Cronik

Neuer Betrugsverdacht gegen verurteilten Arzt

Ein Arzt soll in großem Stil die Sozialversicherung betrogen haben, indem er über eine Homepage Schwerkranke für Behandlungen nach Österreich brachte. Nach einem nicht rechtskräftigen Urteil diese Woche ermittelt die Polizei nun weiter wegen des Verdachts des Investmentbetrugs.

Bei dem Hauptbeschuldigten handelt es sich um einen russisch-armenischen Arzt, der vor wenigen Tagen am Wiener Landesgericht zu viereinhalb Jahren verurteilt wurde. Sein Komplize bekam drei Jahre unbedingt. Das Urteil wegen gewerbsmäßigen schweren Betrugs vom vergangenen Dienstag ist noch nicht rechtskräftig, der Arzt legte laut Landesgericht Rechtsmittel ein, worauf die Staatsanwaltschaft Strafberufung anmeldete. Die Polizei gab am Freitag weitere Ermittlungen gegen die beiden Männer bekannt.

Neuer Verdacht des Investmentbetrugs

Nun offenbarten sich weitere Ermittlungen gegen den Mediziner: Gegen den Hauptverdächtigen wird vonseiten der Abteilung für Fremdenpolizei und Anhaltevollzug (AFA) nun auch wegen des Verdachts des Darlehens- und Investmentbetrugs mit einer Schadenshöhe von einer Million Euro ermittelt, bestätigte die Polizei am Freitag. Die Behörde hat den Mann seit September 2019 im Visier.

Er soll mehreren Personen insgesamt rund eine Million Euro herausgelockt haben, indem er den Geschädigten weis machte, das Geld in eine Produktion von Sojakaviar sowie in die Erforschung eines von ihm entdeckten Krebsmittels zu stecken. In Wahrheit seien die Gelder seinem Sohn und seiner Ex-Frau zugutegekommen, so der Verdacht.

Schwerkranke aus ehemaliger Sowjetunion geholt

Im Februar hatte zunächst der Prozess gegen den 66-jährigen Mediziner und Wissenschaftler und seinem österreichischen Komplizen (55) begonnen, nachdem sie im Juli 2020 festgenommen wurden. Laut Staatsanwaltschaft haben es die Männer verstanden, ein System zu entwickeln, mit dem sich mehr als 100 Schwerkranke aus der ehemaligen Sowjetunion in Österreich auf Kosten des Steuerzahlers behandeln lassen konnten.

Demnach ließ der Arzt den Mitangeklagten etliche Kommanditgesellschaften gründen. Die Kranken wurden als Kommanditisten eingetragen, wobei laut Anklage fälschlicherweise vorgegeben wurde, sie würden für die Gesellschaften Tätigkeiten verrichten. Mit dieser Begründung ließ sich eine Versicherung im österreichischen Sozialversicherungssystem erwirken, wobei in etlichen Fällen Kinder mitversichert wurden, die einer medizinischen Behandlung bedurften, weil sie zum Beispiel an Krebs erkrankt waren.

Gesamtschaden von 2,3 Mio. Euro

Die Versicherten hätten in Wahrheit nie eine berufliche Tätigkeit für die Gesellschaften entfaltet: „Der einzige Zweck war, dass sie bzw. ihre Kinder in Österreich eine Behandlung bekommen“, sagte der Staatsanwalt beim Prozessauftakt im Februar. Der armenischstämmige Arzt habe das Ganze auch auf einer eigens eingerichteten Homepage beworben, den Krankentransport und die Behandlungen organisiert und als Dolmetscher fungiert. Dabei entstand ein Gesamtschaden von 2,3 Mio. Euro, der Tatzeitraum umfasste die Jahre 2012 bis 2020.

Der 66-Jährige wies die gegen ihn gerichteten Vorwürfe vor Gericht vehement zurück. Er sei „bekannter Arzt und Professor“, habe sich ein Vierteljahrhundert seiner Ausbildung gewidmet und bisher 3.000 Operationen durchgeführt. Dabei sei er „eher Wissenschaftler. Ich beschäftige mich mit Impfungen gegen Krebs und gegen Viren“, so der Angeklagte. So sei er in die Entwicklung einer Vorstufe des russischen Anti-CoV-Impfstoffs Sputnik V eingebunden gewesen, behauptete er vor Gericht.

Falsche Visitkarte als AKH-Arzt

Bei einer Hausdurchsuchung an der Wiener Adresse des 66-Jährigen konnte eine Visitkarte sichergestellt werden, die ihn als einen am Wiener AKH tätigen Arzt auswies. Dort kannte man ihn allerdings nur als Kollegen von außerhalb, der immer wieder beharrlich eigene Patienten unterzubringen versuchte. „Die Ärzte waren zum Teil erbost über sein Verhalten. Manchmal wurde er rausgeschmissen, weil er so lästig war“, verriet der Staatsanwalt.

Dass die Sache auf Betrug angelegt war, war der Anklagebehörde zufolge auch daran zu ersehen, dass die versicherten Personen mit Touristenvisa aus Russland anreisten und sich gar nicht um einen berufsbedingten Aufenthaltstitel bemühten. Dauerten die Behandlungen dann länger als erwartet, wurde mitunter humanitäres Bleiberecht beantragt.

Sehr teure Krebstherapien

Die Sozialversicherung übernahm die Kosten für sehr teure Krebstherapien, die sich in Einzelfällen mit mehr als 100.000 Euro zu Buche schlugen. Auch kostspielige Krebsmedikamente wurden bezahlt, „wobei der Verdacht besteht, dass diese auch nach Russland verschickt wurden“, wie der Staatsanwalt ausführte.