Mitarbeiter auf Intensivstation
picturedesk.com/Keystone/Jean-Christophe Bott
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Wissenschaft

CoV: Viele Unsicherheiten rund um Migranten

Es ist ein schwer zu quantifizierendes Thema, weil es kaum Daten gibt: Aber laut manchen Politikern und Medien ist die Hälfte der Intensivbetten mit Migrantinnen und Migranten belegt. Zuwanderer sind laut Experten durch die Arbeit einem höheren Erkrankungsrisiko ausgesetzt.

Es beginnt schon bei der Definition, was unter Migrationshintergrund zu verstehen ist. Recherchen der Stadtzeitung „Falter“ erbrachten keine Hinweise darauf, dass überproportional viele Migranten auf Intensivstationen liegen. Was aber das Infektionsrisiko betrifft, zeigt eine OECD-Studie ein doppelt so hohes Risiko bei Migranten. Ähnliche Daten zeigt auch der Lagebericht des Gesundheitsministeriums. Doch höheres Infektionsrisiko und Belegung von Intensivbetten müssen nicht Hand in Hand gehen. Woher kommt dann das Gerücht, dass 50 Prozent der Corona-Intensivpatienten Ausländer sind?

„Wir gegen die anderen“-Rhetorik

Die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger von der WU Wien sagte, dass die Wurzeln des Gerüchts schon in der Zeit lange vor der CoV-Pandemie zu finden sind: „Österreich ist mit einem besonders defizitär orientierten Integrations- und Migrationsdiskurs geprägt. Wir sehen immer wieder, dass in eine ‚Wir gegen die anderen‘-Rhetorik eingezahlt wird. Und die anderen sind eben sehr häufig Migrantinnen und Migranten in diesem Land.“ Außerdem würden empirische Daten sehr gut belegen, dass in Krisenzeiten Diskriminierung und Xenophobie zunähmen: „Ich glaube, das sieht man jetzt auch bei diesem Thema.“

Migranten durch ihre Arbeit exponierter

Belegbar ist, dass Migranten überdurchschnittlich oft an CoV erkranken. Ergün Sert betreibt ein Facebook-Medium für die türkische Community und übersetzt etwa die Pressekonferenzen der Regierung. Er führt die Häufigkeit der Erkrankungen vor allem auf die Arbeitsverhältnisse zurück. Das sieht auch Kohlenberger ähnlich: Sehr viele Migranten seien in systemerhaltenden Berufen tätig, würden in der Pflege, bei Liefer- oder Reinigungsfirmen arbeiten und seien dadurch viel exponierter als jene, die im Home Office arbeiten.

Innerhalb verschiedener Communities ortet Kohlenberger im „Wien heute“-Gespräch Donnerstagabend ganz verschiedene Ebenen der Betroffenheit und der Ausgesetztheit. Sie verwies etwa auf die größte Gruppe von Migranten in Österreich: Deutsche seien aber im Zusammenhang mit Corona oft gar nicht gemeint. Andererseits aber gebe es eine besonders marginalisierte Gruppe, nämlich Flüchtlinge. Diese Menschen müsste man natürlich besonders gut schützen.

„Österreich impft“ nur auf Deutsch

Bei der Impfbereitschaft unter Migranten geht Kohlenberger von einem ähnlich weiten Spektrum wie in der Gesamtbevölkerung aus: „Es gibt Menschen in der Gruppe von Migranten, die sehr impfskeptisch sind, auch Verschwörungstheorien gibt es. Aber gleichzeitig bei Menschen, die aus Ex-Jugoslawien zu uns gekommen sind, gibt es aber auch eine hohe Impfbereitschaft. Vielleicht auch im Hinblick darauf, dass man im Sommer auch die Herkunftsfamilie besuchen möchte.“

Kritik übte Kohlenberger in diesem Zusammenhang an der „sonst sehr guten und umfangreichen“ Website „Österreich impft“. Detaillierte Fragen und Antworten seien dort zu finden, aber nur in deutscher Sprache. Dabei wäre es technisch kein Problem, die Seite mehrsprachig anzubieten. Zwar gebe es Übersetzungen, die aber wieder nur in anderen Kanälen oder auf anderen Seiten zu finden seien: „Es wäre ein inklusives Signal, wenn man hier auf demselben Kanal kommuniziert und dadurch auch eine Gleichbehandlung in der Gesundheitskommunikation erreicht“, sagte Kohlenberger.