Visualisierung Stadtstraße Oberes Hausfeld (Stand 2015)
CR Geoconsult
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Verkehr

Wissenschafter gegen geplante Stadtstraße

Wiener Wissenschafter stemmen sich gegen das Projekt Stadtstraße in Aspern. Am Donnerstag soll im Rathaus die Finanzierung bewilligt werden. Doch es handle sich in Zeiten der Klimakrise um ein kontraproduktives Megaprojekt, warnen die Gegner.

Die geplante Stadtstraße soll mit Ende 2025 das Stadtentwicklungsgebiet Aspern mit der Südosttangente (Anschlussstelle Hirschstetten) verbinden. Die 3,2 Kilometer lange Straße soll nach derzeitigem Planungsstand zwei rund 800 und 500 Meter lange Tunnels haben. Die Projektkosten werden aktuell mit rund 460 Millionen Euro beziffert.

Das Projekt mit einer laut Stadt Wien etwa 30-jährigen Vorgeschichte ist aber ebenso umstritten wie der geplante Lobautunnel. Jetzt meldeten nahmhafte Wiener Wissenschafter ihre Bedenken an, darunter Hermann Knoflacher, emeritierter Professor am Institut für Verkehrswissenschaften (TU Wien), Helga Kromp-Kolb, emeritierte Professorin am Institut für Meteorologie und Klimatologie (BOKU) und Politikwissenschaftler Mathias Krams.

Straßenführung der Stadtstraße Aspern
MA 28
Geplante Trasse Stadtstraße Aspern

„Mehr Straßen führen zu mehr Verkehr“

Allein schon die Bezeichnung als „Stadtstraße“ sei irreführend, ärgerte sich Knoflacher. Tatsächlich handle es sich um „eine vom lebenden Organismus der Stadt weitestgehend getrennte vierspurige Fahrbahn“. Schon in den 1970er-Jahren sei bei der geplanten Gürtelautobahn versucht worden, mit dem Begriff „Hochleistungsstraße“ die Bevölkerung zu „täuschen“. Nach deren Widerstand habe die SPÖ-Regierung 1972 das Vorhaben gestoppt. Laut Knoflacher „eine kluge und weitblickende Entscheidung für die Stadt Wien“.

Knoflacher plädierte für eine flächendeckende Parkraumbewirtschaftung, den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und Maßnahmen für den Rad- und Fußgängerverkehr – ebenso wie Barbara Laa, Verkehrswissenschafterin an der TU Wien: „Es ist erschreckend, dass Politiker immer noch mit dem Versprechen der Verkehrsentlastung solche kontraproduktiven Megaprojekte forcieren. In der Fachwelt ist das Phänomen des ‚induzierten Verkehrs‘ längst bekannt: Mehr Straßen führen zu mehr Autoverkehr.“

Baustart für Stadtstraße Aspern

Der Auftakt für den Bau der vierspurigen Stadtstraße Aspern in Wien zwischen der Tangente und der Seestadt soll noch heuer erfolgen. Projektbetreiber und Anrainer kommen sich in die Haare.

Auswirkungen auf Klima nicht berücksichtigt

Helga Kromp-Kolb verwies darauf, dass die übergeordnete Verkehrsplanung in Wien vor Festlegung der jetzt gültigen Klimaziele erfolgt sei: „Bevor weitere Beschlüsse zur Umsetzung dieses Verkehrsplanes getroffen werden, sollte das gesamte Konzept auf seine Verträglichkeit mit den Klimazielen überprüft werden.“ Für Laa ist es verantwortungslos, "dass mitten in der globalen Klimakrise diese immensen Summen für den Bau von neuen Schnellstraßen in Wien – teilweise sogar in Naturschutzgebieten – aufgebracht werden sollen. Der Bau würde über Jahrzehnte hinweg zu einem höheren CO2-Ausstoß führen.

Laut Politikwissenschafter Mathias Krams von der Uni Wien ist die Stadtstraße nicht geeignet, um die Ziele der Reduktion der Pkw-Pendler und der Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen. Vielmehr stehe sie diesen diametral entgegen. Stetiges Verkehrswachstum müsse hinterfragt und diesem mit einem nachhaltigen Mobilitätsmanagement entgegengewirkt werden. Die Stadtstraße Aspern setze genau die falschen Anreize. „Der Gemeinderat erweise sich damit auf dem Weg zur ‚Klimamusterstadt‘ einen schwer revidierbaren Bärendienst.“

Visualisierung Stadtstraße Oberes Hausfeld (Stand 2015)
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Stadtstraße Aspern, Oberes Hausfeld

Stadt für „zukunftsorientiertes Mobilitätskonzept“

Seitens der Stadt werden den Bedenken die bekannten Argumente entgegengebracht. Die Stadtstraße sei ein wichtiger Teil eines "zukunftsorientierten Mobilitätskonzeptes“. Ziele sind demnach, damit den Durchzugsverkehr aus den Siedlungsgebieten abzuziehen, durch die Entlastung die Lebensqualität in Ortskernen wie Hirschstetten, Stadlau und Breitenlee deutlich zu verbessern und zusätzlich neue Stadtteile zu erschließen. "Wir wollen Transitverkehr nicht mehr in die Stadt lassen. Es ist widersinnig, Transitverkehr, besonders Schwerverkehr, der weder Ziel noch Ursprung in Wien hat, in die Stadt hineinzuziehen. Keine Metropole Europas tut das“, so der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Erich Valentin (SPÖ).

ÖVP und Grüne mit konträren Meinungen

Unterstützung für das Projekt kommt von der Wiener ÖVP. Diese sieht keine Alternativen zu Stadtstraße und auch zum Lobautunnel: „Es ist unverständlich, warum sich manche Experten dagegen wehren, Staus, Lärm und Belastungen durch Schadstoffe endlich aus der Stadt zu bekommen“, kritisierte Verkehrssprecher Wolfgang Kieslich. Darüber hinaus sei der Bau der Stadtstraße sowie des Lobautunnels gerade in Zeiten wie diesen ein wichtiges Infrastrukturprojekt zur Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen, hob die nicht amtsführende Stadträtin Isabelle Jungnickel hervor.

Die Grünen hingegen bekräftigten ihre Ablehnung der Projekte: "Wissenschafter und Wissenschafterinnen sagen es deutlich: Diese Donaustadtautobahn durch Wien gehört gestoppt. Sie ist ein Uraltprojekt und keine Lösung für die Herausforderungen der Klimakrise. Sie ist Verkehrspolitisch ein Fiasko, Klimapolitisch eine Katastrophe und so erreichen wir niemals unsere klimapolitischen Ziele“, sagten die Mobilitätssprecher Heidi Sequenz und Kilian Stark.