Die Bau-Branche kämpft mit Engpässen bei Materiallieferungen und steigenden Kosten. Im Bild: Baumaterial auf einer Baustelle in Salzburg am Montag, 10. Mai 2021.
APA/BARBARA GINDL
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Wirtschaft

Materialmangel: Baustellen stehen teils still

Wiens Baustellen stehen derzeit teils still – denn es fehlt an Baustoffen wie Holz, Baustahl und Dämmmaterial. Sie sind derzeit extrem teuer oder gar nicht zu bekommen. Grund dafür ist eine Mischung aus der Coronavirus-Pandemie und Veränderungen auf dem Weltmarkt.

„Ich bin derzeit die halbe Woche damit beschäftigt, Material zu bekommen. Und so geht es allen in der Branche“, sagt Stephan Fuchs, Geschäftsführer von Zehetner Baustoffhandel, im Interview mit Radio Wien. Eine Situation wie diese habe es in den vergangenen 50 Jahren nicht gegeben. Es fehle vor allem an Eisen – etwa Baustahl –, Holz von Bauholz bis Parkettboden, Elektroverrohrungen und Kanalrohren sowie Dämmstoffen. Begonnen hat das laut Fuchs Ende des vergangenen Jahres, seit Jänner spitzt sich die Lage zu. Einiges ist derzeit gar nicht mehr zu bekommen.

Verzögerungen bis zu acht Wochen

Die Landesinnung Bau der Wiener Wirtschaftskammer bestätigt das: „Es gibt aktuell tatsächlich Engpässe“, heißt es gegenüber Radio Wien. Das hat bereits Folgen: Einige Baustellen können derzeit nicht in der geplanten Geschwindigkeit abgewickelt werden. Betroffen sind alle Baufirmen, laut Wirtschaftskammer vor allem kleine Betriebe, die über weniger Lagerfläche verfügen. „Bauzeitverzögerungen sind bereits zu beobachten“, so die Innung. Fuchs, dessen Familie auch ein Bauunternehmen mit 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besitzt, spricht von Verzögerungen von bis zu acht Wochen.

Zusätzlich sind die Unternehmen mit großen Preissteigerungen konfrontiert: Bei Holz sind es laut Fuchs bis zu 140 Prozent, bei Stahl sogar bis zu 160 Prozent im Vergleich zum Frühjahr des Vorjahres. „Das bringt Firmen in die unangenehme Situation, Preissteigerungen gegenüber den Bauherren rechtfertigen zu müssen“, schildert er.

Die Bau-Branche kämpft mit Engpässen bei Materiallieferungen und steigenden Kosten. Im Bild: Baumaterial auf einer Baustelle in Salzburg am Montag, 10. Mai 2021.
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Baustahl wird derzeit vor allem in China gebraucht

Wienerinnen und Wiener bauen mehr

Die Gründe für die Engpässe sind vielfältig, lassen sich aber zu einem Großteil auf die Coronavirus-Pandemie zurückführen. „Aktuell erkennen wir in Wien eine erhöhte Bauleistung und dadurch einen größeren Materialbedarf. Auch aufgrund von vermehrten Sanierungen des Eigenheims“, heißt es von der Innung. Denn viele Wienerinnen und Wiener nutzen die Pandemie, um Bau- und Sanierungsprojekte anzugehen. Gleichzeitig steigt der Wunsch nach (Veranlagungs-)Sicherheit, die ein Eigenheim bieten kann.

Zusätzlich sorgt die Pandemie immer wieder für Verzögerungen auf den Transportwegen, es kommt zu Lücken in den Lieferketten. Der Zwischenfall mit einem Containerschiff, das den Sueskanal blockiert hatte, sorgte für zusätzliche Probleme. Aber nicht immer gibt es überhaupt etwas zu liefern. Fuchs erklärt das Problem anhand des Baustahls: Früher sei dieser vor allem aus China gekommen. Heute baut die chinesische Industrie selbst so viel, dass das Land vom Exporteur zum Importeur geworden ist – für Europa, das noch mit dem Coronavirus kämpft, bleibt nichts über.

Dämmmaterialien stark betroffen

Auch Dämmmaterialien sind von den Engpässen betroffen. „Teils gibt es bereits Bestellstopps“, sagt Fuchs. Kaum ein Unternehmen hat genügend Mengen auf Lager, der Trend in den vergangenen Jahren ging eher in die Richtung, nur tatsächlich Benötigtes zu kaufen. Teilweise sei „just in time“ produziert worden, so die Wirtschaftskammer, „und die erhöhte Nachfrage verursacht somit mehr Mangel“. Auch Holz fehle aufgrund starker internationaler Nachfrage.

Zu Beginn der Coronavirus-Krise habe die Bauwirtschaft profitiert, jetzt gerate sie in die Krise, so Fuchs. Er vermutet, dass auch große Projekte wie Wohnbauten in Wien von den Verzögerungen betroffen sein könnten. Je länger die Situation andauere, desto schwieriger werde es. Und: „Es ist noch keine Besserung in Sicht.“ Nur bei den privaten Bauherren merke er es schon: „Da überlegen jetzt viele, ihre Projekte doch noch ein bisschen hinauszuschieben.“ Sie wollen warten, bis sich die Lage wieder normalisiert hat.