Lilli Hollein
APA/ Herbert Neubauer
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Kultur

Lilli Hollein wird neue MAK-Chefin

Designexpertin Lilli Hollein wird Generaldirektorin und wissenschaftliche Geschäftsführerin des Museums für angewandte Kunst Wien (MAK). Sie folgt Christoph Thun-Hohenstein nach. Das gab Grünen-Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer am Montag bekannt.

Die 48-jährige Designexpertin war als Favoritin für die Nachfolge von Christoph Thun-Hohenstein genannt worden, dessen zweite Amtsperiode Ende August ausläuft. Der Vertrag mit Teresa Mitterlehner-Marchesani als Wirtschaftliche Geschäftsführerin wird verlängert.

Hollein „verfügt über die nötige Kompetenz, viel Erfahrung, Lebensfreude und hohe soziale Kompetenz“, sagte die Staatssekretärin, sie stehe für Designkompetenz und Teamfähigkeit, sei bestens vernetzt und genieße das Vertrauen der Kunstszene. Das MAK verfüge über einen Teil des Nachlasses von Holleins Vater, dem Architekten Hans Hollein (1934-2014).

Tochter von Architekt Hans Hollein

Lilli Hollein habe angekündigt, künftig alle Entscheidungen darüber dem Kuratorium des Museums überlassen zu wollen, von dessen Vorsitz sie im Februar zurückgetreten war. „Ich bin der Meinung, es darf für hoch qualifizierte Töchter berühmter Väter keine beruflichen Nachteile geben“, sagte Mayer. Lilli Hollein ist außerdem die Schwester des Chefs des New Yorker Metropolitan Museum, Max Hollein.

Eine Aussenaufnahme des MAK (Museum für Angewandte Kunst)
APA / Roland Schlager
Das Museum für Angewandte Kunst Wien versucht auf gesellschaftliche Zukunftsthemen zu setzen

Hollein will „Türen und Fenster aufreißen“

Hollein kündigte an, das Haus am Stubenring nach der überwundenen Coronavirus-Krise einem breiteren Publikum schmackhaft machen zu wollen. Dass der Ferstl-Bau im November seinen 150. Geburtstag feiert, sei eine gute Gelegenheit, „um Türen und Fenster aufzureißen“.

Ein weiterer Schwerpunkt soll auf der Vermittlung und „innovativen Formaten“ liegen. „Junge Menschen für textile Spitzen zu interessieren ist keine einfache Aufgabe“, räumte die designierte Hausherrin ein. Wenn es sich dabei aber um Arbeiten etwa von Bertha Pappenheim, der ersten Patientin Sigmund Freuds und einer wichtigen Proponentin in der Frauenbewegung, handle, entstehe ein neuer Zugang: „Es geht um Narrative, Einordnungen, die neue Perspektiven schaffen.“

Inhaltlich will Hollein den „westlichen Blickwinkel verlassen“ und kündigte an, sich den kolonialen Aspekten sowie einem „feministischen Blick auf die Sammlung“ widmen zu wollen. Außerdem werden unter ihrer Direktion popkulturelle Themen Platz finden. Der Digitalisierung will sich Hollein ebenfalls verstärkt widmen – und zwar sowohl bezüglich der Präsentation der Sammlung als auch als Kunstform.

Journalistin und Projektmanagerin

Lilli (Karoline) Hollein wurde am 21. Juli 1972 in Wien geboren, studierte an der Universität Wien Psychologie und danach an der „Angewandten“ Industriedesign, wo sie 1999 mit ihrer Diplomarbeit „Variables Ausstellungssystem“ abschloss. Sie arbeitete als Fachjournalistin zu den Themen Architektur und Design, war Projektmanagerin in der Architekturgalerie Maculan. Danach entwickelte sie als Projektmanagerin und Kuratorin Architektur- und Designausstellungen für die Kunsthalle Krems, die Berliner Galerie Aedes und die Designzone Looshaus.

2007 war sie die Kommissärin des österreichischen Beitrags auf der Architektur-Biennale Sao Paulo und gründete gemeinsam mit Tulga Beyerle und Thomas Geisler den Verein „Neigungsgruppe Design“ und die Vienna Design Week, die sie seit 2013 alleine leitet. Die Vienna Design Week hat sich zu einer auch international vielbeachteten Initiative entwickelt, die zuletzt bei rund 200 Veranstaltungen an die 40.000 Besucher zählte.

