Ausstellungsansicht BESSERE ZEITEN? Waldmüller und das Wiener Biedermeier
Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien
Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien
Kultur

Waldmüller, das Biedermeier und die Kehrseite

Metternich’sche Restauration, Stärkung des Bürgertums: Ist der Blick auf das Biedermeier wirklich ein Blick auf bessere Zeiten, auf eine heile Welt? Dieser Frage geht die neue Sonderausstellung im Oberen Belvedere „Bessere Zeiten? Waldmüller und das Wiener Biedermeier“ nach.

Erstmals seit Jahrzehnten erstreckt sich eine große Sonderausstellung im Oberen Belvedere wieder über den gesamten zweiten Stock. Viel Raum widmet Kurator Rolf H. Johannsen der Kunst in der Zeit vom Wiener Kongress 1814/15 bis zur Revolution von 1848. Nicht mehr Hof, Adel und Kirche gaben in Kunst und Kultur den Ton an, sondern das Bürgertum mit ganz eigenen Vorstellungen von Familie, Zuhause und Heimat – Vorstellungen, die zum Teil bis heute noch gültig sind. „Keine andere Epoche wird bis heute so sehr mit ‚heiler Welt‘ gleichgesetzt wie das Biedermeier: Die Bilder scheinen vor glücklichen Kindern, trauten Heimen‘ und zufriedenem Leben auf dem Lande nur so zu strotzen“, so Johannsen.

Fotostrecke mit 9 Bildern

Ferdinand Georg Waldmüller, Am Fronleichnamsmorgen, 1857
© Belvedere, Wien / Leihgabe des Vereins der Freunde der Österreichischen Galerie Belvedere
Thomas Ender, Der Großglockner mit der Pasterze, 1832
Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien
Ferdinand Georg Waldmüller, Rosenstrauß am Fenster, 1832
Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien
Ferdinand Georg Waldmüller, Der Dachstein vom Sophien-Doppelblick bei Ischl, 1835
Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien
Friedrich von Amerling, Marie Freiin Vesque von Püttlingen, 1832
© Belvedere, Wien
Ferdinand Georg Waldmüller, Der Abschied der Patin (Nach der Firmung), 1859
Belvedere, Wien, Leihgabe des Vereins der Freunde der Österreichischen Galerie Belvedere
Ferdinand Georg Waldmüller, Selbstporträt in jungen Jahren, 1828
Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien
Ausstellungsansicht BESSERE ZEITEN? Waldmüller und das Wiener Biedermeier
Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien
Ausstellungsansicht BESSERE ZEITEN? Waldmüller und das Wiener Biedermeier
Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

Doch es gab auch Schattenseiten, und die Kunst zeigte diese auch. Nur schlug sie dabei leise Töne an, verwies auf Missstände, forderte die Betrachtenden zum Mitfühlen auf, klagte jedoch nie direkt an. Sozialer Protest im heutigen Sinne sei nicht die Sache der damaligen Maler gewesen, so Johannsen zur Geisteshaltung der Zeit. Beides, die „heile Welt“ und Schattenseiten wie die zurückhaltende Darstellung sozialer Missstände, werden in der Schau „Bessere Zeiten? Waldmüller und das Wiener Biedermeier“ beleuchtet und kritisch hinterfragt.

Ein Blick hinter den schönen Schein

Dafür stellt das Belvedere einen Kernbereich seiner Sammlung ins Zentrum: Der Bestand des Museums an Werken jener Epoche, allen voran jenen von Ferdinand Georg Waldmüller, zählt zu den bedeutendsten weltweit. Aber das Publikum trifft nicht auf eine „konventionelle, chronologische Abfolge“, sondern auf „eine erzählerische Analyse der unterschiedlichen Facetten des Biedermeiers. Voraussetzung ist eine grundsätzlich neue Befragung der Bilder nach ihrer ‚Idee‘, dem was hinter dem ‚schönen Schein‘ steckt oder stecken könnte. Ziel ist es, die Bilder in die Gegenwart zu überführen und sie für ein heutiges Publikum zum Sprechen zu bringen“, so Stella Rollig, Generaldirektorin des Belvedere.

Ferdinand Georg Waldmüller, Selbstporträt in jungen Jahren, 1828
Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien
Ferdinand Georg Waldmüller, 1793 in Wien geboren, wird zu einem der angesehensten Maler Wiens, ehe es gegen Ende seines Lebens zum Eklat kommt.

Der bedeutendste Künstler der Zeit war unbestritten Ferdinand Georg Waldmüller. Neben seinen Werken sind auch welche von Friedrich von Amerling, Rosalia Amon, Carl Blechen, Josef Danhauser, Thomas Ender, Peter Fendi, Caspar David Friedrich, Pauline Koudelka-Schmerling, Carl Schindler, Franz Steinfeld, Adalbert Stifter und zahlreichen anderen Künstlerinnen und Künstlern zu sehen. Insgesamt 107 Bilder machen Einblicke für Besucherinnen und Besucher möglich. Die klassische Historienmalerei war vorbei, statt Herrscher hoch zu Ross dominierten dramatische oder anrührende Szenen des Alltags die Leinwand. Ziel dabei war es, die Gefühle der Betrachtenden anzusprechen.

Porträt, Landschaft und Genre

Zentrale Themen der Biedermeiermalerei waren Porträt, Landschaft und das Genre, also Darstellungen vermeintlich alltäglicher Szenen. Erstmals etwa wurde Liebe etwa unter Eheleuten oder zwischen Eltern und Kindern nicht versteckt, sondern gezeigt und dargestellt: das private Glück im trauten Heim, das mit prächtigen Blumenbildern geschmückt werden konnte. An keinem anderen Ort erreichte die Blumenmalerei eine derartige Vielfalt und Bedeutung wie im Wien der Biedermeierzeit. Erstmals nahmen in diesem Genre Künstlerinnen in der Wiener Malerei eine bedeutende Rolle ein.

Das Bürgertum erlangte allen politischen Restriktionen zum Trotz ein bis dahin ungekanntes Selbstbewusstsein. In keiner Gattung der Malerei kommt dies mehr zum Ausdruck als im Porträt. Es galt, das neue Ansehen und den gesellschaftlichen Status neben der Individualität der dargestellten Person zu zeigen. Das „Leben auf dem Lande“ rückte in den Fokus der Künstler. Das Landleben wurde verklärt, mit Menschen, deren Leben von der Taufe bis zum Tod in festen, vorbestimmten Bahnen verlief. Es sind Bilder, die Gefühle wie Geborgenheit und Aufgehobensein – mit einem Wort Heimat – vermitteln.

Ausstellungshinweis

Bessere Zeiten? Waldmüller und das Wiener Biedermeier, von 12. Mai 2021 bis 27. Februar 2022, Oberes Belvedere, Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr.

Auch die Landschaftsmalerei – der „Blick in die Ferne“ – erlebte im 19. Jahrhundert einen bis dahin ungekannten Aufschwung, nicht nur in Wien und Österreich, sondern in ganz Europa. Ungebrochen war die Sehnsucht nach Italien. Doch auch der Norden wurde entdeckt. Caspar David Friedrich malte die Ostsee und das Elbsandsteingebirge. Anders als seinen Berliner Künstlerkollegen Carl Blechen zog es Friedrich nicht in den Süden, wo mit Joseph Rebell, Blechen und Rudolf von Alt Klassizismus, Berliner Romantik und Wiener Biedermeier aufeinandertrafen.