Volkstheaterdirektor Kay Voges
APA/Hans Punz
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Kultur

Volkstheater mit „absolutem Neustart“

Zwölf Uraufführungen und elf Wien-Premieren stehen im Volkstheater in der Spielzeit 2021/22 auf dem Programm. Direktor Kay Voges sprach bei der Präsentation wegen CoV und Umbau von einem „absoluten Neustart“.

Voges eröffnete die Präsentation mit einem Stoßseufzer: „Das war ein wirklich anstrengendes Jahr. Es war Umbau, und es ist Covid. Wir haben geprobt, waren startbereit und konnten leider im Jänner doch nicht starten.“ Der Termin der Pressekonferenz sei für ihn ein besonderer: „Gestern vor einem Jahr war meine letzte Vorstellung in Dortmund, gestern vor zwei Jahren hatte ich hier in Wien meine erste Pressekonferenz.“

Cay Urbanek, kaufm. Geschäftsführer des Volkstheaters und Volkstheaterdirektor Kay Voges bei der Präsentation des – Volkstheater Spielplanes 2021/2022
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Derzeit sind im Volkstheater die Wiener Festwochen eingemietet, so der kaufmännische Direktor Cay Stefan Urbanek (links) und Direktor Kay Voges

„Zermürbende Zeit“ bis zum „House Warming“

Das neue Ensemble zusammenzustellen sei nicht einfach gewesen („In Baustellenzeiten mit Masken und Abstandregelungen sind vertrauensbildende Maßnahmen schwierig.“), aber auch die Zeit danach: „Wenn man die Koffer packt und nach Wien zieht, macht man das, um hier Theater zu machen.“ Immerhin sei die Audio-Tour „Black Box“ „eine Produktion, die extrem erfolgreich gelaufen ist“, doch insgesamt sei die Zeit bis zum Start des „House Warming“ am 26. Mai „wirklich zermürbend“ gewesen.

Nun hat man das Haus schon wieder geschlossen. Vorgezogene Urlaube, Wartungsarbeiten und Einmietungen von Wiener Festwochen und ImPulsTanz Festival seien der Grund, erläuterten Voges und sein kaufmännischer Direktor Cay Stefan Urbanek. „Das tut mir extrem leid. Das ist zum Kotzen“, meinte Voges zu dem Umstand, dass man während des Umbaus des Burgtheaters die Chance verstreichen lassen müsse, sich an der zweitgrößten Sprechtheaterbühne der Stadt kraftvoll vorzustellen. Es habe sehr wohl Gespräche über die Einmietungs-Termine gegeben, doch „langfristige Partner wollten wir nicht vor den Kopf stoßen“, sagte Urbanek.

Volkstheater mit „absolutem Neustart“

Zwölf Uraufführungen und elf Wien-Premieren stehen im Volkstheater in der Spielzeit 2021/22 auf dem Programm. Direktor Kay Voges sprach bei der Präsentation wegen CoV und Umbau von einem „absoluten Neustart“.

Start mit Erstaufführung von „Die Politiker“

Am 3. September soll es aber endgültig losgehen, mit der österreichischen Erstaufführung von „Die Politiker“ von Wolfram Lotz, 2019 am Deutschen Theater Berlin uraufgeführt. „Das ist ein Gegenwartstext, der auch noch in zehn Jahren übriggeblieben sein wird, ein starkes Stück Dramatik, in dem sich 13 SchauspielerInnen des neuen Ensembles auf einen Trip über die Sprachkunst des Wolfram Lotz begeben“, sagte Kay Voges, der die Saisoneröffnung selbst inszenieren wird.

Danach soll „ein Premierenreigen“ alle sieben bis zehn Tage eine neue Premiere bringen (die genauen Termine für September und Oktober will man erst Mitte August veröffentlichen). Von zwölf für das Haupthaus angekündigten großen Produktionen seien sechs aus den Planungen und Proben für diese Saison übernommen und sechs komplett neu, hieß es.