Vertrauen im Ministerium

Hollein hatte bereits mehrfach das Vertrauen des jeweiligen Ministers bzw. der Ministerin erhalten: Claudia Schmied ernannte sie zur Kommissärin des Österreich-Beitrags der Architektur-Biennale Sao Paulo, wo sie die junge Architektengruppe „feld72“ präsentierte. 2017 wurde sie Mitglied des Kuratoriums des Museums moderner Kunst Sammlung Ludwig (mumok), eine Funktion, die sie nun zurückgelegt, und Anfang 2020 Kuratoriumsvorsitzende des MAK.

Im Jänner legte sie diese Funktion zurück. Dem „Standard“ sagte sie im Februar, mögliche Interessenkonflikte im Zusammenhang mit einer für 2022 geplanten großen Hans-Hollein-Ausstellung seien der Grund dafür. Die Republik Österreich hatte 2016 unter Kulturminister Josef Ostermayer einen Teil des Hollein-Nachlasses für das MAK angekauft.

Museum und Labor

„Das MAK ist ein Museum und Labor für angewandte Kunst an der Schnittstelle zu Design, Architektur und Gegenwartskunst. Seine Kernkompetenz besteht in der zeitgenössischen Auseinandersetzung mit diesen Bereichen, um auf Basis der Tradition des Hauses neue Perspektiven zu schaffen und Grenzbereiche auszuloten“, heißt es im Mission-Statement des Hauses

Direktor Peter Noever (amtierte 1986–2011) verpasste dem Haus das werbeträchtige Kürzel MAK und trieb seine Internationalisierung, seine Vernetzung mit der zeitgenössischen Kunstszene, aber auch seine Ausweitung energisch voran. 1994 wurde der Gefechtsturm Arenbergpark zur Außenstelle des MAK, 1995 wurden das Schindler House und die Mackey Apartments in Los Angeles in die Programme einbezogen. Seit 2006 wird das Geburtshaus Josef Hoffmanns in Brtnice von der Mährischen Galerie in Brno und vom MAK als gemeinsame Expositur geführt. Auch das Wiener Geymüllerschlössel wird als Expositur geführt und soll am 8. Mai mit einer neuen Dauerpräsentation wieder aufsperren.

Zukunftsthemen wie Umwelt

Noevers Nachfolger Thun-Hohenstein (interimistisch übernahm Martina Kandeler-Fritsch nach Noevers Rücktritt die Geschäftsführung) setzte ganz auf die Themen Umwelt, Nachhaltigkeit und „positiven Wandel“. Die großen gesellschaftlichen Zukunftsthemen müssten sich auch im Museumsprogramm niederschlagen, lautete sein Credo. In der Folge wurde 2015 die „Vienna Biennale“ (seit 2019: „Vienna Biennale for Change“) gegründet. Heuer soll der multidisziplinäre Veranstaltungsreigen unter dem Motto „Planet Love“ stattfinden. Zuletzt hoffte man, das reguläre Startdatum Ende Mai halten zu können.

„Das MAK ist ein Museum für Kunst und Alltag. Im Einklang mit einem zeitgemäßen Verständnis angewandter Kunst will es auch konkreten Nutzen für den Alltag erbringen. Das MAK thematisiert unsere Zukunft, indem es gesellschaftspolitisch relevante Fragestellungen mit Perspektiven und Ansätzen der Gegenwartskunst, der angewandten Kunst, des Designs und der Architektur konfrontiert und als treibende Kraft für einen positiven Wandel unserer Gesellschaft vor allem in sozialer, ökologischer und kultureller Hinsicht eintritt“, heißt es programmatisch.

Digitale Sammlungsdatenbank

Die aktuelle MAK-Schausammlung umfasst die Bereiche „Wien 1900“, „Asien“, „Teppiche“, „Historismus Jugendstil“, „Renaissance Barock Rokoko“, „Barock Rokoko Klassizismus“, „Empire Biedermeier“. Dazu kommen der Kunstblättersaal und das MAK Design Lab sowie Säle für Wechselausstellungen. In der digitalen Sammlungsdatenbank sind Stammdaten und Bildinformationen zu 230.000 Objekten abrufbar.

Der letztgültige Kunst- und Kulturbericht 2019 weist für das MAK eine Basisabgeltung von 9,66 Mio. Euro sowie Umsatzerlöse von 4,20 Mio. Euro aus. 2019 wurden 219.873 Besucher gezählt, das beste Ergebnis der MAK-Geschichte, im arg von den CoV-Restriktionen betroffenen Jahr 2020 waren es nur 84.158 Besucher.