Schilder, auf denen vor politischem Islam gewarnt wird
Falter
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Politik

Polizei entfernte Islam-„Warnschilder“

In der Nähe von islamischen Einrichtungen angebrachte „Warnschilder“ haben am Mittwoch für weitere Diskussionen um die „Islam-Landkarte“ gesorgt. Die selbst gebastelten Tafeln wurden von der Polizei zum Teil sichergestellt, die Ermittlungen übernahm der Verfassungsschutz.

Die von Unbekannten angebrachten Schilder tragen die Aufschrift „Achtung! Politischer Islam in deiner Nähe.“ und verweisen dabei auf www.islam-landkarte.at, also auf jenes vom Institut für islamisch-theologische Studien der Universität Wien ausgearbeitete und von der Dokumentationsstelle politischer Islam vergangene Woche präsentierte Projekt, über das seither diskutiert wird.

Schilder an den Verfassungsschutz übergeben

Unter anderem wurden derartige Schilder in der Leopoldstadt und in Meidling entdeckt. Fotos davon verbreiteten sich am Mittwoch schnell in den Sozialen Medien und sorgten dabei für viel Wirbel. Auch der Wochenzeitung „Falter“ wurden die Fotos geschickt.

Inzwischen hängen viele Schilder nicht mehr: Wie die Landespolizeidirektion erklärte, wurden die Schilder am Mittwoch entfernt, teils physisch sichergesellt und dem Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) übergeben, das die Ermittlungen übernahm. Laut der Tageszeitung „Heute“ kümmerte sich auch die Stadt Wien um die Entsorgung: Die MA 48, die städtische Müllabfuhr, wird die Schilder bei ihren täglichen Routinefahrten durch die Stadt mitnehmen.

Schilder, auf denen vor politischem Islam gewarnt wird
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Die Fotos wurden der Wochenzeitung „Falter“ zugespielt

„Islam-Landkarte“ sorgte für Debatten

Die sogenannte „Islam-Landkarte“, die alle über 600 islamische Organisationen in Österreich erfasst und näher beleuchtet, sorgt seit ihrer Vorstellung für Wirbel. Die Muslimische Jugend Österreich (MJÖ) etwa sieht darin eine „Grenzüberschreitung“ und will rechtlich dagegen vorgehen. Die Uni Wien untersagte die Verwendung ihres Logos. Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) wurde ebenso wie die daran beteiligten Wissenschafter Mouhanad Khorchide und der Projektleiter und Professor für islamische Religionspädagogik Ednan Aslan bedroht.

Kritik daran kam zuletzt auch vom geschäftsführenden Vorsitzenden der Kommission Weltreligionen der Österreichischen Bischofskonferenz, Markus Ladstätter. Zuvor hatten sich schon Grüne, NEOS und SPÖ sowie der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka und ein Beauftragter des Europarats kritisch geäußert. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wiederum hatte sich hinter die Karte gestellt, die FPÖ sah sich in ihren Warnungen zur Migration aus muslimischen Ländern bestätigt.

Polizei entfernte Islam-„Warnschilder“

In der Nähe von islamischen Einrichtungen angebrachte „Warnschilder“ haben am Mittwoch für weitere Diskussionen um die „Islam-Landkarte“ gesorgt. Die selbst gebastelten Tafeln wurden von der Polizei zum Teil sichergestellt, die Ermittlungen übernahm der Verfassungsschutz.

Ministerin Raab verurteilte Aktion

Integrationsministerin Raab verurteilte die Aktion: „Dass der legitime Kampf gegen den Politischen Islam von extremistischen Gruppierungen missbraucht wird, ist völlig inakzeptabel und klar zu verurteilen.“ Weder lasse man zu, dass rechtsextreme Gruppierungen den Kampf gegen den Islamismus missbrauchen, um ihr extremistisches Gedankengut zu befeuern, noch lasse man sich durch Drohungen von islamistischer Seite vom Weg abbringen, so Raab: „Wir müssen als Gesellschaft weiterhin gegen den Extremismus von allen Seiten konsequent vorgehen.“ Auch die Dokumentationsstelle Politischer Islam distanzierte sich dezidiert von der Vereinnahmung durch rechtsextreme Akteure.

