Am Wiener Landesgericht muss sich eine 28-Jährige wegen Mordes verantworten. Die Angeklagte soll im November 2020 in einem Abbruchhaus in Meidling einen 36-Jährigen erstochen haben.
ORF
ORF
Chronik

Mord durch Messerstich: 18 Jahre Haft

Eine 27-jährige Frau ist am Landesgericht zu 18 Jahren Haft wegen Mordes verurteilt worden. Die Angeklagte soll im November 2020 in einem Abbruchhaus in Meidling einen 36-Jährigen erstochen haben.

Die Frau wird wegen einer Persönlichkeitsstörung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Das Urteil der Geschworenen erfolgte einstimmig nach nur zwei Stunden und ist nicht rechtskräftig. Beide Parteien gaben keine Erklärung ab. Die Geschworenen haben der Abgeklagten keinen Glauben geschenkt, dass sie in Notwehr zustochen hat, wie sie behauptete. Die 27-Jährige brach bei der Urteilsverkündung in Tränen aus.

Am Wiener Landesgericht muss sich eine 28-Jährige wegen Mordes verantworten. Die Angeklagte soll im November 2020 in einem Abbruchhaus in Meidling einen 36-Jährigen erstochen haben.
ORF
Die Angeklagte im Gerichtssaal

Lose Freundschaft in Obdachloseneinrichtungen

Die Angeklagte und das Opfer kannten sich seit Juni 2020. Sie verband eine lose Freundschaft, die beiden trafen einander immer wieder in diversen Obdachloseneinrichtungen. Man habe bei schönem Wetter draußen gesessen und gegessen. „Ich hab’ ihn schon gern gehabt“, sagte die Angeklagte über den 36-jährigen Tschechen. Am 18. November lief ihr der Mann wieder über den Weg.

Die beiden beschlossen, in ein Abbruchhaus in der Sechtergasse zu gehen, das von Wohnungslosen genutzt wurde. Nachdem sie zwei Flaschen Wein und drei Äpfel gekauft hatten, begaben sie sich in das leer stehende Gebäude. „Aber Sie haben ja auch ein Messer mitgehabt“, sagte die Richterin. „Das haben wir gemeinsam gekauft, um die Äpfel zu schälen“, so die Beschuldigte, die an diesem Tag bereits eine Flasche Vodka getrunken und zwei Tabletten des Angstlösers Praxiten eingenommen hatte.

28-Jährige wegen Mordes vor Gericht

Am Landesgericht muss sich heute eine 28-Jährige wegen Mordes verantworten. Die Angeklagte soll im November 2020 in einem Abbruchhaus in Meidling einen 36-Jährigen erstochen haben. Die Frau will aber in Notwehr gehandelt haben.

„Mit voller Wucht zugestochen“

Im Abbruchhaus angekommen, legten sich die beiden auf eine Matratze, um einvernehmlich Sex zu haben. Obwohl die Frau über den 36-Jährigen gebeugt war, „hatte ich Todesangst“, sagte die Frau. Es sei eine aggressive Stimmung gewesen. „Aber wovor hatten Sie Todesangst, sie sitzen ja auf ihm drauf?“, fragte die Richterin. Die Beschuldigte: „Er hat die Augen so aufgerissen.“ Der Mann habe sie an der Schulter packen und wegstoßen wollen. Seine Hände habe er in ihre Richtung ausgestreckt. „Hat er Sie angegriffen?“, fragte die Richterin. „Nein, er war kurz davor.“ Sie habe reflexartig „mit voller Wucht zugestochen“, das Messer war im Rucksack, der neben ihr stand. „Ich glaube nicht, dass ich anders hätte handeln können“, rechtfertige sie ihre Verantwortung der Notwehr.

Danach flüchtete sie hastig aus dem Haus. Auf dem Parkplatz dachte sie noch: „Beruhig dich, du hast etwas Schlimmes getan. Hol die Rettung“, erzählte sie vor Gericht. „Ich hab’ mich geekelt vor mir selbst.“ Hilfe holte sie allerdings nicht. Der 36-Jährige, der sich noch schwer verletzt verletzt vom ersten Stock zum Eingang schleppte, wurde von einem Mann dort entdeckt, der die Rettung verständigte. Obwohl ein Notarzt an Ort und Stelle den Brustkorb des Verletzten öffnete und den Stich ins Herz noch zunähte, starb der gebürtige Tscheche am Weg ins Spital. Drei Tage später wurde die 27-Jährige wegen Mordverdachts festgenommen.

Frau sprach zunächst von Vergewaltigung

In den ersten Einvernahmen behauptete die Angeklagte, sie habe zugestochen, um sich gegen einen Vergewaltigungsversuch zur Wehr zu setzen. Die Staatsanwaltschaft wertet diese Angaben als Schutzbehauptung. Weder an der Leiche noch am Tatort fanden sich Spuren, die auf einen sexuellen Übergriff hingedeutet hätten. Abgesehen davon lehnte die 27-Jährige eine gynäkologische Untersuchung und auch weitere Beweisaufnahmen ab, die ihre Version hätten stützen können. Vor Gericht sprach sie noch von einem bevorstehenden Angriff.

Das Opfer wurde allerdings in seinem Bekanntenkreis als „sehr gutgläubig und sehr gutmütig“ beschrieben, schilderte der Staatsanwalt. Abwehrverletzung wurden bei der Leiche laut medizinischem Gutachter Daniele Risser nicht gefunden.

Die psychiatrische Gutachterin Gabriele Wörgötter habe bei der Angeklagten eine kombinierte Persönlichkeitsstörung festgestellt, sie sei zudem schwer drogenabhängig, griff der Staatsanwalt in seinem Eröffnungsplädoyer vor. Dadurch habe sie u.a. eine verminderte Impulskontrolle und eine stark eingeschränkte Empathiefähigkeit. Zum Tatzeitpunkt war sie zurechnungsfähig. Aber unter Einfluss der Krankheit werde sie mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder solche Taten begehen, zitierte der Ankläger die Gutachterin.

Gutachterin: Zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig

Die psychiatrische Gutachterin Gabriele Wörgötter stellte bei der Angeklagten eine schwere psychische Erkrankung, eine kombinierte Persönlichkeitsstörung in Kombination mit Drogenmissbrauch, fest. Die 27-Jährige sei vor zehn Jahren in die Drogenszene abgelitten und habe an Suchtgift „alles“ konsumiert und das „im beträchtlichen Ausmaß“.

Dadurch habe sie u.a. eine verminderte Impulskontrolle und eine stark eingeschränkte Empathiefähigkeit. Zum Tatzeitpunkt war sie zurechnungsfähig, so Wörgötter. Aber unter Einfluss der Krankheit werde sie mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder solche Taten begehen, erklärte die Gutachterin. Die Voraussetzung für eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher (Paragraf 21 Absatz 2 StGB) sei für Wörgötter erfüllt.