Programm mit Tanz, Performances, Virtual Reality

Wie bereits bekannt, wird mit Regisseurin Susanne Kennedy, die neben ihren „Drei Schwestern“ als Wien-Premiere auch ihr Projekt „I AM (VR)“ zeigt, eine längerfristige Zusammenarbeit angestrebt. Regisseurin Claudia Bauer inszeniert einen Jandl-Abend, das Nature Theater of Oklahoma schreibt Horváth filmisch weiter, der Isländer Ragnar Kjartansson zeigt zwei Arbeiten.

Musik und Musiktheater haben ebenso Platz in dem Programm wie moderner Tanz, Performances und Auseinandersetzungen mit Virtual Reality. „Wir verstehen Theater als Gegenwartskunst“, sagte Voges. „Ich hoffe, dass das Thema Corona irgendwann nicht mehr unsere Gegenwart betrifft, wobei ich glaube, die Auswirkungen werden uns noch lange beschäftigen.“ Gespielt wird auf der Großen Bühne im Haupthaus, im Volx in Margareten, in der „Dunkelkammer“ unter dem Dach, in der Roten Bar, im Weißen Salon, aber auch in den Bezirken.

Abschied von Doris Weiner

In den Bezirken rührt der künstlerische Produktionsleiter Calle Fuhr tüchtig um. In dem 30-minütigen Saison-Ankündigungsvideo sprach er von „hoch relevanten Arbeiten“ und freute sich vor allem auf die erste österreichische Arbeit der US-Regisseurin Karen Breece, die in „Wien’s Anatomy“ „das österreichische Gesundheitssystem auf Herz und Nieren prüfen“ werde.

„Es gibt einen Wandel, das ist ganz klar. Wir verabschieden uns vom Illusionstheater. Diese kleinen Bühnen sind Begegnungsstätten. Wir werden ein lustvolles, sinnliches und kluges Programm machen, das funktionieren wird auch ohne die große Illusionsmaschine“, sagte Voges, der auf neues wie altes Publikum hofft. Von der langjährigen Bezirke-Leiterin Doris Weiner will man sich Ende Oktober mit ihrer Abschiedsproduktion „Sechs Tanzstunden in sechs Wochen“ im Haupthaus verabschieden.

Erstes Jahr von Voges als „Sisyphos-Kampf“

„Es war nicht einfach, aber ich habe intensiv das Haus kennenlernen dürfen“, berichtete Voges von seinem ersten Jahr am Volkstheater Wien. „Der Sisyphos-Kampf war sehr zermürbend. Umso schöner war es, am 26. Mai erstmals Menschen ins Haus lassen zu können. Ich bin seither 10 Kilo leichter vom Stein, der mir vom Herzen gefallen ist.“

Mit seinen Dortmunder Produktionen „Der Theatermacher“ und „Endspiel“, Jandls „Der Raum“ und „Black Box“ habe man immerhin „eine erste kleine Duftmarke in der Stadt setzen“ können. „Ich spüre eine Aufbruchstimmung hier und fühle mich unfassbar herzlich willkommen.“ Dass die Auslastung derzeit bei „null Prozent“ liege und auch die Abonnentenstruktur gelitten habe, „empfinde ich auch als große Chance: Es ist ein absoluter Neustart hier.“

Für Cay Stefan Urbanek ist das Haus auch dank „umsichtiger Unterstützungen“ durch den Gesetzgeber in der Coronakrise „in sehr stabilen Verhältnissen unterwegs“. Zwar seien die Umbau-Kosten gestiegen („Wir rechnen mit bis zu 29 Mio. Euro“), stehe aber „in intensivem Austausch mit den Fördergebern“. 3,3 Mio. Euro selbst auf die Beine zu stellen sei „der unveränderte Plan“. Die „Dehnung zwischen den günstigsten und den teuersten Karten“ habe man angehoben, ein großes Fragezeichen seien noch die Wartungs- und Betriebskosten der neuen Infrastruktur. „Wir sind in einer unsicheren Zeit mit viel Nebel vor uns.“