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) übte am Mittwoch ebenfalls harsche Kritik an den Schildern: „Ich verurteilte auf Schärfste Aktionen dieser rechtsextremen Kreise, die sich zum Ziel setzen, Menschen zu stigmatisieren“, sagte er in einer Pressekonferenz. Was er mindestens so ernst nehme, sei jedoch das, was im „politischen Vorfeld“ geschehen sei. Er habe gewarnt, dass keine Schritte gesetzt werden sollten, die Personengruppen in einer Großstadt wie Wien auseinanderdividieren würden. Er kritisiere politische Entscheidungen, „die solche radikalen Maßnahmen unterstützen“. Er lehne jedoch auch Drohungen gegen politisch Verantwortliche ab, fügte er hinzu.

Kritik von SPÖ, NEOS und SOS Mitmensch

Auch SPÖ-Integrationssprecherin Nurten Yilmaz zeigte sich „entsetzt“ und fordert Konsequenzen. Derartige Schilder erinnerten an die „dunkelste Zeit unserer Geschichte“. Die Islamlandkarte schürt Hass und spaltet unsere Gesellschaft, daher müsse sie wieder vom Netz genommen werden. Auch SOS Mitmensch verurteilte die „mutmaßlich rechtsextreme Schilderaktion“.

Integrationsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) zeigt sich besorgt: „Ich appelliere an Ministerin Raab, die Landkarte umgehend zu entfernen, sich zu distanzieren und zu entschuldigen. Es kann nicht sein, dass hier Vereine willkürlich und ohne Evidenz und damit ihre Mitglieder quasi zum Freiwild von rechtsextremen Aktivisten werden." Die Bewertung von Vereinen sei Aufgabe von Justiz und Exekutive sowie des Verfassungsschutzes und „nicht eines Uni-Instituts im Auftrag einer Integrationsministerin“, so Wiederkehr.

IGGÖ sieht „akute Gefahr“ für muslimische Einrichtungen

Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) sah sich am Mittwoch in ihrer Kritik bestärkt. „Muslimische Einrichtungen befinden sich aufgrund der pauschalen Verurteilung und dem Schüren von Misstrauen in akuter Gefahr“, so IGGÖ-Präsident Vural, der hinter der Aktion rechtsextreme Gruppierungen als Urheber ortet. Vural forderte die politischen Verantwortungsträger auf, diesem „unwürdigen Kapitel der Islampolitik“ unverzüglich ein Ende zu setzen. Die „Islam-Landkarte“ schaffe keine Transparenz, sondern schüre Hass. Man habe Kontakt mit den Sicherheitsbehörden aufgenommen und um Schutz der Einrichtungen angesucht, so Vural.

In einem offenen Brief der Kultusgemeinden der IGGÖ wird Raab dann aufgefordert, unverzüglich die Offline-Stellung der „Islamlandkarte“ zu veranlassen. Die von der Ministerin geführte öffentliche Debatte stilisiere den Islam und die österreichische Gesellschaft zu Gegenpolen und stigmatisiere pauschal alle Muslime und ihre Einrichtungen als potenzielle Gefahr für die Gesellschaft und demokratische Rechtsordnung. Die veröffentlichte „Islamlandkarte“ nähre diese Verdachtskultur und schüre Misstrauen und Angst, statt für Transparenz und Aufklärung zu sorgen.

Wiener ÖVP verteidigt Landkarte

Die Wiener ÖVP versicherte, dass das Ziel der Landkarte die „Transparenz und Sichtbarmachung von islamischen Netzwerken und Vereinskonstruktionen“ sei. Diese würden oftmals gerade in Wien „undurchsichtig“ agieren, beklagte Wiens VP-Klubchef Markus Wölbitsch in einer Pressekonferenz. Die ÖVP stelle sich gegen jede Art des Extremismus – „egal ob von links, von rechts oder über den politischen Islam“. Die SPÖ sei hier leider „auf einem Auge blind“. Gefordert wurde heute unter anderem die Aufnahme eines Experten in Sachen politischer Islam in das neue Integrations-Beratungsgremium der Stadtregierung. Zudem sollten alle Förderungen der Stadt anhand der Landkarte durchleuchtet werden, verlangt die Volkspartei.