Übersicht auf eine Straßenecke im sogenannten „Bermudadreieck“, dem Lokal- und Szeneviertel im 1. Wiener Gemeindebezirk nach der Lockdown-Öffnung
APA/GEORG HOCHMUTH
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Coronavirus

CoV: Zu früh für Sorglosigkeit in Pandemie

Im Gasthaus sitzen oder im Fitnessstudio schwitzen: Seit genau zwei Wochen und trotz Pandemie ist das unter strengen Auflagen wieder möglich. Doch Experten warnen davor, zu sorglos zu werden. Sicher würden wieder Cluster aufbrechen, auf die man rasch reagieren müsse.

Seit Montag sind in Wien 44 Corona-Infektionen gemeldet worden. Der Trend geht aktuell weiter nach unten. Zum Zeitpunkt der Öffnung vor zwei Wochen am 19. Mai waren es noch 190 registrierte Neuinfektionen. Auch die Situation in den Wiener Spitälern entspannt sich langsam weiter. Während am Tag der Lockerungen noch 157 Menschen mit dem Virus in einem Krankenhaus behandelt werden mussten, sind es am Dienstag knapp über 100. Und auch die Zahl der Patientinnen und Patienten auf Intensivstationen ist weiter rückläufig. 32 sind es aktuell, vor zwei Wochen waren es fast drei Mal so viele.

Eine wichtige Maßzahl der Pandemie war und ist stets die 7-Tage-Inzidenz, also wie viele infizierte Menschen auf 100.000 Menschen kommen. Am 19. Mai lag diese Zahl bei 53, aktuell liegt sie bei 31,6.

Aktuell handelt es sich in Wien bei so gut wie allen Fällen um die in Großbritannien entdeckte Mutation B.1.1.7. Vereinzelt werden auch andere entdeckt, von der hochansteckenden Mutante, die erstmals in Indien gefunden wurde, gibt es in Wien derzeit keine aktiven Fälle. Unterdessen kommen täglich immer mehr Geimpfte dazu. Allerdings werden bis Ende Juni nicht – wie von Bundeskanzler Kurz versprochen – alle geimpft werden können, die es auch wollen. Das gehe sich mit den zugesagten Liefermengen nicht aus, hieß es bei der Stadt.

Zwei Wochen nach Öffnung: Sinkende Cov-Zahlen

Gastronomie und auch Fitness-Center haben seit zwei Wochen wieder geöffnet. Die Corona-Zahlen sinken aber trotzdem. Die Details.

Klare Konzepte für Juli und August gefordert

Für den Simulationsexperten Niki Popper von der TU Wien ist das eher eine politische Diskussion: „Das, was wir im Modell sehen, wenn wir die Lieferungen bekommen, die im Juni geplant sind, dann kann sich das knapp bis zum Juni ausgehen, dass wir die angestrebten Werte erreichen. Da müssten wir aber mit dem Impftempo zulegen und das ist nicht ganz einfach für die zuständigen Einrichtungen und die Menschen, die da dran sind.“

Die, die eine Impfung wollen, aber noch immer nicht drankommen, können hoffen. Im Modell sei zu sehen, dass sich das sehr rasch ändern werde. Die Sorge sei eher auf Juli und August gerichtet, „dass wir da die Impfzahlen hoch halten können, dass wir wirklich mit dem Durchimpfen weiter machen können, denn das wird im Herbst spielentscheidend sein“. Wichtig sei, dass im Juli und August konsequent weitergeimpft werde.

Und es brauche auch Konzepte, so Popper. Die Verantwortlichen müssten jetzt sagen, „wie wir mit den Schulkindern umgehen, mit den elf- bis 15-Jährigen. Wir brauchen klare Konzepte für Juli und August, um im September aufzusperren. Ich glaube, dann können wir die Situation gut im Griff behalten.“ Popper warnte im Wien-heute-Gespräch vor Sorglosigkeit. Testen und Screenen sei weiter wichtig, genauso wie gute Isolation, wo Fälle auftreten, konsequentes Weiterimpfen und auch Hygienemaßnahmen aufrechtzuerhalten. Das vor allem dort, wo sie angezeigt seien. Popper: "Hände waaschen ist immer noch eine gute Option.

Simulationsexperte Niki Popper im „Wien heute“-Studiogespräch

Kurve wird flacher, Eintritt in stabile Phase

Das Modell zeige jetzt schon, dass eine Abflachung der Infektionskurve eintritt. Popper erwartet den Eintritt in eine stabile Situation. Die Ursachen dafür seien die Öffnungen und das nicht so stabile Wetter. „Und wir werden jetzt wieder beginnen, einzelne Cluster zu sehen. Es wird jetzt einzelne Ausbrüche geben in Gegenden, wo viele Menschen noch nicht immunisiert sind. Da bilden sich so Inseln, das ist kein Grund, um Panik zu bekommen oder verunsichert zu sein.“ Wichtig sei, dass man lokal reinschaue und sich darum kümmere, dass sich das Virus nicht weiter ausbreite.

Sorgen oder Ängste vor einer Welle mit mutierten Viren seien nicht notwendig, betonte Popper. Die Menschen müssten aber vorsichtig sein. „Wir müssen in die Gebiete hineinschauen, wo Menschen noch nicht geimpft sind, also etwa in Schulen und Kindergärten. Und wir müssen schauen, dort, wo es möglicherweise Eintrag geben kann, zum Beispiel von Reisenden. Da muss man einfach ganz genau schauen, schnell reagieren und das dann wieder eingrenzen.“ Es finde gerade ein Paradigmenwechsel statt, weg von beschränkenden Maßnahmen hin zu Monitoring und zur Prävention. Wenn das konsequent durchgezogen werde, dann könnte man mit der Sache gut umgehen.