Chronik

CoV: Dunkelziffer bei Zwangsehen steigt

Die Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien warnt vor einer steigenden Dunkelziffer bei Zwangsehen in Österreich. Die Pandemie habe den Zugang zu Betroffenen erschwert – beispielsweise aufgrund von geschlossenen Schulen.

Schätzungen zufolge gibt es rund 200 Fälle von Zwangsheirat in Österreich pro Jahr. Die Dunkelziffer könnte aber deutlich höher sein und würde weiterhin steigen, so die Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien. Das liege vor allem daran, dass momentan Hochzeiten im kleinen Kreis und hinter verschlossenen Türen stattfinden würden. Von groß geplanten Hochzeiten würden die Beraterinnen und Berater meist aus dem sozialen Umfeld erfahren.

100 Betroffene holten sich in Wien Hilfe

In Wien holten sich im vergangene Jahr rund 100 Mädchen und Frauen, die von Zwangsehen betroffen sind, bei der Initiative „Orient Express“ Hilfe. Das waren um rund ein Viertel weniger als im Jahr zuvor. Anlaufstellen wie Jugendzentren und Schulen waren lange geschlossen, dadurch konnten laut Orient Express weniger Mädchen erreicht werden.

Besonders auffallend seien die vermehrte Anzahl an Anfragen unmittelbar nach den Schulöffnungen gewesen. Während der Lockdowns gab es deutlich weniger Mädchen, die sich Hilfe holten. Außerdem seien es eher junge Frauen um die 18 gewesen, die sich Hilfe geholt hätten. Der Verein rechnet also mit einer hohen Dunkelziffer, besonders bei den Minderjährigen.

Die Zwangsehe, also die Nötigung zur Ehe, ist in Österreich eine Straftat und ein Offizialdelikt. Es können also auch Dritte, ohne die Zustimmung der Betroffenen, rechtlich gegen die Ehe vorgehen. Bei einer Verurteilung drohen bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe.

„Orient Express“ bietet auch Online-Beratung an

Betroffen sind in Österreich vor allem Mädchen und Frauen, die in zweiter oder dritter Generation in Österreich leben. Frauen, die sich selbst an Hilfseinrichtungen wenden, riskieren oftmals ihr Leben, da sie sich den traditionellen Wertevorstellungen der Familie widersetzen.

Der Verein Orient Express bietet Hilfe für Frauen, die von Zwangsheirat, Verschleppung oder Gewalt „im Namen der Ehre“ betroffen sind. Die Stelle betreut im Fall von Zwangsheirat alle Mädchen und Frauen, unabhängig von Herkunft und Nationalität. Die Beratung ist kostenlos, anonym und auch online möglich. Bei Bedarf werden Betroffene in anonymen Schutzeinrichtungen untergebracht. Gerade vor den Sommerferien ist der Verein besonders aktiv: Denn einige Mädchen würden nach einem Auslandsaufenthalt verheiratet oder sogar gar nicht zurückkehren, heißt es von der Kinder- und Jugendanwaltschaft.