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APA/Helmut Fohringer
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Politik

Reform von Lehrerplanstellen ohne Einsparung

Die Vergabe von Planstellen für Lehrer sorgt in Wien für Aufregung. Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) und Bildungsdirektor Heinrich Himmer verteidigten die Reform, bei der nicht gespart, sondern umverteilt werde. Die Opposition sparte nicht mit Kritik.

Man setze eine längst überfällige Reform um, die den Schulen mehr Fairness, mehr Transparenz und Ressourcen bringen soll. Er sei gewählt worden, um „mutige und ehrliche Reformen“ zu verwirklichen, sagte Bildungsstadtrat Wiederkehr. Das sei immer mit etwas verbunden, „was wehtut“, sei allerdings Bedingung für nachhaltige Verbesserungen. Wien nehme dafür so viel Geld in die Hand wie noch nie. Die Planstellen des Bundes würden so verteilt wie bisher.

Dazu kommen laut Wiederkehr aber noch 220 Lehrerinnen und Lehrer sowie 200 Freizeitpädagoginnen und -pädagogen, die an Schulen arbeiten würden. Das sei ein Plus allein bei den Freitzeitpädagogen von zehn Prozent. Daher will Wiederkehr trotz breiter Kritik an dem neuen System zur Zuteilung von Lehrern an die Pflichtschulen festhalten.

Diskussion um Lehrer-Umschichtung

Die Vergabe von Planstellen für Lehrer sorgt in Wien für Aufregung. Die Stadtpolitik verteidigt die Reform, bei der nicht gespart, sondern umverteilt werde. Elternvertreter und Direktoren üben Kritik.

Mehr Autonomie für stärkere Standorte

Wiederkehr sprach die besonderen Herausforderungen in und nach der Pandemie an. Er verstehe auch, wenn manche Schulen mehr Ressourcen fordern. Daher wolle er auch weiterkämpfen, um vom Bund mehr Ressourcen zu erhalten und etwa Förderstunden für CoV weiter ausbezahlt werden. Wien habe mehr Herausforderungen zu meistern als bestimmte Regionen in Österreich, in denen die Herausforderungen nicht so groß seien.

Aber Wien könne nur investieren, wenn es auch wisse wie. Daher habe Wien einen eigenen „Minichancenindex“ erstellt, „wo wir sehen, wo wir in Wien zusätzliche Ressourcen brauchen“. Stärkung der Standorte und mehr Schulautonomie seien dafür wichtig. Schulleiter seien keine Bittsteller mehr, so Wiederkehr, es sei vielmehr klar ersichtlich, welche Ressourcen welche Schule bekommt, und Schulleiter könnten künftig frei entscheiden, was sie brauchen: „Wir gehen auch in Kommunikation mit jedem einzelnen Schulstandort, um zu schauen, wie können wir jede einzelne Schule unterstützen“, so Wiederkehr

Niemand soll alleine gelassen werden

Bildungsdirektor Himmer bezeichnete den eingeschlagenen Weg als „neu, aber langfristig wichtig“. Für die einzelnen Schule bedeute das nachzudenken, wie es an diesem Standort weitergehen könne: „Jeder Elternteil, jede Schule, jeder Lehrer, der sich bei uns meldet, wird begleitet, niemand wird alleine gelassen.“ Himmer betonte, er wolle manchen Dingen entgegentreten, die im Raum stünden. So werde es in Wien 130 Lehrer mehr geben als im Jahr davor, sie würden nur anders verteilt. Schulen, die im Vorjahr mehr Lehrer bekommen hätten, müssten heuer nicht unbedingt wieder mehr haben.

Mittels einer Schulplanstellenvergabe könne sich jede Schule ausrechnen, welche Ressourcen sie brauche, welche Projekte sie durchführen möchte. „Wir würden gerne alle ermöglichen, mit den bestehenden Mitteln für alle Schulen sei aber nur ein Teil möglich“, sagte Himmer. Wiederkehr ergänzte, dass es in 100 von 450 Schulen weniger Klassen geben werde als im Jahr davor. Dann sei es automatisch so, dass es weniger Lehrer für diese Schulen gebe.

