Angeklagte in Prozess wegen falscher Atteste zu Coronamasken
APA/Stefan Somweber
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Chronik

700 Maskenbefreiungen verkauft: Haftstrafe

Eine 55-Jährige Heilpädagogin, die an rund 700 Personen falsche schriftliche Befreiungen von der Maskenpflicht verkauft hatte, ist am Landesgericht wegen Betrugs und Kurpfuscherei zu sechs Monaten bedingter Haft verurteilt worden.

Der Verteidiger der Frau bat um Bedenkzeit, die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab. Das Urteil wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs und Kurpfuscherei ist damit nicht rechtskräftig. Die Frau gehört der sogenannten Querdenker-Szene an.

Sie nimmt an Demonstrationen gegen die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus teil, ist schon mit dem ehemaligen Kärntner BZÖ-Abgeordneten Martin Rutter auf einer Bühne gestanden und hat dort eine Brandrede gegen die Maskenpflicht gehalten. Zur Verhandlung wurde sie von einer Reihe von CoV-Leugnern begleitet, die zum Teil die im Gerichtsgebäude geltende FFP2-Maskenpflicht ignorierten. Anwesende Medienvertreter wurden angepöbelt („Lügenpresse!“), auch die Angeklagte trug vor dem Saal keine Maske, was sie mit den Worten „Gott hat uns diesen heiligen Atem eingeblasen“ begründete.

Prozess um gefälschte Maskenatteste

Eine Heilpädagogin ist zu sechs Monaten bedingter Haft verurteilt worden, weil sie Atteste ausgestellt hat, die von der Maskenpflicht befreien.

Angeklagte verweigerte zunächst FFP2-Maske

Die 55-Jährige ist ihren Angaben nach in Wien als „freie Therapeutin mit ganzheitlichem Anspruch und Bildungswissenschaftlerin“ tätig. Sie hat ein Doktorat im Bereich der Sonder- und Heilpädagogik und – wie sie eingangs der Verhandlung betonte – Berufserfahrungen in den Fachbereichen Anthroposophie, Neurologie und Tiefenpsychologie.

Im Gerichtssaal verweigerte sie zunächst auch die vorgeschriebene FFP2-Maske („Ich kann nicht sprechen mit Maske“), bequemte sich dann aber doch dazu, nachdem sie es kurz mit einem Gesichtsvisier aus Plexiglas probiert hatte. Währenddessen waren vor dem Saal mehrere Sympathisanten zu hören, die ihren Unmut kundtaten, weil sie aus Platzgründen der Verhandlung nicht als Zuhörer beiwohnen konnten.

Sie sei zwar keine Ärztin, habe aber dessen ungeachtet „selbstverständlich“ vom vergangenen Juli bis zum Februar Maskenbefreiungs-Atteste ausgestellt, bekräftigte die Angeklagte: „Ich ersuche, die Atteste als Willenserklärungen meiner Klienten zu sehen und die Atteste nicht herabzuwürdigen.“ Sie habe „als Doktor Phil mit weitreichenden Erfahrungen mit traumatisierten Menschen“ gehandelt und „als Mensch und Therapeut die Atteste ausgestellt“.

20 Euro pro Attest

Unter der verordneten Maskenpflicht leidende Menschen hätten ihr „in stundenlangen Telefonaten ihre Schwierigkeiten geschildert“. Denen habe sie geholfen und klargemacht, „dass sie sie (den Mund-Nasen-Schutz bzw. die FFP2-Maske, Anm.) abnehmen dürfen“. Die Betroffenen hätten sich „in wirklicher Bedrängnis befunden“. Sie habe ihnen „eine Eintrittskarte zum eigenen Leben“ verschafft. Denn „der Mensch“ sei „mehr als eine Lungenfunktion“.

Für jedes Attest stellte die Heilpädagogin 20 Euro in Rechnung, was sie als „Bearbeitungsgebühr“ verstanden wissen wollte. „Was war Ihre Leistung?“, wollte Richter Philipp Krasa darauf wissen. Die Angeklagte verwies auf „persönliche Gespräche“, die meistens über Telefon oder per Email abgewickelt wurden, und ihren „ganz normalen Stundensatz“. Auf die Frage des Richters nach der rechtlichen Wirkung ihrer Bescheinigungen, bemerkte die 55-Jährige: „Das habe ich nie überlegt.“

Kunden vertrauten Angaben

Zu den Kunden der Frau zählte unter anderem eine 22-jährige Bäckerei-Angestellte, die – wie sie als Zeugin dem Richter darlegte – von der Maske „Angstzustände und Schweißausbrüche“ davongetragen habe. Die Angeklagte habe ihr telefonisch versichert, „dass die Bescheinigung gültig ist.“ Ein junger Handwerker wollte im Bus und in der Straßenbahn ohne Maske fahren und wandte sich daher an die Heilpädagogin, die auf ihrer Homepage mit ihren Maskenbefreiungen warb. Er habe „massive Probleme mit der Maske, Erstickungsanfälle“ bekommen, berichtete der Mann dem Richter: „Ich war der fixen Überzeugung, dass das Attest gültig ist.“

Ein zwölfjähriger Schüler und Nachwuchsskiläufer aus der Steiermark und dessen Eltern hielten die Angeklagte für eine Ärztin. „Wir wollten erreichen, dass er in die Schule gehen kann ohne Maske“, schilderte der Vater dem Gericht. Der Sohn habe „keine Luft gekriegt. Er hat sich eingeengt gefühlt. Es war die einzige Möglichkeit, dass er in die Schule und zum Training gehen kann. Sonst ist er jeden Tag mit Kopfweh nach Hause gekommen.“

Eine Kindergartenpädagogin nahm die Dienste der vermeintlichen Ärztin in Anspruch, weil sie sicher war, dass sie nicht mit Maske in der Krabbelstube arbeiten konnte. Sie befürchtete nämlich „pädagogische Probleme“, hätten die Kleinen „die Mimik“ nicht sehen können.

Verurteilung wegen Betrugs

Der Richter räumte am Ende der Verhandlung ein, die Angeklagte habe „das Beste für die Menschen gewollt“. Dessen ungeachtet wurde sie schuldig gesprochen: „Ich bin mir sicher, dass Sie betrogen haben. Sie haben so getan, als ob die Bescheinigungen gültig sind.“

Nach der Verhandlung wurde die 55-Jährige von ihrem Bekanntenkreis gestützt und mit Worten des Zuspruchs aufgerichtet. Maske trugen zu diesem Zeitpunkt die Heilpädagogin und ihr engster Kreis keine mehr. Vier uniformierte Polizisten, die mittlerweile aus Sicherheitsgründen vor dem Gerichtssaal Position bezogen hatten, standen zwei bis drei Meter untätig daneben und entfernten sich schließlich.