Ralf Herwig
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Chronik

Prozess gegen umstrittenen Urologen abberaumt

Der Urologe Ralf Herwig hätte sich am Freitag in Wien vor Gericht verantworten müssen – wegen schwerer Körperverletzung und schweren Betrugs. Die Verhandlung wurde nun aber abberaumt. Herwig ist auch in der Causa um PCR-Tests in Tirol unter Beschuss.

„Der Angeklagte hat eine offizielle Krankenbestätigung vorgelegt“, gab die Sprecherin des Wiener Landesgerichts für Strafsachen, Christina Salzborn, bekannt. Laut APA soll sich Herwig derzeit mit angeblichen Herzproblemen in einem Spital in Deutschland befinden.

Dem Vernehmen nach hatte seine Pflichtverteidigerin am Mittwoch das Gericht informell verständigt, dass der 56-Jährige krank sei. Daraufhin wollte der zuständige Richter das Befinden des Facharztes für Urologie und Andrologie von einem medizinischen Sachverständigen auf eine mögliche Verhandlungsunfähigkeit überprüfen lassen.

Polizei traf Herwig nicht an

Die Polizei, die sich an Herwigs Wohnadresse in Tirol sowie an seine Firmenanschrift begab, um den Termin zu koordinieren, traf diesen aber nicht an. Nun rätselt man in Wien, von welchem Ort aus Herwig die Interviews gegeben hat, die am Donnerstag in mehreren Medien erschienen sind.

Herwig steht im Verdacht, zwischen 2013 und 2017 fünf Männer, die sich wegen Erektionsproblemen zu ihm in Behandlung begeben hatten, „verpfuscht“ zu haben. Die Anklage wirft ihm vor, die Patienten falsch diagnostiziert und gefäßchirurgischer Eingriffe unterzogen zu haben, die weder indiziert waren noch dem Stand der Wissenschaft entsprachen.

Der Staatsanwaltschaft zufolge fügte er vier Männern, denen er ein – tatsächlich nicht vorhandenes – venöses Leck in einer Penisvene diagnostiziert hatte, eine dauerhafte erektile Dysfunktion zu. Der fünfte Patient litt nach der OP laut Anklageschrift an einer „wesentlichen Veränderung seines Penis“. Zwei Betroffene nahmen sich im Jänner 2014 bzw. im Mai 2015 das Leben.

Angeklagter weist Vorwürfe von sich

Die Staatsanwaltschaft macht auch finanzielle Motive geltend. Der Arzt, dem mittlerweile die Zulassung entzogen wurde, hatte ein Konkursverfahren hinter sich und seine Anstellungen bei mehreren Spitälern verloren. Seine private Ordination war für eine Zeit lang seine einzige Einkommensquelle. Der Arzt soll seine Patienten bewusst getäuscht haben, um sich mit deren Honorar zu bereichern. Insgesamt geht es um knapp 29.000 Euro.

Im Ermittlungsverfahren bekannte sich der 56-Jährige nicht schuldig. Er wies sämtliche Gutachten von Sachverständigen zurück. Die Gutachter hätten nicht die nötigen Sach- und Fachkenntnisse, ihre Expertisen wären weder nachvollziehbar noch schlüssig. Er hingegen habe richtige Diagnosen erstellt und in allen Fällen eine weltweit anerkannte, von ihm mitentwickelte Methode zur Behebung von Erektionsproblemen eingesetzt.

Noch kein neuer Termin

Ein neuer Termin für die abberaumte Verhandlung steht noch nicht fest. Es ist davon auszugehen, dass das Landesgericht die behaupteten gesundheitlichen Beschwerden Herwigs zeitnahe von einem ausgewiesenen gerichtlichen Sachverständigen überprüfen lassen wird.

Ungereimtheiten rund um Tiroler PCR-Tests

Herwig war zuletzt auch in einer anderen Causa unter Beschuss geraten. Seine Wiener Firma HG Pharma hatte vom Land Tirol ohne Ausschreibung den Auftrag bekommen, die PCR-Tests in dem Land durchzuführen. Als eine auffällig hohe Zahl von Fällen der Tiroler Fluchtmutation registriert wurde, tauchten Zweifel daran auf, ob die Firma die PCR-Tests möglicherweie fachlich nicht richtig analysiert hätte. Laut AGES sind mittlerweise 189 Fälle doch nicht der Mutation zuzuordnen.

Der Mediziner sprach von einer Rufmordkampagne. Es habe keine falsch positiven Tests gegeben. Unklar ist auch, wer die Test-Befunde in der Wiener Firma HG Pharma erstellt hat. Denn der Arzt, der sich mittlerweile aus dem Unternehmen zurückgezogen hat, durfte zwar ein Labor leiten, aber als Urologe ohne ärztliche Zulassung keine Befunde erstellen. Entsprechende Untersuchungen laufen.