Mit der Reform biete sich erstmals die Chance zu sehen, an welchen Schulen es die größten Herausforderungen und an welchen Schulen mehr Ressourcen nötig sind. Zudem gebe es auch zuständige Experten der Schulaufsicht, die aufgrund von Evaluierungen Projekte vorschlagen, die in Einklang mit den vorhandenen Ressourcen zu bringen seien. Es sei ihre Aufgabe, Schulplanstellen so aufzuteilen, dass Projekte möglichst stattfinden könnten, sagten Wiederkehr und Himmer.

„Nicht genügend“ der Eltern für Reform

Lehrer und Elternvertreter laufen bereits seit längerem Sturm gegen die Reform, weil diese nach ihrem Dafürhalten in einigen Pflichtschulen Kürzungen mit sich bringt. Außerdem sind viele Eltern enttäuscht, dass nach dem für die Kinder schon harten Coronajahr im Herbst ein weiterer starker Einschnitt zu erwarten sei.

Betroffen sind demnach vor allem Schulen, die besondere Schwerpunkten bieten konnten – native Speaker etwa, also Lehrer, die zweisprachig unterrichten oder auch Schulen mit Fokus auf Kinder mit besonderen Bedürfnissen. Mit dem Gesprächsangebot der Stadt mit jenen Schulen, die Personal verlieren, wollen sich Elternvertreter nicht zufrieden geben. Von ihnen gibt es ein klares Nicht Genügend sowie eine Petition und einen geplanten Protestmarsch.

Einhellige Kritik der Opposition

„Statt der versprochenen Transparenz kommen Chaos und untragbare Verhältnisse an die Schulen. Das hat bislang nicht einmal die SPÖ geschafft“, kritisierte der Bildungssprecher der neuen Volkspartei Wien, Harald Zierfuß, die Reform. Obwohl der Bund der Stadt mehr Lehrkräfte bezahle als jemals zuvor, hätten fast alle Schulen weniger Mittel als vorher. Das passe ganz grundlegend nicht zusammen, sagte Zierfuß.

Die Wiener Grünen orteten in einer Aussendung „Kürzungen ohne Not“ und warfen NEOS „Bildungsraub“ vor. Man würde unzählige Rückmeldungen erhalten, wonach Brennpunktschulen trotz ihrer besonderen Bedürfnisse von ebenso starken Kürzungen betroffen seien wie andere Standorte.

Die FPÖ Wien sprach von einem Bildungskahlschlag und forderte, diesen sofort zu stoppen. Das Bildungssystem in Wien werde an die Wand gefahren. NEOS-Bildungsstadtrat Wiederkehr aber auch der rote Bildungsdirektor Himmer müssten sofort zurücktreten, so Bildungssprecher Klubobmann Maximilian Krauss.

Interview mit Bildungsexpertin Christiane Spiel

im „Wien heute“-Interview zur Lehrer-Umverteilung in Wien.

Bildungspsychologin: Chancen für alle Kinder

Bildungspsychologin Christiane Spiel von der Universität Wien sprach sich in „Wien heute“ für Chancengleichheit für alle Kinder aus. Analysen von Daten zum Bildungsstandard hätten Ungleichheiten bei Chancen ergeben – sowohl für Schülerinnen und Schüler in Abhängigkeit vom Bildungshintergrund und Migrationshintergrund der Eltern aber auch für Schulen in Abhängigkeit von der Zusammensetzung der Schülerinnen und Schüler. „Daher wurde beim Einsatz der Mittel eine Abkehr vom Gießkannenprinzip vorgeschlagen, nicht abhängig von der Zahl der Schülerinnen und Schüler sondern berücksichtigt, wie sie in den Schulen zusammengesetzt sind“, meinte Spiel.

„Es geht um die Kommunikation und auch darum, wie viel neues Geld da ist. Aus meiner Sicht ist das nicht ganz klar. Damals war vorgesehen, dass die Schulen, die mehr Geld bekommen, dafür ein Konzept machen, wie sie die Geldmittel einsetzen und dass das in der Autonomie der Schulen liegt. So kann man nachher prüfen, welche Maßnahmen für die Leistungen der Schülerinnen und Schüler erfolgreich sind und welche weniger“, sagte Spiel.