen. "Das liegt vielleicht auch daran, dass im Vergleich zu ärmeren Mitgliedsländern wie Spanien oder Italien Österreich relativ wenig Geld aus dieser Fazilität bekommt und Österreich sich auch günstig auf den Finanzmärkten finanzieren kann.“ Weiters stellt die Ökonomin fest: „Was Österreich auch nicht gemacht hat, anders als als die meisten anderen EU-Länder, bei der EU vorab einen Entwurf des Plans einzureichen.“

Zurück zu den 30 Projekten, die Wien an die Bundesregierung übermittelt hat: Die Wunschliste ist lang. Mit den EU-Geldern soll etwa ein neues Wasserstoffzentrum in Floridsdorf mitfinanziert werden. Die Stadt will unter anderem das Fernkältenetz erweitern, Pflegewohnhäuser klimatisieren, W-Lan für öffentliche Pflichtschulen ausbauen und in Kliniken investieren. Welche Projekte es aus Wien mit dem Ausbauplan nach Brüssel schaffen, will das Finanzministerium übrigens erst bei der Einreichung Ende April kundtun.

Das ist der EU Recovery Fund

Im Juli 2020 einigten sich die EU-Staaten im Kampf gegen die Coronavirus-Wirtschaftskrise auf das größte Haushalts- und Finanzpaket ihrer Geschichte. Das Paket umfasst 1,8 Billionen Euro. Davon entfallen 1.074 Milliarden Euro auf den nächsten siebenjährigen Haushaltsrahmen und 750 Milliarden Euro auf den Aufbaufonds „Next Generation EU“ gegen die Folgen der Pandemiekrise.

Mit dem Finanzpaket will sich die Europäische Union gemeinsam gegen den historischen Wirtschaftseinbruch stemmen und den EU-Binnenmarkt zusammenhalten. Gleichzeitig soll in den Umbau in eine digitalere und klimafreundlichere Wirtschaft investiert werden. Dafür werden erstmals im großen Stil im Namen der EU Schulden aufgenommen, das Geld wird umverteilt und gemeinsam über Jahrzehnte getilgt. Österreich kann damit seinen EU-Budgetrabatt laut dem Kompromissvorschlag deutlich erhöhen.